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Kritik: Nobody 2

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Wenn es den Machern von Fortsetzungen gelingt, gängige Klischees zu vermeiden, müssen diese gar nicht immer schwächer ausfallen als die Vorgängerfilme. Oder …?
 
I love you more today than yesterday
 
Hutch Mansell ist nach seiner Rückkehr in seine alte Profession im Dauereinsatz. Darunter leidet nicht nur seine Familie und seine Ehe. Also macht er, was jeder verantwortungsvolle Vater machen würde und packt in einem Anfall von Nostalgie seine Familie zusammen und fährt mit Frau und Kindern in einen Freizeitpark, in dem er den schönsten, weil einzigen Urlaub seiner Kindheit verbracht hat. Leider hat sich dort wohl so einiges verändert und der Ärger lässt nicht lange auf sich warten …
 
Auch vier Jahre nach seinem Erscheinen kann ich „Nobody“ nur jedem Filmfan aufrichtig ans Herz legen. Dieser überraschende kleine Film, mit seinem überraschenden Helden funktioniert nicht nur als existentialistisches Drama. Er ist auch der intelligenteste und originellste Vertreter des in den letzten Jahren so populären Subgenres „Mann-in-mittleren-Jahren-verprügelt-und-erschießt-ganz-viele-Leute“-Film. „Nobody“ ist und bleibt tatsächlich „John Wick“ für Leser von Jean-Paul Sartre und „Taken“ für Filmfans, die bei einer Scheidung beide Seiten verstehen können.
 
Die große Stärke des ersten Films war seine Originalität. Die Fortsetzung ist eine lächerliche Ansammlung an Klischees. Da gibt es zunächst jede Menge ganz allgemeine Filmklischees, wie zum Beispiel den Familienvater, der Frau und Kindern genau das gibt, was nur er möchte und worauf weder Frau noch Kinder irgendwelche Lust haben. Dieser Vater belehrt seinen Nachwuchs nachdem er eben genau das Verhalten gezeigt hat, das er dem Nachwuchs verbietet (auch bekannt als die „do-as-I-say,-not-do-as-I-do“-Regel, nach der auch ich meine Kinder großgezogen habe). Hier singt eine ganze Familie schon mal gemeinsam einen Oldie aus den Sechzigerjahren. Und natürlich zieht sich durch den ganzen Film ein „idiot plot“, also die Art von Handlung, die nur funktionieren kann, weil jede einzelne Figur in jeder einzelnen Szene immer genau das Falsche sagt und tut, obwohl sie es besser wissen müsste.
 
 
Dann sehen wir eine erstaunlich vollständige Reihe der für diese Art von Actionfilm typischen Klischees. Der Held trifft wo er geht und steht auf Überzahlen erstaunlich gewaltbereiter Gegner, die immer einer nach dem anderen angreifen, niemals gleichzeitig. Sämtliche Schusswaffen verfügen über unerschöpfliche Munitionskapazitäten, außer natürlich in der einen Szene, in der eine leergeschossene Waffe plötzlich für die Handlung relevant ist. Es gibt einen gefährlichen Hund, der sich auf die Seite des Helden schlägt. Wir sehen, wie eine Figur in einem harmlosen Zusammenhang eine Fähigkeit erkennen lässt, die sich später als überlebenswichtig herausstellen wird. Natürlich reisen die Bösewichte in einer Karawane aus tiefschwarzen Luxuslimousinen und SUVs mit schwarz getönten Scheiben an. Und so weiter und so fort.
 
Dann hakt „Nobody 2“ auch noch die allermeisten Klischees von Fortsetzungen ab. Der Held zeigt nicht nur sämtliche Verhaltensweisen aus Teil Eins, er lässt sich in vergleichbaren Situationen auch wieder exakt so triggern, wie es ihm bereits im ersten Teil nur Ärger eingebracht hat. Tatsächlich hat der Held aus den Erfahrungen des ersten Films rein gar nichts gelernt. Ganze Sequenzen aus Teil Eins werden wiederholt, sodass der neue Film über weite Strecken eher wie ein Remake als eine Fortsetzung wirkt.
 
Es ist fast einfacher die allgemeinen Filmklischees, Actionfilmklischees und Fortsetzungsklischees aufzuzählen, die in „Nobody 2“ NICHT gezeigt werden. Es sind genau zwei: es kommt kein amerikanisches Muscle-Car vor und der Endgegner ist kein alter Feind aus der Vergangenheit des Helden. Und trotzdem ist dieser Film durchaus unterhaltsam geraten.
 
Dazu trägt die Regie nur wenig bei. Ilja Naischuller, der geniale Regisseur des ersten Teils war leider anderweitig beschäftigt, sodass der junge, im Westen noch recht unbekannte Indonesier Timo Tjahjanto auf dem Regiestuhl Platz nehmen durfte. Vielleicht überträgt sich sein asiatischer Regiestil nur schlecht ins Hollywoodkino, vielleicht durfte er keine eigenen Einfälle umsetzen. Auf jeden Fall wirkt die Regie halbwegs kompetent, lässt aber keinerlei originellen Ideen erkennen. Immerhin lässt Tjahjanto die Klischee-Lieferkette nicht abreißen, wenn er das für Fortsetzungen typische Klischee der schwächeren Inszenierung erfüllt.
 
