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Kritik: Lisa Frankenstein

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Der neue Film nach einem Drehbuch von Diablo Cody hat viel mit seinen Hauptfiguren gemeinsam …
 
I can't fight this feeling anymore
 
Lisa ist ein ganz normaler Teenager. Also ein ganz normaler Teenager in einem Hollywoodfilm. Daher war sie Zeugin als ihre Mutter brutal ermordet wurde, ihr Vater ist ein apathischer Dummkopf, der gleich nach dem Mord an der Mutter eine neue Frau geheiratet hat, gegen die Schneewittchens Stiefmutter wie Maria von Trapp wirkt und ihre Stiefschwester ist natürlich ein beliebter Cheerleader während Lisa in der neuen High School keinen Anschluss findet und sich einem längst verstorbenen Junggesellen auf einem verlassenen Friedhof verbunden fühlt. Dann wird ihr eines Nachts während eines Gewitters ein Wunsch erfüllt …
 
Die Drehbücher von Diablo Cody erinnern oft ein bisschen an mittelmäßige Schokolade, an der kleine Stücke Alufolie kleben geblieben sind. Man lässt sich von der Verpackung blenden, freut sich auf den Genuss, schiebt sich ein Stück in den Mund, und merkt dann aber recht bald, diese Schokolade ist von der billigen Sorte. Der Schmelz ist nicht besonders, sie krümelt und schmeckt nur nach Zucker. Aber man isst sie trotzdem, weil schlechte Schokolade immer noch Schokolade ist. Und irgendwann beißt man dann auch noch auf ein Stück Alufolie und an Genuss ist nicht mehr zu denken.
 
 
Ähnlich geht es mir mit Filmen nach Drehbüchern von Diablo Cody. Ihr größter Erfolg „Juno“ wurde als bissiges Indie-Drama präsentiert. Als Filmfan war man angesprochen. Aber schnell stellte man fest, die Figuren waren alle nur Blendwerk, reine Handlungselemente (ein Mädchen wie Juno hätte die Schwangerschaft abgebrochen und der Film wäre nach zwanzig Minuten zu Ende gewesen). Die paar Gags im Film waren alle ein bisschen zu forciert und die Dialoge zu prätentiös. Das versöhnliche, gefällige Happy End für alle war dann der Moment als die Backenzähne auf die Alufolie trafen.
 
„Jennifer’s Body“ wollte eine crazy feministische Horrorkomödie sein. Die Gags waren aber eher derb und auch zu wenig. Das ganz offensichtlich kalkulierte Geknutsche zwischen zwei attraktiven jungen Darstellerinnen war dann der Alufolien-Moment. Selbst „Young Adult“, für mich der beste Film nach einem Drehbuch Codys, hat einen Alufolien-Moment, wenn die attraktive Heldin sich zu Mitleids-Sex mit dem kleinen, dicken ehemaligen Mitschüler herablässt.
 
Und auch „Lisa Frankenstein“ blendet uns mit der Verpackung. Wow, eine crazy Horrorcomedy im Stil der Achtziger-Jahre! Coole Idee! Leider bleibt das eine der wenigen echten Ideen des Films. Würde man Student*innen an einer Filmhochschule die Aufgabe stellen, einen Film zu drehen, der aussehen sollte als hätten ihn der junge Tim Burton und John Hughes gemeinsam gedreht, wäre „Lisa Frankenstein“ nicht der beste Film des Jahrgangs.
 
Wer sich hier von der Verpackung blenden lässt, bekommt zunächst Gags serviert, von denen einige viel zu prätentiös und die meisten zu forciert sind und die dann alle doch nicht funktionieren. Beispiel gefällig? An einer Stelle erklärt Lisa, ihr Lieblingsregisseur wäre „Pabst“. Der einzige mir bekannte Regisseur dieses Nachnamens wäre Georg Wilhelm Pabst, ein Österreicher, der seine erfolgreichsten Filme in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gedreht hat. Ein Gag, der 99,9% des Publikums zu hochgestochen und für die restlichen 0,1% nicht besonders witzig ist, repräsentiert ganz wunderbar was man von „Lisa Frankenstein“ erwarten darf.
 
01 ©2024 Universal Pictures02 ©2024 Universal Pictures04 ©2024 Universal Pictures05 ©2024 Universal Pictures
 
Die offensichtlicheren Gags sind leider auch nicht witziger. Warum müssen die Tränen einer bedauernswerten Figur wie eine „heiße Toilette auf einem Rummel“ riechen? Warum lautet der Nachname der Heldin „Swallows“? Eine Name wie „Lisa Swallows“ ist ein Altherrenwitz, den man sich vermutlich selbst in den Bond-Filmen der Sechzigerjahre verkniffen hätte.
 
Die Regie der Debüt-Regisseurin Zelda Williams (ja, die Tochter von Robin) liefert visuelle Gags, die dem Stil des Drehbuchs entsprechen. Lisas Stiefschwester fährt ein Auto dessen Armaturenbrett mit Kunstrasen bezogen ist, auf dem kleine Plastikpalmen und noch irgendeine bunte Katzenfigur in Neonfarben kleben. Die Katze trägt auch noch eine Kette und das Lenkrad ist mit Plüsch bezogen und kann mir bitte jemand erklären was dieser visuelle Overkill soll? Das berühmte Bild der „Landung“ in „Die Reise zum Mond“ von Méliès wurde bereits x-mal in Filmen zitiert. Aber selten so unergiebig wie hier.
 
