It’s World War III out there!
Zu hören sind unter anderem grandiose Dialoge. Hier erklären einander nicht Filmfiguren die Handlung. Hier sprechen echte Menschen miteinander. Diese Dialoge sind oft berührend, etwa im Gespräch zwischen Vater und Tochter. Manchmal sind sie rasend komisch, etwa wenn einer Figur die „Bedford-Forrest-Medal-of-Honour“ verliehen wird (zur Info: Nathan Bedford Forrest war der Gründer des Ku-Klux-Klans). Und immer sind diese Dialoge intelligent und nachvollziehbar.
Apropos, zu hören ist auch einer der coolsten und stimmigsten Soundtracks des Jahres. Dieser bringt dem Film Bonuspunkte ein, für den perfekten Einsatz von Tom Petty’s Klassiker „American Girl“. Paul Thomas Anderson sorgt damit so ganz nebenbei für die Rehabilitierung dieses Songs nach seinem komplett unangemessenen Einsatz in „Book Club II – Die Rückkehr der alten Frauen aus der reichen weißen Oberschicht“.
An einigen wenigen Stellen mögen besonders aufmerksame Filmfans erkennen, dass „One Battle After Another“ dem Publikum enorm viel zu bieten hat und sein Macher daher wohl alle Hände voll zu tun hatte. Ist Sean Penns Figur nun bei der Army, bei ICE, bei der Polizei oder bei einer anderen Behörde tätig oder stellt er einfach die Verkörperung einer Idee dar? Und fällt die Konfrontation zwischen Erzeuger und Tochter nicht etwas overwritten und auch überinszeniert aus? Aber bei all dem, was es zu sehen und zu hören gibt, vergisst man solche Fragen schnell wieder.
Zu sehen und zu hören gibt es auch einige der besten Leistungen der Karrieren der jeweiligen Darsteller*innen. Selbst die kleinsten Nebenrollen sind hochwertig besetzt. So gibt es ein Wiedersehen mit dem hochbetagten Kevin Tighe, der jahrzehntelang in so unterschiedlichen Filmen wie „Mein Partner mit der kalten Schnauze“, „Gilbert Grape“ oder „Geronimo“ immer in unsympathischen Nebenrollen geglänzt hat. Er vermittelt zusammen mit seinen Kollegen Tony Goldwyn („King Richard“), Sandy Irvine und John Hoogenakker die selbstgefällige und selbstverständliche Ruchlosigkeit der „White Supremacy“-Elite.
Benicio del Toro verkörperte zuletzt in “Der phönizische Meisterstreich” eine Karikatur. In „One Battle After Another” beeindruckt er uns als als “Sensei”, der selbst im Wahnsinn noch Sinn findet und selbst im Chaos noch Ruhe bewahren kann. Seine Darstellung ist der emotionale Anker dieses Films. Sängerin Teyana Taylor ist als Perfidia Beverly Hills eine Kriegerin, Stammesfürstin und Naturgewalt. Eine junge Dame namens Chase Infiniti vermittelt in der Rolle der Tochter, dass Kinder oft jeweils das Beste von ihren beiden Elternteilen in sich vereinen.
Sean Penn hat im Verlauf seiner bald fünfundvierzigjahrelangen Karriere in einigen grandiosen Filmen hervorragende Leistungen gezeigt. Er hat aber, nicht nur in den letzten Jahren, viel öfter mäßige Leistungen in unterdurchschnittlichen Filmen gezeigt. Sollte er aber für seine Darstellung eines erzkonservativen Fanatikers hier nächstes Jahr nicht mit dem Oscar für die beste Nebenrolle ausgezeichnet werden, wäre das ein noch größerer Skandal als 1996, als man Nicolas Cage für sein Overacting in „Leaving Las Vegas“ ausgezeichnet hat und nicht Sean Penn für „Dead Man Walking“.
Penns Darstellung eines Vaters, der keiner sein will und auch keiner sein sollte, ist die Kehrseite der Medaille zur Darstellung von Leonardo DiCaprio, der uns vermittelt, wie man(n) nur durch das was man tut und was man opfert zum Vater wird. Er zeigt hier seine beste Leistung seit „Once Upon A Time ... in Hollywood". Und er war niemals komischer als in der Szene, in der Bob versucht mit seinen alten Mitstreitern Kontakt aufzunehmen, sich aber leider nicht mehr an die dazu nötigen Codes erinnern kann.