Leider versucht uns der Film genau diese Botschaft zu verkaufen. Die Töchter sollen mal lieber dankbar sein, dass Papa so hart war. Sonst wäre ja niemals etwas aus ihnen geworden. Aber der Film versucht uns noch weitere bedenkliche Botschaften zu verkaufen. Ähnlich wie der ebenfalls von Smith co-produzierte „Das Streben nach Glück“ ist auch „King Richard“ ein kitschiger Durchhaltefilm für alle die immer noch an den amerikanischen Traum glauben wollen. Aber wo Smiths Figur vor fünfzehn Jahren wenigstens selbst für den eigenen Erfolg gearbeitet hat, will „King Richard“ mit der Begabung und der Arbeit der Töchter Erfolg haben. Erfolg und sozialer Aufstieg auf dem Rücken anderer, das ist doch der wahre amerikanische Traum.
Die dritte bedenkliche Botschaft des Films ist noch etwas heikler. Erstlings-Drehbuchautor Zach Baylin ist europäischer Abstammung. Aber sowohl Regisseur Reinaldo Marcus Green als auch Co-Produzent und Hauptdarsteller Will Smith sind Afroamerikaner. Trotzdem wird Richard Williams als schwarzes Klischee dargestellt. Nicht nur hat der Mann eine unübersichtliche Anzahl an Kindern von verschiedenen Frauen. Smith lässt seinen Richard Williams selbst nach Jahren im Business bei wichtigen geschäftlichen Besprechungen nur im Idiom der schwarzen Unterschicht sprechen.
Den ganzen Film hindurch bringt Richard Williams seine Gesprächspartner immer wieder in Verlegenheit, wenn er von seiner schwierigen Kindheit erzählt („We was busy running from the Klan“). Eine Sozialarbeiterin, die seine Trainingsmethoden hinterfragt, bezichtigt er prompt des Rassismus. In einer besonders unangenehmen Szene reagiert er sofort aggressiv, als ein potentieller Geschäftspartner meint, die Erfolge seiner Tochter wären noch beachtlicher, wenn man ihre Herkunft bedenkt. Diese Figur erfüllt also das Klischee eines schwarzen Mannes, der die Rassenkarte immer wieder ausspielt, wann und wie es ihm gerade passt.
Kommen wir zur vierten bedenklichen Botschaft des Films: Nachdem Richard sich während des ganzen Films über seine Frau Brandy hinwegsetzt und wieder einmal eine fragwürdige Entscheidung für die ganze Familie getroffen hat, ohne diese vorher mit der Mutter seiner Töchter abgesprochen zu haben, stellt diese ihren Mann zur Rede. Wieder verwehrt der Mann seiner Frau jeden Respekt, behandelt sie ebenso herablassend wie alle anderen Nebenfiguren und fragt sarkastisch, „Do you want a ‚thank you‘?“. Brandy erklärt ihrem Mann daraufhin, sie sei seit Jahren nur der Töchter wegen noch bei ihm.
Diese Szene ist kein Teil einer Entwicklung. Richard zeigt in der Szene und auch danach keinerlei Einsicht. Ebenso wie Richards Geschäfts- und Erziehungsmethoden wird auch seine Eheführung bis zum Ende des Films nie in Frage gestellt. Selbst im Abspann wird die Scheidung der Eltern 2002 nicht erwähnt. In diesem Film von 2021 wird also ganz unkritisch und undifferenziert eine Ehefrau gezeigt, die nur der Kinder wegen eine unglückliche und lieblose Ehe fortführt.
They need better everything
All diese furchtbar altmodischen Botschaften werden uns in einem Film präsentiert, der halbwegs kompetent aber leider nicht besonders gut gemacht ist. Und auch dafür darf man die Schuld zumindest teilweise bei Will Smith suchen. Als größter Star, Zugpferd und Co-Produzent des Projekts hatte er sicher zumindest ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Regisseurs. Reinaldo Marcus Green hat bisher gerade mal zwei Spielfilme inszeniert. „Monsters and Men“ war ein kleiner Indepent-Film, den praktisch niemand gesehen hat.
„Good Joe Bell“ war ein gutgemeintes Drama, dem ein fehlbesetzter, den Film dominierender Hauptdarsteller mehr geschadet als genützt hat. Und dieser noch recht unerfahrene Regisseur serviert uns hier einen Film, der kaum jemals den richtigen Ton trifft. Bereits eine frühe Szene, in der die Williams-Schwestern Branchenbücher verteilen müssen um ein paar Dollar zum Haushaltseinkommen beizusteuern, lässt einen ratlos zurück. Wir sollen also feststellen, wie arm die Familie ist und wie hart die beiden Mädchen arbeiten müssen. Aber warum wurde die Szene dann so gestaltet, als hätten die beiden jede Menge Spaß an der Arbeit?
Was soll die Episode, in der Richard Williams mit einer Waffe loszieht, um sich gegen eine Gang in Compton zur Wehr zu setzen? Sollen wir froh sein, wenn die Gang-Mitglieder von einer dritten Partei erschossen wurden, bevor der „Held“ die Gelegenheit dazu hatte? Und warum besiegen die Williams-Schwestern bei den Junior-Turnieren nur unsportliche, verwöhnte Gören? Wären Siege gegen gleichwertige Gegner nicht irgendwie lohnender und auch spannender?
Spannung bei den Tennisszenen sollte man übrigens auch später nicht erwarten. Die eigentlichen Wettbewerbe dramatisch zu gestalten, war immer schon das Schwierigste an Sportfilmen. Wir alle wissen, dass kein Boxer je so geboxt hat, wie „Rocky“ in seinen Filmen. Aber die Kämpfe waren immer großartig inszeniert und daher spannend anzusehen. Die sportlichen Szenen in „King Richard“ sind leider recht schwach inszeniert und werden nie richtig spannend. Venus Williams hatte bereits in jungen Jahren einen extrem kraftvollen, aggressiven Stil. Auf der Leinwand bekommen wir davon kaum etwas zu sehen.
Wenn wir nie vermittelt bekommen, wie besonders das Tennisspiel der beiden Williams-Schwestern war und diese beiden faszinierenden jungen Frauen nie richtig kennenlernen, dann ist das sicher nicht die Schuld der Darstellerinnen. Saniyya Sidney („Fences“) und Demi Singleton („Godfather of Harlem“) waren während der Dreharbeiten gerade mal dreizehn und vierzehn Jahre alt, wirken aber viel reifer. Es ist eine Schande, wie Talent und harte Arbeit dieser beiden begabten jungen Darstellerinnen verschwendet werden, weil die Macher des Films den Vater interessanter fanden als ihre Figuren.
Aunjanue Ellis („Ray“, „The Help“) macht das Beste aus einer der undankbarsten Rollen ihrer Karriere. Tony Goldwyn („Ghost“) und Jon Bernthal („The Walking Dead“) vermitteln uns, wie frustrierend es gewesen sein muss, geschäftliche Beziehungen zu Richard Williams zu unterhalten.
Ein Film über zwei der besten und faszinierendsten Tennisspielerinnen aller Zeiten stellt ihren Vater in den Mittelpunkt und macht ihn zum Helden. Das ist schon ärgerlich. Die mittelmäßige Regie und die altmodischen Botschaften des Films machen alles noch schlimmer.
Nur so eine Idee: wenn man das nächste Mal die Geschichte herausragender Frauen verfilmen will, vielleicht einfach mal Frauen das Drehbuch schreiben, den Film inszenieren und ein paar wichtige Entscheidungen fällen lassen. Das wäre doch zumindest einen Versuch wert, oder?