We need to talk
Die Dialoge in „The Father“ waren großartig. Und ständig war das Publikum gefordert, sich zu fragen, was das Gesagte im Zusammenhang der aktuellen Szene wohl bedeuten mag. Die Dialoge in „The Son“ sind lächerlich klischeehaft. Alles hat ganz konkret die Bedeutung die man hört und nicht mehr. Es gibt keinen Subtext, kann gar keinen geben, weil alle Personen ständig alles aussprechen. Jede Beschuldigung, jede Ausflucht, … alles wird immer ausgesprochen.
Dabei ist es auch nicht hilfreich, wenn uns im Film immer wieder im Dialog erklärt und beschrieben wird, was man uns besser einfach gezeigt hätte. Es wird darüber gesprochen, wie der Sohn seine Zeit verbringt während er in der Schule sitzen sollte. Warum sehen wir nicht einfach, wie er morgens das Haus verlässt und sich anschließend herumtreibt? Falls Zeller und Hampton das Publikum im Unklaren lassen und die Wahrheit zusammen mit dem Vater erfahren lassen wollte, war der Plan zum Scheitern verurteilt. Niemand, der alt genug ist um diesen Film im Kino sehen, wird auch nur den geringsten Zweifel haben, ob der Teenager tatsächlich in der Schule war.
Spätestens wenn ein Paar in der gemeinsamen Wohnung über einen Streit spricht, der am Vorabend zwischen genau diesen beiden Menschen in genau dieser Wohnung stattgefunden hat und wir diesen Streit nicht gesehen haben, ergeben die Entscheidungen der Filmemacher einfach keinen Sinn mehr. Warum haben wir diesen Streit nicht gezeigt bekommen? Er hat an genau dem gleichen Ort zwischen genau den Beteiligten stattgefunden, die wir jetzt im Bild sehen. Hier geht es nicht darum, eine Person Neues erfahren zu lassen. Hier geht es nicht um abweichende Versionen des Streits. Uns Geschehen nicht sehen zu lassen und uns stattdessen Gespräche über das Geschehen hören zu lassen, wirkt ebenso irritierend wie frustrierend und führt nirgendwohin.
Dabei lässt uns der Film immer wieder erkennen, wie viel besser er hätte sein können. Er lässt uns sogar erkennen, wie viel besser er hätte sein müssen. Kameramann Ben Smithard hat uns in „The Father“ wunderschöne, zunehmend beunruhigende Bilder sich ständig verändernder Räume gezeigt, denen wir nicht trauen konnten. Hier zeigt er uns wunderschöne langweilige Bilder statischer Räume, die uns kalt lassen. Nachdem wir das zweite Mal die Waschmaschine gesehen haben, wissen wir, wie der Film eine Stunde später ausgehen wird. Nachdem dritten Mal fragen wir uns, ob man uns für doof hält. Und nachdem vierten Bild der Waschmaschine ärgern wir uns über den ganzen Film.
Cutter Yorgos Lamprinos hat uns in „The Father“ die ganz besonderen Bilder dieses Films serviert, wie ein Kellner in einem Edelrestaurant die feinsten Speisen serviert: unaufdringlich, kompetent und immer im richtigen Augenblick. Bei „The Son“ wirkt sein Schnitt immer noch kompetent, wenn er langweilige vorhersehbare Bilder in vorhersehbarer Reihenfolge serviert. Hans Zimmer hat unzählige Filme mit Musik untermalt, darunter moderne Klassiker wie „Rain Man“, „Cool Runnings“ oder Christopher Nolans Batman-Trilogie, aber auch gefühlt ein paar Dutzend Teile von „Pirates of the Caribbean“. Seine Musik zu „The Son“ hätte einen sehr viel besseren Film verdient.
Aber nicht nur hinter der Kamera wird Talent verschwendet. Hugh Jackman zeigt selbst in schwachen Filmen immer Charisma. Er war zwei Jahrzehnte lang „Wolverine“ und zuletzt in „Logan“ eine wunderbar tragische Vaterfigur. Seine Rolle in „The Son“ funktioniert leider einfach nicht und daher kann auch seine Darstellung nicht funktionieren.
Die großartige Laura Dern war bereits vor mehr als fünfunddreißig Jahren bezaubernd in „Die Maske“ und „Blue Velvet“ und vor mehr als dreißig Jahren großartig in „Rambling Rose“ und „Wild at Heart“. Seither hat auch sie in schwachen Filmen immer starke Leistungen gezeigt und z.B. in „Star Wars: The Last Jedi“ eine schlecht geschriebene Rolle hervorragend gespielt. Und selbst in „The Son“ gelingt ihr dieses Kunststück wieder. Die Szene, in der sich die Mutter von ihrem Sohn verabschiedet, lässt den sehr viel besseren Film erkennen, den wir leider nicht zu sehen bekommen.
Vanessa Kirby („Fast & Furious: Hobbs & Shaw”) ist keine schlechte Schauspielerin. Aber sie ist nicht annährend gut genug, um gegen ihre furchtbar klischeehafte Rolle der neuen Frau anzuspielen. Der junge Australier Zen McGrath schlägt sich in seiner Rolle als emotional verwirrter Teenager wacker. Aber auch er hat der Vorhersehbarkeit und den Klischees des Drehbuchs nichts entgegenzusetzen.
Einen einzelnen echten Lichtblick liefert uns der begnadete Anthony Hopkins, der in Zellers „The Father“ die Rolle seines Lebens gespielt hat (Ernsthaft: wer Hopkins in „The Father“ bisher noch nicht gesehen hat, muss das dringend nachholen!). Er spielt hier einen ganz anderen Vater als zuletzt und macht damit deutlich, dass tatsächlich Hugh Jackman die Titelrolle spielt und nicht Zen McGrath. Wie er aus einer einzelnen Szene nicht nur das Leben seiner Figur, sondern auch das des Sohnes seiner Figur vor uns ausbreitet, ist einfach genial.