„Neues aus der Welt“ basiert auf dem Roman der US-Schriftstellerin Paulette Jiles und entstand unter der Regie des Briten Paul Greengrass („Jason Bourne“), der die Verwendung unsteter Handkameraaufnahmen zu seinem Markenzeichen erhoben hat. In seiner jüngsten Arbeit geht er nun aber deutlich gemäßigter zu Werke. Hektik und wilde Schwenks gibt es hier allenfalls sporadisch. Das Tempo der Erzählung ist nicht sehr hoch.
Und immer wieder rückt Bildgestalter Dariusz Wolski die Weite und die raue Schönheit des Terrains in den Fokus, das Kidd und Johanna durchqueren. Da der Film, anders als einmal vorgesehen, hierzulande nicht in die Kinos kommt, sondern seine Veröffentlichung im Streaming-Portfolio von Netflix erfährt, dürfte freilich ein Stück seiner visuellen Kraft verlorengehen. Auf der großen Leinwand wirken die Panoramaimpressionen wuchtiger als daheim im kleinen Rahmen.
Starke Darbietungen
Herzstück der Geschichte ist die Beziehung zwischen Kidd und seiner jungen Begleiterin, die anfangs noch nicht an einem Strang ziehen. Johanna, die lediglich Kiowa spricht, wird als widerspenstiger Charakter eingeführt und sehnt sich nach einer Rückkehr zu ihrer indigenen Ziehfamilie, mit der sie viel mehr verbindet als mit ihren wirklichen Verwandten.
Aufgrund ihrer fragilen Identität und ihrer traumatischen Erfahrungen ist die Zehnjährige eine ungemein spannende Figur. Umso bedauerlicher, dass das von Greengrass und Luke Davies geschriebene Drehbuch ihr nicht die gleiche Beachtung schenkt wie ihrem Helfer. Auch wenn es auf der Reise erwartungsgemäß zu einer Annäherung zwischen Kidd und Johanna kommt, bei der sogar die Sprachbarriere durchbrochen wird, lässt sich die Vorrangstellung des Captains nicht bestreiten.
Er steht ihm Zentrum des Geschehens und lernt durch den Austausch mit Johanna, mit seinen eigenen inneren Konflikten umzugehen. Konflikten, die von den Erlebnissen im Krieg herrühren und deren abgründige Note leider nur angedeutet wird. Kidd könnte ein zerrissener, ambivalenter Protagonist sein, ist letztlich aber ein Held ohne aufregende Ecken und Kanten.
Durch das starke Zusammenspiel von Hanks und Zengel werden die Versäumnisse in der Charakterzeichnung allerdings ein wenig aufgefangen. Während sich der Hollywood-Star gewohnt unprätentiös seiner Paraderolle des integren Jedermanns verschreibt, beweist die deutsche Jungdarstellerin, dass sie nicht nur das wilde Energiebündel überzeugend verkörpern kann. Mit eindringlicher, nuancierter Mimik kehrt sie Johannas Verunsicherung und ihren Schmerz nach außen. Die Strahlkraft ihrer magnetischen blauen Augen wird uns auch in Zukunft noch öfter in den Bann ziehen.
In einigen brenzligen Momenten der Texas-Tour geben Greengrass und Davies dem Zuschauer eine Ahnung von Wut und Leid, die der blutige Bürgerkrieg in der Bevölkerung hinterlassen hat. Mehrfach sehen sich Kidd und Johanna Menschen gegenüber, die sich verraten fühlen oder alles Fremde, etwa Mexikaner und Ureinwohner, bekämpfen wollen. Um dem eigenen Elend zu entfliehen, ist manchem jedes Mittel recht. Hier und da schlagen die Filmemacher ganz bewusst Parallelen zu den Entwicklungen und den Befindlichkeiten in den heutigen USA. An einer Stelle heißt es beispielsweise „Texas first!“ – expliziter kann man auf die nationalistische Agenda Donald Trumps nicht anspielen.
Fazit
Gut gespieltes, erzählerisch manchmal aber etwas zu schematisches Westerndrama, das genregemäß eindrucksvolle Landschaftsbilder zu bieten hat.