In diesem Film geht es um Mütter und Töchter. Aber der Generationenkonflikt wird hier genauso oberflächlich behandelt wie in „Angel Has Fallen“. Nämlich praktisch gar nicht. Und die Frauen regieren auf Verletzungen, die sie direkt auf die Intensivstation befördern sollten, ebenso wie Herr Wick, wenn er mal wieder von Profis mit Baseballschlägern verprügelt oder von einem Balkon geworfen wird. Nämlich praktisch gar nicht. Hier ist nichts anders und nichts weiblich. Die Frauen in diesem Film genauso unrealistisch und unsinnig agieren zu lassen wie ihre männlichen Kollegen in deren Filmen und das dann als Film über starke Frauen zu vermarkten, ist fake-Feminismus.
Wer Filme wie „Gunpowder Milkshake“ für feministisch hält, hält es wohl auch für einen Fortschritt, mit Angela Merkel nun sechzehn Jahre lang eine Frau an der Spitze der Bundesregierung gehabt zu haben. Aber wie diese Art von Film zwar weibliche Hauptfiguren hat und trotzdem von Männern für Männer gemacht wird, war auch Angela Merkel bloß eine weibliche Protagonistin, die Politik von Männern für Männer dargestellt hat.
Die einzige Maßnahme, während Merkels sechzehnjähriger Amtszeit, die direkt etwas mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft zu tun hatte, war die „Herdprämie“. Für alle die sich nicht erinnern: hier wurden Steuergelder dafür verwendet, Frauen daheim und vom Arbeitsmarkt fern zu halten. Filme wie „Gunpowder Milkshake“ helfen der Wahrnehmung von Frauen im Film ungefähr ebenso viel wie die Herdprämie der Wahrnehmung der Frauen in der Politik.
Die Autoren Papushado und Lavski haben keine Ahnung von Frauen. Halb so wild. Da geht es ihnen wie 99,99% aller Männer. Aber dann sollen sie bitte kein Drehbuch über starke Frauenfiguren schreiben. Und Papushado hat keine Ahnung, wie er mit Frauen umgehen soll. Das merkt man daran, dass er es schafft großartige weibliche Darstellerinnen in seinem Film zu haben, die selten zuvor farbloser und uninteressanter gewirkt haben. Dann soll er doch bitteschön mit Männern arbeiten. Das machen die meisten anderen Filmemacher in Hollywood ebenso. Ich spinn jetzt mal rum und formuliere eine verrückte Idee: Könnten solche Filme nicht vielleicht auch mal von Frauen geschrieben und inszeniert werden?
It’s all over now, baby blue
Die Besetzung von „Gunpowder Milkshake“ ist ein Traum. Was Regisseur Navot Papushado mit diesem Dream-Team von großartigen Darstellerinnen angestellt hat, ist ein Alptraum. Karen Gillan hat selbst unter der Maske der „Nebula“ in „Guardians of the Galaxy“ dramatische Intensität vermitteln können. Und in „Jumanji: Willkommen im Dschungel“ war sie großartig als unsicheres Mädchen im Körper einer Figur aus einem Computerspiel. Hier schafft sie es nie richtig, die Zerrissenheit ihrer Figur zu vermitteln. Unter Papushados Regie wirkt sie in Actionszenen oft nicht hart genug und in emotionalen Szenen zu blass.
Lena Headey kann im richtigen Projekt eine Naturgewalt sein. Sie war das mit Abstand Beste an Zack Snyders „300“. In „Terminator S.C.C.“ war sie die zweitbeste Darstellerin der Sarah Connor aller Zeiten. Sie war furchteinflößend in „Dredd“. Sie war das emotionale und rationale Zentrum von „The Purge“. Und sie hat in dieser Serie mitgespielt, in der es um Drachen, Sex und Kaffeetassen geht und soll auch darin großartig gewesen sein. In „Gunpowder Milkshake“ freut man sich, sie zu sehen. Mehr aber auch nicht.
Ich habe mich auch gefreut, Carla Gugino zu sehen, für die ich seit langer Zeit eine kleine Schwäche habe (nicht so wie für Eva Green, aber doch). Gugino ist eine großartige, wandelbare Darstellerin, die fast alles sein kann. Sie war bezaubernd in „Snake Eyes“, atemberaubend in „Spy Kids“, sexy und gefährlich in „Sin City“, charismatisch in „Watchmen“ und rätselhaft in „Sucker Punch“. In „Gunpowder Milkshake“ zeigt sie eine weitere Facette ihres Könnens und beweist, dass sie auch langweilig sein kann.
Michele Yeoh ist vermutlich der größte weibliche Actionstar Asiens. Im Westen kennen wir sie aus „Tiger & Dragon“ und „Tomorrow Never Dies“. Hier darf sie Bösewichter mit einer Kette würgen. Davon abgesehen weiß Regisseur Papushado mit ihr kaum etwas anzufangen.
Angela Bassett hat beeindruckende Leistungen in so unterschiedlichen Filmen wie „Malcolm X“, „Strange Days“ oder „Black Panther“ gezeigt. Und sie war fantastisch als Tina Turner in „What’s love got to do with it“. Aber viel mehr als ein müder Scherz mit ihrem Rollennamen wollte den Machern dieses Films nicht für diese großartige Schauspielerin einfallen. Ich hoffe zumindest, dass es Absicht war ihre Figur im Film „Anna May“ zu nennen, weil das wie die beiden Vornamen von „Anna Mae Bullock“ klingt.