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Kritik: DogMan

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Ein wichtiger Grundsatz im Umgang mit Hunden lautet: „Es ist immer der Mensch, der den Hund nicht versteht. Nie umgekehrt.“ Bei Filmemachern und dem Publikum ist das leider nicht so einfach …
 
Sweet Dreams are made of this
 
Die Polizei hält den Fahrer eines Kastenwagens an. Der Mann ist wie Marylin Monroe gekleidet und geschminkt, aber schwer verletzt. Seine Ladung besteht aus einem bunt zusammengewürfelten Rudel Hunde unterschiedlicher Rassen. In seiner Zelle wird der Mann namens Doug Munroe von einer Polizeipsychologin befragt. Ihr erzählt er die Geschichte seines Lebens …
 
„DogMan“ ist eine wilde Mischung aus guten Ideen, schlechten Ideen und furchtbaren Ideen. Nur ein Teil dieser Ideen stammt von Drehbuchautor und Regisseur Luc Besson, der bei der Umsetzung dieser Ideen teilweise geschickt, teilweise sehr ungeschickt aber leider fast immer plump vorgeht. Im Gegensatz zu Luc Bessons letztem Film „Anna“, der seine Kosten kaum einspielen konnte, wird „DogMan“ wohl sein Publikum finden. Der Film hatte seine Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig, hat das Fantasy Filmfest eröffnet und wird noch auf weiteren Festivals gezeigt werden.
 
 
Bessons Inspirationen sind im Film leicht zu erkennen. Die Bücher von Andrew Vachss beispielsweise muss Besson direkt verschlungen haben. Und nicht nur die Marketingstrategie hat er sich bei Todd Phillips‘ Erfolgsfilm „Joker“ von 2019 abgeschaut. Auch 2019 sahen wir zunächst einen hervorragenden Trailer, der uns einen sehr viel besseren Film erwarten ließ. Das führte zu unverdienten Vorschusslorbeeren und der Film lief auf vielen Festivals. Weil viele Kritiker nur sehr ungern gegen den Strom schreiben und sich auch Leute, die es besser wissen sollten, oft blenden lassen, hat Todd Phillips jetzt einen Goldenen Löwen und ich habe jetzt schon Angst vor der Fortsetzung.
 
Wie damals „Joker“ wollte ich auch „DogMan“ wirklich gerne positiv aufnehmen. Grundsätzlich ist es mir immer lieber, einen gelungenen Film zu sehen. Aber wie schon bei „Joker“ wollte ich mit der Hauptfigur mitfühlen, wollte Anteil an seinem Geschick haben. Denn in beiden Filmen sehen wir großartige Darsteller, die sich kopfüber und ohne jede Eitelkeit in die Darstellung tragischer Figuren stürzen. Beide Hauptfiguren wurden bereits früh traumatisiert. Das Fehlen von Verständnis treibt diese Charaktere dann in die Isolation und noch weiter.
 
Warum fällt es mir dann so schwer, Anteil an der Geschichte des „DogMan“ zu nehmen? Wenn überhaupt sollte es mir leichter fallen. Immerhin spielen in „DogMan“ jede Menge Hunde mit und meine spezielle Beziehung zu Hunden ist auf cinepreview.de bestens dokumentiert (vgl. Rezensionen zu „Lloranas Fluch“, „Wuff“, „Geostorm“, …). Aber vielleicht ist meine Vorliebe für ehrliche, gut gemachte Filme ebenso groß wie die für Hunde. Und allzu viel an „DogMan“ ist weder ehrlich noch gut gemacht.
 
Die Szenen in denen wir die furchtbare Kindheit der Hauptfigur vermittelt bekommen, sollten uns tief berühren, vielleicht sogar aufwühlen. Aber Luc Bessons schlampige Inszenierung macht das unmöglich. Dougs Familie trägt Klamotten wie Hillbillys in der amerikanischen Provinz der Fünfzigerjahre. Aber im Film erfahren wir, Doug ist 1991 geboren. Das bedeutet, die entsprechenden Szenen spielen in einer amerikanischen Großstadt um die Jahrtausendwende. Und in den Straßenszenen sehen wir dann Fahrzeuge aus dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
 
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Wenn ein wesentlicher Aspekt der Handlung dann auch noch aus dem alten Klischee mit der an einer schwierigen Stelle des Körpers sitzenden Kugel besteht, die man nicht herausoperieren kann und die den Verletzten irgendwann sehr viel später umbringen wird, kann man den Film leider nicht mehr ernst nehmen. Wenigstens kann man ihn nicht annähernd so ernst nehmen wie Luc Besson, der uns lächerliche, comichafte Szenen zeigt, die besser in eine seiner Fantasien wie „Das fünfte Element“ oder „Valerian“ gepasst hätten, als in das Drama über Trauma und Isolation, das er uns hier zeigen will.
 
Und Besson will uns hier ganz offensichtlich das große Drama zeigen. Das macht er immer wieder deutlich. Die Nebenhandlung über die große romantische Enttäuschung des Helden ist schwach geschrieben, noch schwächer inszeniert und leider auch nicht besser gespielt. Das Ganze kulminiert in einer Szene gnadenlosen overactings und am Ende ärgert man sich darüber, wie plump Besson uns hier manipulieren will.
 
Ähnlich plump und manipulativ wirkt es, wenn die Polizeipsychologin während der Gespräche mit dem Häftling viel zu viel über sich selbst preis gibt oder wenn Doug auf Arbeitssuche immer wieder abgewiesen wird, in dem man ihm ein Stück Papier in die Hand drückt. Wenn eine Figur zu den Klängen von Édith Piafs „Non, je ne regrette rien“ lächelnd Selbstmord begeht, sollte das mit dem „Darren-Aronofsky-Not-So-Subtle-Manipulation-Award“ ausgezeichnet werden.
 