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Der Einsatz der Musiknummern in Teil Eins war sicher witzig. Auch wenn ein Soundtrack mit Songs wie „I’ve Gotta Be Me“ in einer existentialistischen Krise, „Don't Let Me Be Misunderstood“ in einer Beziehungskrise und „The Impossible Dream (The Quest)“ aus „Der Mann von La Mancha“ bevor sich der Held einer Übermacht stellt, auf jeden Fall eine Nominierung für den Darren-Aronofsky-Awards für besonders subtile Filmkunst verdient hätte. Vielleicht ist Timo Tjahjanto mit westlichen Oldies nicht richtig vertraut. Jedenfalls wirkt die Musikauswahl in Teil Zwei etwas wahllos. Jennifer Rush’s „The Power of Love“ klingt dann auch vielleicht ein bisserl arg mächtig, wenn es unvermittelt und ohne jede Vorwarnung im Film zu hören ist. Aber dann ist auch das irgendwie witzig.
 
But not as much as tomorrow
 
Wenn diese Fortsetzung durchaus unterhaltsam geraten ist, dann liegt das nur selten am Drehbuch oder an der Regie. Und ich bitte mich nicht falsch zu verstehen. Wenn ich „unterhaltsam“ schreibe, meine ich sicher nicht „spannend“. „Spannend“ ist gerade mal gar nix an diesem Film. Nicht nur kann zu keinem Zeitpunkt auch nur der geringste Zweifel am Ausgang dieses Films bestehen. Bereits zu Beginn jeder einzelnen Szene, steht für das Publikum weiterer Verlauf und Ausgang der jeweiligen Szene absolut unumstößlich fest.
 
Wenn dieser Film trotzdem durchaus unterhaltsam geraten ist, dann liegt das vor allem an der großartigen Besetzung. Fans von TV-Serien meinen sicher, Bob Odenkirk hätte mit „Saul Goodman“ die Rolle seines Lebens gefunden. Für mich stellt seine Darstellung des Hutch Mansell in „Nobody“ die größere Leistung dar. Bis vor vier Jahren hatte nichts in Odenkirks langer und wechselvoller Karriere auch nur den geringsten Hinweis darauf gegeben, dass ihm das Kunststück gelingen würde, den einzigen menschlichen, nachvollziehbaren und durch und durch realistischen Helden eines „Mann-in-mittleren-Jahren-verprügelt-und-erschießt-ganz-viele-Leute“-Films darzustellen.
 
Und genau deshalb ist es ein Jammer, wie wenig davon Odenkirk in Teil Zwei zeigen darf. In einem Drehbuch, in dem nie auch nur die kleinste Wendung oder Entwicklung fraglich oder unsicher wirkt, kann es keine Konflikte geben. Wo der Ausgang jeder einzelnen Szene klar ist und der weitere Verlauf der Handlung stets offensichtlich, gibt es für Darsteller nur wenig zu tun. Es spricht für Odenkirks natürliches Charisma, wenn wir den Helden als intelligent und Herr der Lage wahrnehmen, obwohl er in jeder Situation auf die dümmstmögliche Art und Weise reagiert und er uns stets sympathisch bleibt.
 
Mindestens ebenso sympathisch wirkt wieder die großartige Connie Nielsen. Durfte sie zu Beginn ihrer Karriere, in „Im Auftrag des Teufels“ vor allem sexy sein, hat sie sich in Filmen wie „Gladiator“ und „Die Stunde des Jägers“ beständig weiterentwickelt und ist nun seit gut zehn Jahren nicht nur im DC-Universe die Königin der Amazonen. Auch Nielsens Rolle in „Nobody 2“ ist furchtbar underwritten und trotzdem lieben wir sie und ihre Figur in jeder ihrer Szenen.
 
Wenn Odenkirk in diesem Film stets sympathisch wirkt und Nielsen immer liebenswert, dann möchten wir Christopher Lloyd nach dem Film bitte mit nach Hause nehmen. Der Mann war vor fünfzig Jahren einer der Insassen in „Einer flog übers Kuckucksnest“, er war ein klingonischer Offizier in „Star Trek III“, bevor er unser aller Doc Brown in „Zurück in die Zukunft“ wurde. Und nun ist er mit 86 Jahren bereits zum zweiten Mal der wehrhafteste, coolste und liebste Opa, den man sich nur wünschen kann. Mit diesem Großvater würde ich jederzeit überallhin in Urlaub fahren.
 
Sympathisch und liebenswert sind nicht unbedingt die Adjektive, die einem zur Darstellung der Oberschurkin in diesem Film einfallen würden. Sharon Stone konnte in einigen der vielen Filme ihrer Karriere ganz besondere Wirkung erzielen. In ihren besten Filmen, wie „Basic Instinct“ und „Casino“ war sie großartig. Aber als „subtil“ konnte man keine dieser Leistungen bezeichnen. Im Englischen gibt es die schöne Redewendung „chewing the scenery“ für besonders übertriebene, unnötig theatralische Darstellungen. In „Nobody 2“ kaut Frau Stone nicht einfach an der Kulisse. Sie zerfetzt sie mit ihren Zähnen, schlingt sie in großen Brocken runter und würgt diese vor dem überforderten Publikum wieder hoch, um sie sich am Halbverdauten genüsslich gütlich zu tun. Schön anzusehen ist das nicht. Sicher effizient, aber nicht schön.
 
Fazit
 
„Nobody 2“ ist eine lächerliche Ansammlung von allgemeinen Filmklischees, genretypischen Klischees und Klischees, die für Fortsetzungen typisch sind. Aber der Film erfüllt noch ein weiteres Klischee, in dem er für Fans des ersten Teils trotzdem durchaus unterhaltsam geraten ist.
 
 
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