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Kritik: Das erste Omen

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Wie bitte? Ein Prequel zu einem fast fünfzig Jahre alten Horrorfilm, an den sich schon niemand mehr erinnert? Wozu das denn?
 
I told you, not to look for me
 
Die junge amerikanische Novizin Margaret kommt 1971, kurz bevor sie ihre Gelübde ablegen soll nach Rom, um dort in einem Waisenhaus des Ordens zu arbeiten. Dort wird sie von der wirklich gruseligen alten Mutteroberin in Empfang genommen, beobachtet einen wirklich gruseligen Priester beim Rauchen, trifft eine wirklich gruselige junge Nonne, die mehr als offensichtlich schwere Probleme hat, bevor sie ein Waisenmädchen entdeckt, das von den anderen Nonnen immer weggesperrt wird. Wie das in katholischen Orden früher wohl so üblich war, wohnt die junge Novizin nicht in einem Kloster oder im Waisenhaus, sondern in einer coolen WG in einem Partyviertel Roms. Ihre Zimmergenossin ist eine weitere Novizin, die sich aber außerhalb des Waisenhauses wie eine sehr teure Domina kleidet.
 
Diese Kollegin versorgt Margaret auch mit einem Nuttenfummel, der keinerlei Zweifel an Größe, Form und Beschaffenheit ihrer Brüste offen lässt. So aufgetakelt gehen die beiden jungen Nonnenanwärterinnen auf die Piste und haben verständlicherweise auch gar keine Mühe, junge Italiener aufzureißen. Am Morgen danach wacht Margaret verkatert und mit Gedächtnislücken auf, darf im Waisenhaus einer Entbindung zusehen, die zum Gruseligsten gehört, was wir dieses Jahr im Kino sehen werden und einige Dutzend Jump-Scares später wissen wir, die Nonnen und Priester des Waisenhauses wollen für die Geburt des Antichristen sorgen und von da an, wird es dann wirklich schlimm.
 
Ich gebe zu, die Handlung von „Das erste Omen“ klingt ziemlich dämlich. Aber das ist bei Horrorfilmen nunmal so. Die Handlungen klingen immer dämlich. „Alkoholiker übernimmt zusammen mit Frau und durchgeknalltem Kind einen Job in einem Hotel, das monatelang von der Außenwelt abgeschnitten ist“, klingt zunächst mal auch nicht clever. „Kleines Mädchen fängt an Erbsensuppe zu spucken und Geheimnisse über die Mutter eines Priesters zu erzählen“, ist nicht viel besser. Oder wie klingt „Astronauten halten sich nicht an die Quarantänebestimmungen und am Ende überleben nur die vernünftige Frau und ihre Katze“? Auch „Hai frisst Menschen, aber der Bürgermeister ist ein Arschloch und am Ende hätte man ein größeres Boot gebraucht“ klingt zunächst mal nicht nach einem ewigen Klassiker. „Charmanter Akademiker hilft junger FBI-Agentin bei der Arbeit, kann aber seinen Appetit nicht zügeln“, ... ich könnte ewig so weitermachen.
 
 
Tatsächlich funktioniert vieles an dem Drehbuch, das die noch recht unbekannten Autoren Keith Thomas und Tim Smith zusammen mit Regisseurin Arkasha Stevenson verfasst haben, gar nicht schlecht. Irgendwie haben die drei Autor*innen es ganz gut geschafft, gängige Klischees zu vermeiden und viele (aber nicht alle) ihrer Ideen ergeben innerhalb der Handlung durchaus Sinn. Es gibt gute Gründe, warum die junge Novizin lange Zeit an sich selbst zweifelt, bevor sie die Verschwörung durchschaut. An der Verschwörung ist nicht die halbe katholische Kirche beteiligt, sondern nur ein überschaubarer Kreis. Und sogar die Begründung, warum man für die Geburt des Antichristen sorgen will, klingt nicht viel schräger als vieles, was Katholiken ohnehin schon glauben.
 
Selbst die Überleitung der Handlung dieses Films in die Handlung von Richard Donners Film von 1978 funktioniert durchaus elegant. Die ganze Mühe wäre zwar kein bisschen nötig gewesen. „Das erste Omen“ hätte auch ohne jede Beziehung zu „Das Omen“ und seine schwachen Fortsetzungen für sich bestehen können. Zumal der Film, wie das heutzutage ja zum guten Ton gehört, ohnehin seine eigene Fortsetzung in Aussicht stellt. Aber die Studios wollen eben kein Risiko eingehen und lieber an bekanntes Material anknüpfen als Originäres zu schaffen. Den besten Rahmen für Kreativität schafft man so nicht unbedingt.
 
01 ©2024 20th Century Studios02 ©2024 20th Century Studios04 ©2024 20th Century Studios05 ©2024 20th Century Studios
 
Umso bewundernswerter, wenn Regisseurin Arkasha Stevenson in ihrem ersten Spielfilm durchaus eigene Ideen erkennen lässt. Die frühen Szenen sehen durchaus aus, wie man sich Rom in den frühen Siebzigerjahren vorstellen würde. Einige arge Anachronismen wären leicht vermeidbar gewesen. Wenn die Novizinnen auf die Piste gehen hören sie Musik der späten Siebziger und tragen Klamotten aus den Achtzigern. Aber nach einer kurzen google-Bilder-Suche würde ich schätzen, Regisseurin Arkasha Stevenson ist erst ungefähr zwölf Jahre alt und daher lasse ich das durchgehen.
 
