Manchmal braucht man unsympathische Figuren in einem Film. Und manchmal braucht man dumme Figuren in einem Film. In Komödien sollte man unsympathische und/oder dumme Figuren aber besser sparsam einsetzen …
Männer sind ... und Frauen auch
Sieben Freunde haben sich zum gemeinsamen Abendessen getroffen. Leider sind sie Protagonisten in einer deutschen Komödie über das Verhalten von Männern und Vertretern dieses merkwürdigen anderen Geschlechts. Daher müssen sie ein Spiel spielen, in dem es irgendwie um das geht, was die Figuren in diesem Film für Ehrlichkeit halten. Den ganzen Abend lang müssen sie alle ihre Mobiltelefone auf den Tisch legen, damit jede Textnachrichten laut vorgelesen und jeder Anruf nur auf Lautsprecher geschaltet beantwortet werden kann. Das entwickelt sich für die Protagonisten furchtbar, soll aber für das Publikum wohl lustig sein …
Jeder kennt diese Werbespots, in denen attraktive Menschen einander in Designer- Lofts als Beweis ihrer Freundschaft gegenseitig mit miesen Nuss-Pralinen füttern. Weil ich besonders unsympathische Figuren bereits mehrmals mit diesen Werbeträgern verglichen habe, hätte ich das in meiner Besprechung von „Das perfekte Geheimnis“ zunächst nicht noch einmal tun wollen. Und das obwohl sich der Vergleich bereits in den ersten Minuten des Films aufgedrängt hat, weil diese aus Palmöl bestehenden Nuss-Pralinen nach kaum einer Viertelstunde Laufzeit dieses Films gleich in mehreren Einstellungen auffällig ins Bild gehalten werden.
Wenn Regisseur und Drehbuchautor Bora Tagtekin („Fack ju Göthe“) also darum bettelt, muss es eben sein: Die sieben Hauptfiguren seines neuen Films sind so dumm und unsympathisch, dass man sie nicht einmal mehr mit den Protagonisten eines Ferrero-Küsschen-Werbespots vergleichen kann. Wie kann man als Filmemacher eine Gruppe von furchtbar geschriebenen Charakteren in eine noch furchtbarer geschriebene Situation stecken und dann meinen, das wäre lustig? Wer soll das unterhaltsam finden? Wer über die „Gags“ in diesem Film lacht, amüsiert sich auch über die Comedy von Mario Barth.
Kennste? Kennste?
Ebenso wie der Vergleich mit den Werbespots für Ferrero-Küsschen, drängt sich auch der mit Mario Barth gerade zu auf. Wie der unlustigste Komödiant deutscher Zunge, so lachen auch die Figuren in diesem Film lauthals über die eigenen Scherze. Wie sollte das Publikum sonst auch mitbekommen, was komisch sein soll? Ich habe während des Films schon halb damit gerechnet, eine der Figuren irgendwann sagen zu hören: „Frauen, ich sach ma Frauen, kennste Frauen? Kennste?“ Was sie stattdessen im Verlauf von anstrengenden 111 Minuten von sich geben, ist leider nicht viel besser.
Da sagt ein Freund zum anderen schon mal: „Du hast die größte Emanze von allen abbekommen.“. Hält eine Frau ihren Mann plötzlich für homosexuell, stellt sie fest: „Deswegen bist Du auch so schlecht im Fußball.“. Menschen, die Floskeln wie „Nimm’s mir nicht übel, aber …“ oder „Das soll jetzt keine Kritik sein, aber …“ von sich geben, nur um ihre Gesprächspartner anschließend übel zu kritisieren, dürfen sich freuen. Sie haben nun ihren eigenen Film bekommen. Ich habe bald nach Beginn dieses Abendessens unter Freunden aufgehört zu zählen, wie oft solche und ähnlich furchtbare Phrasen zu hören waren. Trotzdem sollen wir das Alles lustig finden.
