Til Schweiger ist einer der erfolgreichsten Filmemacher Deutschlands. Bei der Kritik fallen seine Filme regelmäßig durch. Dabei gibt Schweiger sich so viel Mühe. Das sieht man auch an seinem neuen Film ...
Take on me
Kurt (Til Schweiger) und Lena (Franziska Machens) ziehen gemeinsam von Berlin in ein altes Haus in der brandenburgischen Provinz. Also nicht in ein richtiges altes Haus mit Schimmel und ungenehmigten Anbauten , sondern in eine Fantasieversion eines alten Hauses, das zwar ein potthässliches Badezimmer hat, das man aber innerhalb eines Nachmittags sauber und bewohnbar bekommt.
Und sie ziehen nicht tatsächlich in die brandenburgische Provinz, sondern in eine Fantasieversion davon, wo die Nachbarn weder Neonazis noch Bauern sind, die zweimal täglich Gülle aufs Feld nebenan kippen, weil ihre Mastrinder durchs viele Kraftfutter so viel .... Nein, in dieser brandenburgischen Provinz hat man den freundlichen, verständnisvollen Heiner Lauterbach als Nachbarn, der einen sogar dreckige Wäsche in seiner Waschmaschine waschen lässt. Auf der anderen Seite wohnt niemand.
Kurt und Lenas Renovierung geht zügig voran. Vor allem weil die beiden arg fleißig sind. Ihr Arbeitstag besteht aus im Feld vögeln, sich gegenseitig mit Wandfarbe anmalen und dabei lachen, Wein trinken und lachen, auf einem Steg knutschen, ins Wasser fallen, darüber lachen und im Wasser vögeln und mit Wein, Trauben und Baguette im Haus picknicken. So ist das Haus rasch instand gesetzt. Nur das Badezimmer und die Waschmaschine werden nicht repariert, weil die Kurt und Lena das Drehbuch gelesen haben und wissen, wie wichtig beides später noch sein wird.
Die ersten fünfundzwanzig Minuten des Films wirken also wie die längste Bausparwerbung der Welt, wenn man von dem vielen Rumgevögel des Paares absieht. Dieses beschauliche Bild rundet der stets fröhliche, blitzgescheite, witzige und zuckersüße Sohn aus Kurts erster Ehe ab. Kurts Ableger heißt ebenfalls Kurt, wird meistens Kurti gerufen und kann mehr quietschlustige Witze erzählen als im realen Leben irgendjemand hören möchte. Ein paar beschauliche Bilder, einige Peniswitze und ein plumpes Merces Benz-Product Placement später kommt es aber zu einer Tragödie ...
Til Schweiger ist, soweit ich weiß, der einzige Filmemacher weltweit, der seine Filme nicht in allgemeinen Pressevorführungen zeigen lässt. Nur einige wenige ausgewählte Kritiker dürfen seine Filme vor dem Start sehen. Dass uns von fantasticmovies.de diese Ehre widerfahren ist, kann ich immer noch nicht recht glauben. Bisher haben wir zu den vielen Kritikern gehört, von denen sich Schweiger nicht verstanden fühlte und die daher seine Filme nicht gezeigt bekamen.
Aber vielleicht ist es Schweiger, dem es an Verständnis fehlt? Ich habe Sarah Kuttners literarische Vorlage „Kurt“ nie gelesen. Aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Regisseur und Co-Drehbuchautor Schweiger den Roman nicht recht verstanden hat. Sarah Kuttners Buch könnte so einiges gewesen sein. Vielleicht war es die Geschichte eines Paares, das auf unterschiedliche Weise mit einem schmerzhaften Verlust umgehen lernen muss. Vielleicht war es auch ein Buch über eine liebende Frau, die lernen muss nicht in der Trauer ihres Mannes verlorenzugehen. Vielleicht geht es in dem Roman auch um ganz was anderes.
Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sarah Kuttner 240 Seiten über einen krankhaften Egozentriker geschrieben hat, der sich nicht nur selbst in Selbstmitleid ersäuft sondern auch noch die Frau die ihn liebt mit in die Tiefe reißt. Aber genau diese Geschichte erzählt der Film „Lieber Kurt“. Til Schweiger hat die Vorlage nicht verstanden und daher aus einer Geschichte über Verlust und Trauer und dem Umgang mit beidem einfach einen Til-Schweiger-Film gemacht.