Witzig ist also praktisch nichts an „Lisa Frankenstein“ (Tut mir leid, aber auch der Gag mit „The Cure“ ist zu bemüht). Auch der Horrorfaktor hält sich in Grenzen. Der bedauernswerte Junggeselle wirkt während des größten Teils des Films wie der drittplatzierte in einem „Edward mit den Scherenhänden“-Ähnlichkeitswettbewerb. „Beetlejuice“ war vor mehr als dreißig Jahren auch reichlich derb. Aber über Geschlechtsverkehr mit Verstorbenen wurde damals wenigsten nur gesprochen.
 
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Nach Tim Burton war John Hughes ganz offensichtlich die zweite Inspiration für diesen Film. „L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn“ (bei dem sich Diablo Cody am reichlichsten bedient hat), „The Breakfast Club“ oder „Ferris macht Blau“ waren Produkte ihrer Zeit. 2024 sehen wir vieles etwas anders. Sich eine Frau zu basteln, weil man mit Mädchen nicht zurechtkommt, war 1985 bereits schräg. Was Codys Heldin mit dem Namen „Lisa“ (zwinker, zwinker) 2024 mit einem belebten Kadaver anstellt, ist jenseits von schräg. Ally Sheedy war als Allison bereits bildhübsch und interessant bevor sie ihren Typ komplett verändern musste. Das „makeover“ der Heldin in „Lisa Frankenstein“ wirkt vierzig Jahre später ebenso altmodisch wie unnötig.
 
Bei all seinem Charme, war Ferris Bueller tatsächlich ein ziemlich rücksichtsloser Egozentriker. Jahrzehnte später lässt die Hauptfigur von „Lisa Frankenstein“ jeglichen Charme vermissen und wirkt daher einfach nur unsympathisch. Filme mit wenig sympathischen Hauptfiguren funktionieren aber nur mit sehr viel besseren Drehbuchautoren und Regisseuren als Diablo Cody und Zelda Williams es wohl je sein werden. Daher wird uns das Schicksal der Protagonistin bald ziemlich gleichgültig und der Film ziemlich langweilig.
 
I've forgotten what I started fightin' for
 
Filme mit wenig sympathischen Hauptfiguren funktionieren auch nur mit sehr viel besseren Darstellerinnen als es Kathryn Newton wohl je sein wird. Frau Newton war bereits in „Pokemon: Meisterdetektiv Pikachu“ nicht angenehm aufgefallen. Im allgemeinen Gewusel von „Ant-Man & The Wasp: Quantumania“ war ihre Leistung nicht das einzige, das untergegangen ist. Die Haupt- bzw. Titelrolle in „Lisa Frankenstein“ ist natürlich schlecht geschrieben. Aber Kathryn Newtons Darstellung hilft dem Film kein bisschen.
 
Cole Sprouse hat sich mit seinem Zwillingsbruder Dylan schon als Kind Rollen in Filmen wie „Big Daddy“ geteilt, bevor er dann in „Hotel Zack & Cody“ die Rolle des Cody übernommen hat (oder war es die des Zack?). Hier zeigt er eine absolut überzeugende Imitation des jungen Johny Depp, aber kaum mehr. Im Verlauf der Handlung wird der von ihm dargestellte lebende Leichnam zunehmend lebendiger. Das gleiche kann man von Sprouse‘ Darstellung leider nicht behaupten.
 
Ich gebe es zu, ich habe eine kleine Schwäche für Carla Gugino. Sie war bezaubernd in „Spiel auf Zeit“, cool in „Sin City“ und hat es sogar geschafft mittlerweile drei Filme mit Dwayne Johnson aufzuwerten. Deshalb hat mich auch ihre eher langweilige Darstellung in „Gunpowder Milkshake“ vor zwei Jahren enttäuscht.
 
Guginos Rolle in „Lisa Frankenstein“ ist natürlich furchtbar schlecht geschrieben. Diablo Cody hat offensichtlich nie verstanden, dass Bösewicht*innen in Komödien alles Mögliche sein dürfen, aber niemals wirklich böse. Deshalb konnte man ja auch nicht über Neonazis in „Blues Brothers 2000“ lachen oder über Bradley Cooper in „Die Hochzeits-Crasher“. Die böse Schwiegermutter hier ist tatsächlich viel zu böse, als das man über sie lachen könnte. Aber Carla Gugino erreicht mit ihrer komplett unpassenden Darstellung gleichzeitig zu wenig und zu viel und beschert uns einen von vielen Momenten des Films, in dem wir die Alufolie zwischen den Zähnen spüren können.
 
Einen Lichtblick im Dunkel dieses Films bildet die noch recht unbekannte Liza Soberano. Sie vermittelt als Stiefschwester Herz und Hoffnung und lässt uns erkennen, was diesem Film alles fehlt. Hoffentlich sehen wir die junge Frau Soberano bald in einem sehr viel besseren Film.
 
Fazit
 
Die Heldin dieses Films erweckt aus egoistischen Gründen einen Kadaver zum Leben und wird uns dabei immer unsympathischer. Ähnliches gilt für den Film, in dem uralte, längst begrabene Ideen wiederbelebt werden, die uns mittlerweile gar nicht mehr gefallen wollen. Bald gehen der Zombie und seine Freundin immer brutaler und rücksichtsloser vor. Und auch Drehbuch und Regie lassen bald jede Zurückhaltung vermissen. Das kann kein gutes Ende nehmen.
 
 
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