Romantische Gefühle und Gewalt verbindet die britische Filmemacherin Rose Glass („Saint Maud“) in ihrem zweiten Spielfilm auf buchstäblich schweißtreibende Weise.
Wo die Liebe hinfällt
Berühmt wurde Kristen Stewart mit den schwülstigen „Twilight“-Verfilmungen nach Stephenie Meyers erfolgreichen Romanen, die ein seltsames Bild von Romantik vermitteln. Seither hat sich jedoch viel getan. Nicht nur in der Welt, wo toxische Beziehungsdynamiken inzwischen kritischer gesehen werden. Auch in der Karriere der US-Schauspielerin, die irgendwann vehement den Bruch mit ihrem Ursprungsimage suchte. „Love Lies Bleeding“, Stewarts neuester Film, ist einmal mehr Beleg für ihr Interesse an eigenwilligen Rollen. Parts, in denen man einen ehemaligen Teenie-Star aus Hollywood nicht unbedingt erwarten würde.
Um Liebe geht es auch in Rose Glass‘ zweiter abendfüllender Regiearbeit. Gepaart wird die brennende Leidenschaft hier aber mit heftigen Gewalteruptionen, einem 1980er-Jahre-Retro-Feeling und einem furiosen Porträt zweier junger Frauen, die ihrem alten Leben entfliehen wollen.
Sicher nicht von ungefähr trägt die von Stewart gespielte Louise „Lou“ Langston dabei denselben Vornamen wie eine der beiden Hauptfiguren aus Ridley Scotts Emanzipationsklassiker „Thelma & Louise“ (1991). Einem Film, den man ähnlich wie die schrecklich eskalierenden Provinzgrotesken der Coen-Brüder beim Anblick von „Love Lies Bleeding“ rasch vor Augen hat. Überhaupt wildern Glass und ihre Koautorin Weronika Tofilska beherzt in der Fundgrube der - vor allem US-amerikanischen – Popkultur.
Kennen lernen wir Stewarts Lou beim Säubern der Klos in einem ranzigen Fitnesscenter, das sie im Jahr 1989 in einem Kaff in New Mexico betreibt. Der Laden gehört ihrem Vater (bedrohlich: Ed Harris), der mit seiner Glatzen-Langhaar-Kombination zwar ulkig aussieht, mit dem man sich aber besser nicht anlegen sollte. Die kriminellen Geschäfte im Ort laufen über seinen Tisch, weshalb das FBI ihm auf die Pelle rückt.
Eigentlich hätte Lou die gottverdammte Stadt schon längst verlassen müssen. Doch die Sorge um ihre Schwester Beth (Jena Malone), die von ihrem Gatten JJ (Dave Franco mit Eins-A-Vokuhila-Schnitt) regelmäßig verdroschen wird, lässt sie bleiben, wie sie sagt. Befreiung aus dem tristen Dasein scheint in Gestalt der durchreisenden Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian) in Lous Leben zu treten. Die schnell aufflammende Beziehung der beiden Frauen steht allerdings unter keinem guten Stern, als Eifersüchteleien hoch- und Emotionen überkochen.
Tolle Haupdarstellerinnen
Trotz einiger überraschender Schlenker wirkt der Krimiplot in „Love Lies Bleeding“ etwas formelhaft und überkonstruiert. Besonders gegen Ende knirscht es in der Dramaturgie, fühlen sich manche Entwicklungen eine Spur zu erzwungen an. Negativ ins Auge sticht besonders die geradezu karikatureske Nebenfigur Daisy (Anna Baryshnikov), die offenbar einen Narren an der abweisenden Lou gefressen hat. Als verliebtes Dummchen, das unverhofft seine Chance auf ein bisschen Glück bekommt, ist sie eine reine Erfüllungsgehilfin des Drehbuchs, bloß dafür da, bestimmte Wendungen anzustoßen.
Als nicht sehr originell erweist sich auch die Loslösungsgeschichte rund um Lou und ihren Gangstervater, deren gemeinsame Vergangenheit regelmäßig in flashartigen, mitunter höllisch rot aufleuchtenden Einschüben hervorbricht. Der böse Papa muss überwunden werden, um Freiheit zu erlangen – im Kino hat man das schon oft gesehen.
Ist „Love Lies Bleeding“ also ein veritabler Fehlschuss? Ganz und gar nicht! Denn das Liebe-Blut-und-Schweiß-Stück mit seinem ins Symbolische ausgreifenden Showdown hat Qualitäten, die die Schwächen auffangen. Zu den großen Pluspunkten gehört fraglos das Atmosphärische. Die Art und Weise, wie uns Rose Glass in ihren Film hineinzieht, ist allemal betörend. Wenn die Kamera, begleitet von pulsierenden Elektrobeats, in den ersten Szenen im Fitnessclub Körper, Muskeln und Schweißtropfen fixiert, sind wir gleich mittendrin statt nur dabei, glauben den in der Luft hängenden Mief riechen zu können.
Was vor allem fasziniert, ist jedoch das Zusammenspiel der Hauptdarstellerinnen. Unerschrocken, mit Haut und Haaren werfen sich die beiden in ihre Rollen und bringen die Leinwand bei jedem Aufeinandertreffen Lous und Jackies zum Vibrieren. Die Sehnsucht nach echter Zuneigung, der Traum von Unabhängigkeit, Zärtlichkeit, Begierde, Wut und Härte – all das bildet sich in ihrer keineswegs nur harmonischen Beziehung aufs Intensivste ab. Schade eigentlich, dass die Plotmechanik ihre direkte Auseinandersetzung manchmal in den Hintergrund treten lässt. Stewart, die sicher auch bewusst mit ihrer in der Realität offen gelebten Bisexualität spielt, und O’Brian, die Kraft und Sinnlichkeit gekonnt verbindet, könnte man auch so begeistert zuschauen.
Fazit
Queere Emanzipationsgeschichte mit nicht ganz überzeugendem Krimidrumherum, die dank knisternder Stimmung und mitreißender Schauspielleistungen in den Bann zu ziehen weiß.