Wenn die Macher eines Remakes nicht die Überlegenheit des Originals verdeutlichen wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Neues und Interessantes hinzuzufügen …
Me and you, and you and me
Ich zitiere aus dem Text der Einladung zur Pressevorführung von „Die Rosenschlacht“: „Für das Bilderbuchehepaar Ivy (Olivia Colman) und Theo (Benedict Cumberbatch) scheint das Leben wunderbar leicht zu sein: erfolgreiche Karrieren, eine liebevolle Ehe, großartige Kinder. Doch hinter der Fassade ihres vermeintlich perfekten Lebens braut sich ein Sturm zusammen. Als Theos Karriere einen empfindlichen Knick erleidet, nimmt Ivys hingegen steil an Fahrt auf. Zwischen den beiden entzündet sich ein explosives Feuerwerk aus harter Konkurrenz und versteckten Ressentiments.“
Ich schätze wir alle kennen einen an und für sich recht intelligenten Menschen, der durchaus ein angenehmer Zeitgenosse sein könnte, wenn er nicht immer noch einen draufsetzen müsste. Stets muss er noch eine witzige Bemerkung machen, noch einen Scherz bringen, noch einen draufsetzen. Dass viele der Scherze nicht halb so witzig sind wie die Person meint, ist nicht hilfreich. Oft fragt man sich, wie dieser an und für sich intelligente Mensch nicht merken kann, wie nervtötend sein Verhalten ist. (Meine Frau lässt übrigens ausrichten, Leser*innen, die bisher das Glück hatten, keine solche Person zu kennen, dürften sich an sie wenden. Sie meinte, sie hätte regelmäßigen Kontakt zu einer solchen Person und könnte aus reichem Erfahrungsschatz berichten.)
Ich wollte eben schreiben, „Die Rosenschlacht“ erinnere an solche Menschen. Tatsächlich kam ich mir während fast der gesamten Laufzeit dieses Films vor, als wäre ich mit einer solchen Person in einer Telefonzelle eingesperrt. Nicht nur kommen einem die 105 Minuten dieses Films sehr, sehr viel länger vor. Während dieser Stunde und fünfundvierzig Minuten möchte man den Film teilweise anflehen, endlich still zu sein. An einzelnen Stellen möchte man dem Film selbst in die Fresse schlagen, damit endlich Ruhe ist.
Drehbuchautor Tony McNamara war zusammen mit Deborah Davis für das Drehbuch zu „The Favourite“ nominiert. Danach hat er alleine das Drehbuch zu „Poor Things“ verfasst, einem ganz besonderen Film mit vielen Qualitäten, den ich in meiner Rezension 2024 trotzdem für den „Darren-Arronofsky-Ehrenpreis-für-Subtilität“ nominieren musste. „Die Rosenschlacht“ lässt nun eindeutig erkennen, dass McNamara besser niemals wieder alleine ein Drehbuch verfassen sollte (und dass man den Anteil Deborah Davis‘ am Erfolg von „The Favourite“ gar nicht hoch genug einschätzen kann).
Ich habe kaum jemals einen Film gesehen, dessen Drehbuch dringender der Überarbeitung einer/eines zweiten fähigen Autor*in bedurft hätte. Und mit „fähig“ meine ich vor allem „fähig zur Selbstkritik“. Ich behaupte, Tony McNamara hatte schon lange keine Idee mehr, von der er nicht restlos begeistert war. Und sein Drehbuch lässt ja wirklich viele gute Ideen erkennen. Leider lässt es mindestens ebenso viele grottenschlechte und einige wirklich merkwürdige Ideen erkennen. Und die guten Ideen werden oft nicht zu Ende gedacht. Und wenn sie zu Ende gedacht werden, dann nehmen sie oft ganz furchtbare Wendungen.
Wenn die beiden Hauptfiguren einander zum ersten Mal begegnen, beginnt alles mit einer großartigen, witzigen Szene, in deren Verlauf sich ein frustrierter Architekt die Selbstbeweihräucherung seines Vorgesetzten während einer Feier in einem Luxusrestaurant einfach nicht mehr anhören kann. Er flüchtet in die Küche des Restaurants und trifft dort eine Köchin, die in ihrem Job auch keine Gelegenheit bekommt, ihre Kreativität zu entfalten. Nachdem wir in ein paartausend Filmen gesehen haben, wie zwei Figuren nur aus einem einzigen Grund zusammenkommen, nämlich weil sie von den beiden berühmtesten Schauspieler*innen auf der Besetzungsliste dargestellt werden, begegnen einander in diesem Film zwei Menschen, die eine echte, nachvollziehbare Verbindung zueinander spüren. Und das Ganze ist auch noch flott und witzig geschrieben.
