*** Vollblüter ***

 
vblueter kritik
 
Autor: Walter Hummer
         
In seinem ersten Film als Regisseur zeigt Autor Cory Finley, dass junge Menschen aus der Oberschicht auch Sorgen haben. Bloß eben andere Sorgen als wir. Ganz andere …
 
Schulfreundinnen unter sich …
 
Lily ist eine Tochter aus sehr gutem Hause. Bildhübsch, schlank und immer adrett ist sie eine richtige Prinzessin. Amanda ist intelligent und schlagfertig. Ihre wirren Locken und die wenig vorteilhafte Kleidung weisen sie schon rein äußerlich als Außenseiterin aus. Die ehemaligen Schulfreundinnen haben einander seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Nun soll Lily Amanda bei einer Bewerbung helfen. Nach und nach erfahren wir von einem blutigen Zwischenfall in Amandas jüngster Vergangenheit. Aber auch die schöne Lily hat ihre Geheimnisse. Als Amanda vorschlägt, Lilys Stiefvater zu töten, lehnt diese zunächst ab …
 
Ein Pferd, ein Messer, …
 
dann ein Nobel-SUV, ein nobles Anwesen mit Blick aufs Meer, Gärtner die den Rasen pflegen, … das Arbeitszimmer eines Mannes, Trophäen und Symbole von Macht und Männlichkeit, … anders als andere Thriller erzählt uns dieser Film seine Geschichte nicht. Nein, er zeigt sie uns. Dieser Film lässt uns seine Figuren und ihre Geschichte sehen.
 
 
Wenn wir sein Bild neben einem eben erlegten Löwen und sein Samuraischwert an der Wand sehen, wissen wir bereits einiges über Lilys Stiefvater, noch bevor wir den Mann selbst gesehen und gehört haben. Wenn Lily Amanda auf ihren Geruch anspricht, teilt sie mit uns eine sinnliche Erfahrung, die das Bild ergänzt, das wir von ihrer Freundin haben. Wenn zwei Teenager, die als Kinder befreundet waren, es erst beim zweiten Versuch schaffen, einander zu umarmen, sagt uns das mehr als drei Seiten Dialog es könnten.
 
Die Technik
 
Regisseur und Autor Cory Finley zeigt aber nicht bloß Bilder und Situationen, die eine Geschichte erzählen. Er ist vor allem an Mechanismen interessiert. Er zeigt die Mechanismen von Beziehungen, von Freundschaften und Familien. Er zeigt uns wie die Mechanismen der Macht funktionieren, sowohl im Kleinen als auch im größeren Umfeld. Die Mutter folgt den Anweisungen des Stiefvaters. Ein Mädchen lässt sich von der Mutter ihrer alten Freundin kaufen. Plätze an der Uni werden ebenso gekauft, wie Therapieplätze. Und selbst ein Drogendealer glaubt zu wissen, wie er langfristig planen kann.
 
Bilder, Situationen und Dialoge sind aber nicht die einzigen Komponenten mit denen uns dieser Film seine Geschichte erzählt. Selten hat Filmmusik so minimalistisch geklungen und hatte doch so großen Anteil am Gefühl, das dem Zuseher vermittelt wird. Hauptsächlich mit Perkussion und wenigen Streichinstrumenten bestimmt der amerikanische Jazzmusiker Erik Friedlander nicht nur die Stimmung einzelner Szenen. Erst die Musik lässt uns Lilys traumhaftes Elternhaus als düsteren Ort voller Geheimnisse und Zwänge erkennen.
 
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Freude oder Schuld
 
Eine weitere große Stärke des Films ist seine Besetzung. Die wenigen Rollen sind alle großartig besetzt.
 
Olivia Cooke haben wir zuletzt in „Ready Player One“ und „The Limehouse Golem“ gesehen (ausführliche Besprechungen sind hier auf cinepreview.de zu finden). In dieser schwierigen, schwer zugänglichen Rolle leistet die junge Britin Erstaunliches. In einer Szene vor einem Spiegel verwandelt sie sich nur durch ihre Mimik in einen anderen Menschen und zeigt uns so in wenigen Sekunden ein junges Leben das einfach falsch gelaufen ist.
 
Anna Taylor-Joy hat bereits in „Split“ eine - nur oberflächlich betrachtet – unschuldige junge Frau gespielt, die ihre Geheimnisse hat. Hier gelingt ihr das Kunststück, die drastische Entwicklung ihrer Figur für den Zuseher absolut nachvollziehbar zu machen.
 
Paul Sparks („House of Cards“) hätte den Stiefvater leicht als Klischee eines widerlichen Sadisten spielen können. Sein zurückhaltendes Spiel sorgt dafür, dass wir auch seinen Standpunkt nachvollziehen können.
 
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Der 2016 tragisch verunglückte Anton Yelchin („Star Trek“) zeigt uns nicht nur einen glaubwürdigen Drogensüchtigen und –dealer ohne alle Klischees. Sein Tim ist ein Fremder in der Welt von Lily und Amanda und funktioniert so als emotionaler Bezugspunkt für das Publikum. In einem Film, in dem es um den Wert eines Menschenlebens geht und auch darum, wie junge Menschen mit ihrem Leben umgehen, wirkt Yelchins Darstellung natürlich umso stärker, weil wir um das traurige Ende dieses Schauspielers wissen.
 
Fazit
 
„Vollblüter“ ist kein Meisterwerk. Dazu macht es sich der Film ganz am Ende ein bisschen zu einfach. Aber wir haben hier einen originellen Thriller, der uns auf hohem Niveau in gerade mal 92 Minuten eine spannende, überraschende und doch immer logische Geschichte erzählt.
 
 
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