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Non, je ne regrette rien
 
Schwierig wird es, nachdem Doug mit einer bestenfalls passablen Playback-Nummer zum neuen Star eines Travestie-Clubs wird. Durch die Auftritte in dem Club beginnt der Held dieses Films auch privat Frauenkleider zu tragen. Und unter den vielen guten Ideen, schlechten Ideen und furchtbaren Ideen dieses Films, die von Besson teilweise geschickt, teilweise ungeschickt aber immer plump umgesetzt werden, ist diese Idee die problematischste.
 
Es ist großartig, dass Menschen aus allen Teilen des LGBTQIA+-Spektrums endlich auch in der populären Kultur gezeigt werden. Aber vor allem cis-männliche, heterosexuelle Filmemacher sollten hier sensibel vorgehen und sich gut überlegen, wie sie diese Menschen in ihren Filmen zeigen und ob sie deren Probleme überhaupt verstanden haben. Und das Publikum sollte ebenso sensibel reagieren und gut aufpassen, ob man ihnen nicht einfach nur alte Klischees in neuer Aufmachung präsentiert. „DogMan“ war tatsächlich dieses Jahr für den Queer Lion in Venedig nominiert.
 
Und ich frage, ob die Mitglieder des Nominierungskomitees den Film überhaupt gesehen haben. Denn wenn der Held in diesem Film seinen Trost im Crossdressing findet, dann entspricht das dem altbekannten Narrativ, wonach Abweichungen von der Heteronormativität doch immer nur durch Traumata entstehen. Menschen, die sich auf dem LGBTQIA+-Spektrum bewegen, mit denen stimmt doch irgendwas nicht. Das sind „die Beschädigten“, „die Anderen“. Unsinn wie diesen haben wir mittlerweile wirklich oft genug gesehen, gehört und gelesen. Im Jahr 2023 schaden solche Darstellungen der Sache nur noch.
 
Aber nicht nur der LGBTQIA+-Gemeinde hätte man gewünscht, Luc Besson hätte mehr Feingefühl und Verständnis gezeigt und hätte sensibler gearbeitet, sondern auch Hauptdarsteller Caleb Landry Jones. Dieser Darsteller hat u.a. in „The Outpost“ gezeigt, wie gut er schwierige Charaktere darstellen kann. In „DogMan“ zeigt er in jeder Szene, dass er viel zu gut für diesen leider etwas kruden Film ist. Hoffentlich bekommt dieser begabte Darsteller demnächst Gelegenheit, mit sensibleren Regisseuren zusammenzuarbeiten.
 
Die junge, noch recht unbekannte Jojo T. Gibbs ist in als Polizeipsychologin zu sehen. Vielleicht weil Besson diese Rolle als Ansammlung nicht zueinander passender Klischees geschrieben hat, spielt Gibbs diese Rolle auch bloß als Ansammlung nicht zueinander passender Klischees. Vielleicht kann sie es aber auch einfach nicht besser.
 
Christopher Denham („Argo“), Clemens Schick („Overdrive“) und ein junger Mann namens Alexander Settineri spielen Rollen, die von Besson aus irgendeinem Grund als Parodien auf bessere Rollen in besseren Filmen geschrieben wurden. Dagegen sind die armen Darsteller natürlich machtlos.
 
Cineasten, die sich noch an Frau von Aschenbach in Viscontis „Tod in Venedig“, die reiche, jüdische Englischschülerin in „Cabaret“ oder Lady Lyndon in „Barry Lyndon“ erinnern, dürfen sich auf ein kurzes Wiedersehen mit Marisa Benson freuen. Ob das den Preis eines Tickets rechtfertigt, muss jeder selbst entscheiden.
 
Noch ein paar Worte zu den tierischen Darstellern und Luc Bessons Arbeitsweise mit ihnen: die Hunde machen alle einen guten Job. Das ist axiomatisch, weil jeder Hund ein guter Hund ist. Daher können Hunde nur einen guten Job machen.
 
Aufmerksamen Filmfans wird aber nicht entgehen, wie oft in diesem Film ein Gangster oder eine andere fiese Nebenfigur in einer Szene Angst vor furchtbar gefährlichen Hunden darstellen muss und Regisseur Luc Besson dann zu einem, zwei oder drei Hunden schneidet, die offensichtlich entspannt, mit heraushängender Zunge und in mehr als einem Fall mit wedelndem Schwanz durchs Bild laufen. Zuweilen in Zeitlupe. Dann folgt wieder ein Schnitt zum um sein Leben rennenden Fiesling und der Betrachter muss sich fragen, ob Besson das wirklich ernst meint und wer diese lieben, entspannten Vierbeiner als Bedrohung wahrnehmen soll.
 
Die Hunde in diesem Film vermitteln in manchen Szenen ungefähr so viel Bedrohung, wie die Untertassen in „Plan 9 aus dem Weltall“. Als Hundefan finde ich das herzallerliebst. Offensichtlich hat man die Hunde nicht gereizt, um bedrohlich wirkendes Verhalten filmen zu können. Als Filmfan finde ich das drollig. Es verleiht diesen Szenen eine ganz besondere Qualität. Gefährlich oder dramatisch wirkt das alles aber nicht.
 
Fazit
 
Luc Besson hat hier auf plumpe Art und Weise einen sehr effektiven Film gedreht. Wie leicht man sich von der reißerischen Machart und dem großartigen Spiel des Hauptdarstellers von den simplen, teilweise kruden Inhalten ablenken lassen kann, zeigen die Nominierungen und Einsätze auf Festivals. Die Hunde haben jeden Preis und jede Auszeichnung verdient. Das sind alles gute Hunde.
 
 
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