Die Wirkung dieser Sequenz wird fast komplett ruiniert, durch eine Nicht-Sexszene im Kühlraum des Restaurants. Wozu muss uns McNamara den ersten Koitus dieser beiden Figuren so unter die Nase reiben? Zum einen wäre den meisten Filmfans auch so klar gewesen, dass die beiden anschließend gevögelt haben. Zum anderen ist diese Szene weder witzig noch sexy, noch sonstwie interessant und daher komplett unergiebig und überflüssig. Ihre Wiederholung mit anderen Protagonisten später im Film macht nichts besser.
In „Die Rosenschlacht“ hören wir immer wieder intelligenten, flotten und witzigen Dialog in bester Screwball-Comedy-Tradition. Leider hält dieses Vergnügen selten viel länger als eine halbe Minute an. Den mit beängstigender Verlässlichkeit sprechen die Figuren nach vierzig oder fünfzig Sekunden plötzlich Zeilen aus, die so prätentiös, dumm und sinnlos sind, dass sich einem die Zehennägel aufrollen. Ein Dialog über Charles Manson klingt so lächerlich konstruiert, man möchte sich fast für die großartigen Darsteller*innen fremdschämen (bis man sich erinnert, welche Gage sie für den Film wohl kassiert haben und sie sicher nicht gezwungen wurden, hier mitzumachen).
Aber nicht nur die Dialoge wirken übel konstruiert. Die ganze Handlung ist nicht besser. In der ersten Verfilmung von Warren Adlers Roman „War of the Roses“ waren die beiden von Kathleen Turner und Michael Douglas verkörperten Figuren, ein Paar ganz normaler Menschen, die sich leider im Lauf der Zeit auseinander gelebt hatten. In McNamaras Bearbeitung besteht das Ehepaar aus zwei dummen Arschgeigen, die sich besser vor Jahren getrennt hätten und wirklich alles verdienen, was ihnen passiert.
Hier stürzt der Ehemann in eine tiefe Krise, die wirklich nur dadurch verursacht wird, dass er in seinem Job offenbar gefährlich unfähig ist. Dass er nicht kapiert, wie moderne Medien funktionieren und sich wie ein Vollidiot aufführt, ist auch nicht hilfreich. Die Ehefrau „unterstützt“ ihren Mann, der ja überdeutlich an gefährlichem Ehrgeiz leidet, indem sie ihn zum Hausmann degradiert, sich jahrelang nur noch um ihr Geschäft kümmert und ihm dann vorwirft, sie hätte seinetwegen gar nicht mitbekommen wie ihre Kinder groß geworden sind.
Übrigens, eine Betrachtung der eigenartigen Parallel-Entwicklung der Story, wonach der Erfolg der Ehefrau nur durch das das abrupte Ende der Karriere des Ehemannes möglich ist, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Auf jeden Fall hinterlässt sie einen unangenehmen Beigeschmack und wirft Fragen zum Weltbild des Autors auf.
Das Drehbuch sabotiert sich auch an unzähligen anderen Stellen selbst. Etwa wenn die Eheleute versuchen, ihrer Beziehung durch einen gemeinsamen Urlaub neuen Schwung zu verleihen und sich nacheinander besaufen müssen, damit wir die nächste komplett vermeidbare Krise präsentiert bekommen. Oder wenn das britische Ehepaar von den amerikanischen Freunden natürlich auf den Schießstand eingeladen wird. Nichts davon ist besonders lustig. Nichts davon ergibt richtig Sinn. Und wirklich nichts davon macht uns die Figuren sympathischer.