Zumal die junge Frau bei der Gestaltung ihres Films bewundernswerten Mut erkennen lässt und das gehört unterstützt. Einige der besten Horror-Filme aller Zeiten spielen mit der Angst vor weiblicher Sexualität („Der Exorzist“, „Carrie“, „Katzenmenschen“, ...). Selten wurde aber so drastisch mit dieser Angst gespielt, wie in „Das erste Omen“. Ich persönlich bin froh, bereits zwei erwachsene Kinder zu haben. Nachdem ich diesen Film gesehen habe, bringt mich nichts und niemand mehr in einen Kreißsaal.
 
I can’t do this anymore
 
Aber Arkasha Stevenson weiß auch mit ihren Darsteller*innen zu arbeiten. Das erkennt man in einer frühen Szene, die extrem brutal gestaltet ist, aber erst durch ein Lächeln des großen Charles Dance („The King’s Man: The Beginning“) an der richtigen Stelle eine zusätzliche, furchtbar gruselige Wirkung entfaltet. Vor allem die Arbeit der Darsteller*innen, die von Stevenson zum großen Teil extrem wirkungsvoll in Szene gesetzt werden, hebt „Das erste Omen“ vom Einheitsbrei der vielen anderen aktuellen Horrorfilme ab.
 
In Nebenrollen werden renommierte, erfahrene Profis eingesetzt. Sonia Braga hat uns in „Der Kuss der Spinnenfrau“ fasziniert und selbst im extrem merkwürdigen „Rookie – Der Anfänger“ konnte sie eine ganz besondere Wirkung entfalten. Aber bis zu „Das erste Omen“ hätte ich es nie für möglich gehalten, einmal vor Sonia Braga Angst haben zu können. Nun weiß ich es besser.
 
Den Briten Ralph Ineson kennen einige von uns aus der Originalserie „The Office“, andere als Amycus Carrow in den Filmen über diese schwer zu erreichende Internatsschule und wieder andere kennen ihn als Dagmer Cleftjaw in dieser Fernsehserie über Brüste, Drachen und Kaffeetassen. Hier haben wir erst letztes Jahr über seine überraschende Leistung in „Catch the Killer“ berichtet. Er spielt den ehemaligen Priester, der einer Verschwörung auf der Spur ist, angenehm verhalten und vernünftig und trägt damit dazu bei, den Film niemals richtig lächerlich wirken zu lassen.
 
Der von mir sehr geschätzte Bill Nighy ist einer der besten Darsteller des Vereinigten Königreichs. Er wirkte grandios in „Tatsächlich ... Liebe“, berührend in „Best Exotic Marigold Hotel“ und herrlich vielschichtig im leider kaum bekannten „The Limehouse Golem“. Allerdings hat Nighy in letzter Zeit einige Filme gedreht, in denen er nur markiert hat (z.B. „Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“). „Das erste Omen“ ist leider einer dieser Filme, in denen Nighy seine Komfortzone nicht verlässt.
 
Ganz anders sieht das bei den jungen Darstellerinnen aus. Eine junge Dame namens Ishtar Currie-Wilson verunsichert uns in jeder ihrer wenigen, aber eindrucksvollen Szenen. Eine noch unbekannte Darstellerin namens Maria Caballero schlägt sich tapfer, in einer Rolle, die eigentlich keinen Sinn ergeben dürfte. Und um die von Nicole Sorace dargestellte Carlita machen wir uns ebenso viele Sorgen wie die Hauptfigur.
 
Der absolute Star dieses Films ist die junge Britin Nell Tiger Free. Weil ich diese Fernsehserie über Brüste, Drachen und Kaffeetassen nicht verfolge, kannte ich diese Darstellerin bis vor kurzem nicht. Hier vermittelt sie uns absolut nachvollziehbar erst die Angst einer jungen, unerfahrenen Frau, die sich später zur Wehr setzt und am Schluss zur Kämpferin wird. Dabei trägt Nell Tiger Free nie zu dick auf, wirkt sogar in einigen schwach geschriebenen Szenen stets glaubhaft und stemmt weite Teile dieses schwierigen Films fast alleine auf ihren schmalen Schultern. Wenn man in den Casting-Agenturen in Hollywood halbwegs weiß, was man tut, steht dieser Darstellerin noch eine große Karriere bevor.
 
Fazit
 
Ein Prequel, das keines sein müsste. Die Geschichte aber vor allem die Arbeit der Regisseurin und der Darsteller*innen können absolut für sich alleine bestehen und müssen keinen Vergleich scheuen. Der eine oder andere Filmfan wird allerdings nach diesem Film dunkle Kirchen und Klöster scheuen. Und Nonnen. Priester auch, aber vor allem Nonnen. Und natürlich Kreissäle.
 
 
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