Schlimmer als das, was die Figuren von sich geben, ist bloß was sie einander antun. Die von Jessica Schwarz gespielte Psychotherapeutin ist es, die dieses furchtbare Spiel vorschlägt und die Regeln festlegt. Als Simon (Frederick Lau) nicht mitspielen will, ist wieder sie es, die den Freund unter Druck setzt, sodass er sich einverstanden erklären muss. Sie ist es auch, die ihrem Mann eine Szene macht nachdem sie erfährt, dass dieser eine Therapie macht. Warum ist unklar. Hätte er für die Therapie ihre Erlaubnis einholen müssen? Oder hätte er die eigene Ehefrau als Therapeutin wählen sollen?
Spieler und Spoiler
Aber auch die anderen Figuren schonen weder ihre Freunde noch ihre Partner. Der von Elyas M’Barek gespielte Leo leidet unter seiner von der bösen Gattin erzwungenen Elternzeit. Daher sollen wir wohl Verständnis haben, wenn er seiner Ehefrau (Karoline Herfurth) vor ihren Freunden den Rock hochziehen will, um sie als … ja, was eigentlich? … Lügnerin oder Schlampe? … zu entlarven. Die Frau hat das natürlich verdient. Selbst nachdem sie zugegeben hat, sich in ihrem Job praktisch prostituiert und auch Kokain geschnupft zu haben um nicht als „Langweilerin“ zu gelten, fühlt sie sich ihrem Mann noch überlegen genug, um ihn zu ohrfeigen weil sie ihn für schwul hält. Nur zur Erinnerung: Dieser Film soll eine Komödie sein.
Wem das alles noch nicht reichen sollte, dem kann ich noch einiges in Aussicht stellen. Mit Mobbing geht man in diesem Film so um: drei der Freunde maskieren sich, überfallen den Mobber des vierten Freundes und schlagen ihn so übel zusammen, dass der mit seinem Mobbing aufhört. Ja, so lösen echte Männer ihre Probleme im Jahr 2019. Das schweißt zusammen. Das feige Verprügeln drei gegen einen ist dann auch bereits Teil des Happy Ends. Besonders „lustig“ ist die Schlusspointe des Films: der einzige Mann von dem während des Spiels kein dreckiges Geheimnis aufgedeckt wurde, hatte die ganze Zeit ein zweites Mobiltelefon, das er nur benutzt um seine Frau zu betrügen. Hahaha, da müssen die Freunde aber herzlich lachen!
Ach ja, nur um nochmal kurz zu zeigen, welch emanzipiertes Weltbild Autor und Regisseur Dagtekin hier vermittelt: von den drei Frauenfiguren dieses Films bekommen zwei keine eigene Schlussszene. Die Geschichten von Frauen müssen ja auch nicht unbedingt zum Abschluss gebracht werden. Interessiert doch keinen. Nur eine der Frauen darf ein Happy End erleben. Und zwar die Frau, die entschieden hat, dass Karriere doch nichts für sie ist und daher lieber bei ihren Kindern daheim bleibt. Ach, ist das schön zu sehen, wie glücklich diese Frau ist, weil sie nun nicht mehr arbeiten gehen muss und stattdessen am Spielplatz auf der Bank sitzen darf. Mit dieser Szene empfiehlt sich „Das perfekte Geheimnis“ endgültig für den Bayerischen Filmpreis … allerdings für den von 1938.
Wotan Wilke Möhring (geboren 1967), Florian David Fitz (geboren 1974), Elyas M’Barek (geboren 1982) und Frederick Lau (1989) spielen die vier Freunde, die miteinander die Schulbank gedrückt haben. Jeder dieser Schauspieler hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er zu gut für diesen Film ist. Möhring hätte die Rolle schon mal deshalb ablehnen sollen, weil im Film nie erklärt wird, wie seine Figur zweiundzwanzig Mal sitzen bleiben konnte.
Warum Karoline Herfurth („Fack ju Göthe“) und Jella Hase (Chantal aus „Fack ju …“) bei diesem frauenfeindlichen Projekt mitgemacht haben, müssen sie selbst wissen. Unklar ist auch, was die großartige Jessica Schwarz („Buddenbrooks“) bewogen hat, hier mitzuspielen.
Fazit
Eine Komödie in der dumme, unsympathische Figuren dumme, unsympathische Sachen sagen und dumme, unsympathische Dinge tun, fällt überraschenderweise nicht besonders lustig aus. Der Film für alle, denen die Ferrero-Küsschen-Werbespots bisher immer um 110 Minuten zu kurz waren.