Der Einsatz der Musiknummern in Teil Eins war sicher witzig. Auch wenn ein Soundtrack mit Songs wie „I’ve Gotta Be Me“ in einer existentialistischen Krise, „Don't Let Me Be Misunderstood“ in einer Beziehungskrise und „The Impossible Dream (The Quest)“ aus „Der Mann von La Mancha“ bevor sich der Held einer Übermacht stellt, auf jeden Fall eine Nominierung für den Darren-Aronofsky-Awards für besonders subtile Filmkunst verdient hätte. Vielleicht ist Timo Tjahjanto mit westlichen Oldies nicht richtig vertraut. Jedenfalls wirkt die Musikauswahl in Teil Zwei etwas wahllos. Jennifer Rush’s „The Power of Love“ klingt dann auch vielleicht ein bisserl arg mächtig, wenn es unvermittelt und ohne jede Vorwarnung im Film zu hören ist. Aber dann ist auch das irgendwie witzig.
But not as much as tomorrow
Wenn diese Fortsetzung durchaus unterhaltsam geraten ist, dann liegt das nur selten am Drehbuch oder an der Regie. Und ich bitte mich nicht falsch zu verstehen. Wenn ich „unterhaltsam“ schreibe, meine ich sicher nicht „spannend“. „Spannend“ ist gerade mal gar nix an diesem Film. Nicht nur kann zu keinem Zeitpunkt auch nur der geringste Zweifel am Ausgang dieses Films bestehen. Bereits zu Beginn jeder einzelnen Szene, steht für das Publikum weiterer Verlauf und Ausgang der jeweiligen Szene absolut unumstößlich fest.
Wenn dieser Film trotzdem durchaus unterhaltsam geraten ist, dann liegt das vor allem an der großartigen Besetzung. Fans von TV-Serien meinen sicher, Bob Odenkirk hätte mit „Saul Goodman“ die Rolle seines Lebens gefunden. Für mich stellt seine Darstellung des Hutch Mansell in „Nobody“ die größere Leistung dar. Bis vor vier Jahren hatte nichts in Odenkirks langer und wechselvoller Karriere auch nur den geringsten Hinweis darauf gegeben, dass ihm das Kunststück gelingen würde, den einzigen menschlichen, nachvollziehbaren und durch und durch realistischen Helden eines „Mann-in-mittleren-Jahren-verprügelt-und-erschießt-ganz-viele-Leute“-Films darzustellen.
Und genau deshalb ist es ein Jammer, wie wenig davon Odenkirk in Teil Zwei zeigen darf. In einem Drehbuch, in dem nie auch nur die kleinste Wendung oder Entwicklung fraglich oder unsicher wirkt, kann es keine Konflikte geben. Wo der Ausgang jeder einzelnen Szene klar ist und der weitere Verlauf der Handlung stets offensichtlich, gibt es für Darsteller nur wenig zu tun. Es spricht für Odenkirks natürliches Charisma, wenn wir den Helden als intelligent und Herr der Lage wahrnehmen, obwohl er in jeder Situation auf die dümmstmögliche Art und Weise reagiert und er uns stets sympathisch bleibt.
Mindestens ebenso sympathisch wirkt wieder die großartige Connie Nielsen. Durfte sie zu Beginn ihrer Karriere, in „Im Auftrag des Teufels“ vor allem sexy sein, hat sie sich in Filmen wie „Gladiator“ und „Die Stunde des Jägers“ beständig weiterentwickelt und ist nun seit gut zehn Jahren nicht nur im DC-Universe die Königin der Amazonen. Auch Nielsens Rolle in „Nobody 2“ ist furchtbar underwritten und trotzdem lieben wir sie und ihre Figur in jeder ihrer Szenen.
Wenn Odenkirk in diesem Film stets sympathisch wirkt und Nielsen immer liebenswert, dann möchten wir Christopher Lloyd nach dem Film bitte mit nach Hause nehmen. Der Mann war vor fünfzig Jahren einer der Insassen in „Einer flog übers Kuckucksnest“, er war ein klingonischer Offizier in „Star Trek III“, bevor er unser aller Doc Brown in „Zurück in die Zukunft“ wurde. Und nun ist er mit 86 Jahren bereits zum zweiten Mal der wehrhafteste, coolste und liebste Opa, den man sich nur wünschen kann. Mit diesem Großvater würde ich jederzeit überallhin in Urlaub fahren.
Sympathisch und liebenswert sind nicht unbedingt die Adjektive, die einem zur Darstellung der Oberschurkin in diesem Film einfallen würden. Sharon Stone konnte in einigen der vielen Filme ihrer Karriere ganz besondere Wirkung erzielen. In ihren besten Filmen, wie „Basic Instinct“ und „Casino“ war sie großartig. Aber als „subtil“ konnte man keine dieser Leistungen bezeichnen. Im Englischen gibt es die schöne Redewendung „chewing the scenery“ für besonders übertriebene, unnötig theatralische Darstellungen. In „Nobody 2“ kaut Frau Stone nicht einfach an der Kulisse. Sie zerfetzt sie mit ihren Zähnen, schlingt sie in großen Brocken runter und würgt diese vor dem überforderten Publikum wieder hoch, um sie sich am Halbverdauten genüsslich gütlich zu tun. Schön anzusehen ist das nicht. Sicher effizient, aber nicht schön.