So happy together An einer der schlimmsten Stellen des Films, muss der Ehemann endlich zu einer Einsicht gelangen, die das Publikum bereits eine gute Stunde vorher hatte. Dazu muss er tatsächlich einen gestrandeten Wal retten. Ham wa’s nicht ein bißchen kleiner? Diese prätentiöse Sequenz ist schon furchtbar plump geschrieben und beschert dem Autor natürlich die nächste Nominierung für den „Darren-Arronofsky-Ehrenpreis-für-Subtilität“. Aber für ihre stinklangweilige filmische Umsetzung kann man dem Autor kaum einen Vorwurf machen. Es braucht schon das Talent eines Jay Roach („Meine Braut, ihr Vater und ich“, „Bombshell“) um die Rettung eines gestrandeten Wals, die zu einer lebensverändernden Einsicht einer Hauptfigur führt, so unergiebig und schwerfällig zu inszenieren.
Roachs Inszenierung hilft dem Film auch sonst nicht weiter. Das Haus in „Der Rosenkrieg“ von 1989 war ein Traumhaus und man konnte nachvollziehen, warum sich die Eheleute darum bis aufs Blut zu streiten bereit waren. Das Haus in der Version von 2025 ist eine beliebige, moderne Angeberhütte, wie wir sie in unzähligen anderen Filmen gesehen haben und die uns rein gar nichts an Besonderem vermittelt. War das Haus 1989 praktisch der dritte Hauptdarsteller, so sehen wir hier eine recht beliebige Filmkulisse, die im Dialog immer wieder umständlich gepriesen werden muss.
In einem Film in dem das Drehbuch immer wieder buchstäblich auf die besten Aspekte des Films pisst (im Ernst, kann mir jemand erklären, warum der Sohn von intelligenten Menschen mit guten Umgangsformen vor das Lokal seiner Mutter pinkelt?) und die Regie uns nichts Besonderes vermitteln mag, gibt es für die Darsteller*innen nichts zu gewinnen. Kate McKinnon war in „Barbie“ brillant. Und Andy Sambergs Leistung in dem leider weitgehend unbekannten Film „Palm Springs“ möchte ich unseren Leser*innen ganz besonders ans Herz legen. Hier stecken beide im witzlosesten und längsten Saturday-Night-Live-Sketch aller Zeiten fest.
Ich würde gerne schreiben, das Talent von Oscar-Preisträgerin Allison Janney („I, Tonya“) würde in einer klischeehaften Rolle verschwendet. Aber die Rolle der Anwältin der Ehefrau ist auf merkwürdige Weise gleichzeitig nicht einmal ein Klischee und doch viel mehr als ein Klischee. Einerseits hätte diese Rolle dringend überarbeitet werden müssen, um wenigstens klischeehaft zu wirken. Andererseits wirkt es, als hätte man jedes Klischee über rücksichtslose Anwältinnen im Film potenziert und dann noch übersteigert. Und auch diese kurze Szene wirft die Frage auf, wie Drehbuchautor Tony McNamara Frauen wahrnimmt, die in ihrem Beruf Erfolg haben.
Olivia Colman wird als eine der besten Schauspielerinnen aller Zeiten in die Filmgeschichte eingehen, … aber sie sollte trotzdem dringend mal lernen, Drehbücher zu lesen und ihre Projekte mit mehr Sorgfalt auszuwählen. Für jedes Meisterwerk wie „The Favourite“ oder „The Father“ die eigene Zeit und die des Publikums mit Banalitäten wie „Paddington in Peru“, „Wonka“ oder nun eben „Die Rosenschlacht“ zu verschwenden, versaut den Karriereschnitt.
Zwischen Colman und ihrem Partner Benedict Cumberbatch ist nicht die geringste Chemie zu spüren. Als Ehepaar überzeugen sie keine Sekunde. Cumberbatch hat nicht nur in der TV-Serie „Sherlock“ sondern auch in so unterschiedlichen Projekten wie „Star Trek – Into Darkness“, „Inside Wikileaks“, „The Imitation Game“, „Doctor Strange“ und so weiter immer hochintelligente Charaktere in intelligenten Filmen dargestellt. Vielleicht hat er sich deshalb entschieden, einen Mann darzustellen, der sich für intelligent hält aber strohdumm ist und das in einem Film, der nicht halb so intelligent ist wie er gern wäre.
Fazit
Die Macher dieses Remakes haben außer Einbildung und mangelndem Verständnis des Ursprungsmaterials nicht viel zu bieten. So verdeutlichen sie mit viel Aufwand bloß, wie gelungen die erste Verfilmung von 1989 war.