Im Gespräch miteinander lassen diese beiden Charaktere schnell jede Höflichkeit, jeden Anstand, jeden Respekt füreinander und jeglichen Abstand zu lange zurückliegenden Erlebnissen vermissen. Zwei Siebzehnjährige, die einander am Tag nachdem sie Schluss gemacht haben begegnen, könnten sich unmöglich unreifer aufführen. Ein erwachsener Mensch, der jemandem, den er/sie Jahrzehnte nicht gesehen hat, nach wenigen Minuten Sätze wie „You were never good at sharing“ hinwirft, sollte nicht frei herumlaufen dürfen. Der Dialog in diesem Film ist so gehässig, so feindselig, die beiden Hauptfiguren quittieren ihre Gehässigkeiten an mehreren Stellen tatsächlich mit einem lauten „Ha!“.
Wenn die beiden Hauptfiguren einander nicht gerade angiften, ergehen sie sich in furchtbar anstrengendem Boomer-Selbstmitleid. Moderne Musik ist furchtbar, der jüngere Vorgesetzte ist furchtbar, die Art wie die Menschen heute sprechen ist furchtbar, ... einfach alles, was nicht mehr ganz so ist, wie während der Zeit als diese zwei Hauptfiguren jung waren, ist furchtbar.
Dieses ganze ekelhafte „früher war alles besser“ wirkt umso schräger, weil die Chronologie des Films keinen Sinn ergibt. Im Dialog (an dem, das wollen wir mal nicht vergessen, Meg Ryan mitgeschrieben hat) wird immer und immer wieder der Eindruck erweckt, die beiden Protagonisten wären 50 Jahre alt. Die Trennung ist 25 Jahre her, sie waren damals gerade mal 25 Jahre alt, sie waren beide noch auf dem College, usw.
Aber Meg Ryan ist 62 und David Duchovny ist 63 Jahre alt. Und auch wenn vor allem Frau Ryan in der Vergangenheit verzweifelte Gegenmaßnahmen ergriffen hat, man sieht den beiden jedes Jahr an. Meg Ryan sieht ein bisschen wie die Großmutter des Jokers aus. Wenn Duchovnys Figur im Film zu ihr meint, „You look the same“, sorgt er damit für den einzigen Lacher des Films. Und David Duchovny sieht so sehr wie Walter Matthau aus, ich würde ihn wirklich gern mit U-Bahnentführern verhandeln oder eine Little League-Baseballmannschaft trainieren sehen.
Alles wäre besser, als ihn Gehässigkeiten, Selbstmitleid und Unsinn mit Meg Ryan austauschen zu sehen. Die Dialoge sind so unerträglich dumm und die beiden Hauptpersonen dieses Films sind so furchtbar unsympathisch, wenn die Handlung dann nach einer Stunde ein oder zwei absolut vorhersehbare Wendungen erfährt, ist uns das alles längst mehr als gleichgültig. Hätte ich den Gesprächen dieser beiden Personen tatsächlich auf einem Flughafen zugehört, hätte ich den Sicherheitsdienst gerufen und behauptet, sie hätten sich über ein Attentat unterhalten, bloß damit die beiden nicht am Ende noch im gleichen Flugzeug wie ich sitzen. Niemand kann vom Publikum verlangen, am Schicksal solcher Figuren Anteil zu nehmen.
Even your silent treatment is noisy
Wenn das von Meg Ryan mit-verfasste Drehbuch schrecklich ist, ist ihre Regie einfach nur dilettantisch. Als Establishing Shot für den namenlosen Flughafen lässt sie ein generisches Standbild eines Flughafens einblenden, für dessen Verwendung man von jeder Filmhochschule relegiert würde. Dieses Standbild lässt sie im Verlauf des Films noch weitere Male einblenden, zuweilen fallen darauf Schneeflocken, die an eine App auf einem älteren Smartphone erinnern. Unter Ryans Regie parken große Verkehrsflugzeuge näher aneinander als Familienkutschen auf einem ALDI-Parkplatz. Das und vieles mehr wirkt alles einfach nur lächerlich unbeholfen.
Egon Friedell schrieb einmal, „Dilettantismus und ehrliches Kunstbemühen schließen einander nicht aus“. Aber Friedell musste auch nie „What happens later“ sehen. Wie wenig Einsicht in die Kunst des Filmemachens Meg Ryan hat, lässt sie am Ende ihres Films erkennen, wenn sie die Widmung, „For Nora“ einblenden lässt. Damit ist ganz klar die leider 2012 verstorbene Nora Ephron gemeint, die Drehbuchautorin von Meg Ryans größten Erfolgen „Harry und Sally“, „Schlaflos in Seattle“ und „e-m@il für Dich“ (bei den beiden letzten hat Ephron auch Regie geführt).
Ephrons Filme waren natürlich auch Kitsch und die von ihr erfundenen Figuren auch alle Egozentriker. Ich würde z.B. weder Harry noch Sally im realen Leben kennenlernen wollen und bin bis heute überzeugt, die beiden waren nach drei, höchstens vier Jahren wieder geschieden. Aber Nora Ephron wusste was sie tat. Selbst ihre schwächsten Filme („Lifesavers“, eindeutig „Lifesavers“. „Michael“ war sehr schwach. Aber „Lifesavers“ funktioniert leider gar nicht richtig.) waren in ihren schwächsten Szenen noch immer als Werk einer echten Künstlerin erkennbar. Was immer „What happens later“ sein soll, man sollte es nicht mit dem Werk von Nora Ephron in Verbindung bringen.
Weil ich diese Rezension nicht einfach so beenden und unseren Leser*innen wenigstens irgendetwas Positives mitgeben möchte: Ein wunderschöner, reifer Film über zwei Menschen, die einander vor langer Zeit nahe gestanden haben und zufällig aufeinander treffen, ist „Blue Jay“ mit der großartigen Sarah Paulson und Mark Duplass, nach einem Drehbuch von Duplass selbst. Witzig, traurig und berührend nimmt der Film sein Publikum auf eine emotionale Reise mit. Bitte schaut Euch alle „Blue Jay“ an und lasst uns alle das Objekt dieser Rezension bitte gleich wieder vergessen und nie wieder erwähnen. Wenn einige von Euch dadurch „Blue Jay“ kennenlernen, beschließen wir diesen Text wenigstens mit einem positiven Ergebnis.
Fazit
Keine Ahnung, was Meg Ryan mit „What happens later“ erreichen wollte. Die Zeit zurückdrehen? Ihre Karriere wiederbeleben? Eine romantische Komödie drehen? Sie ist sicher in jeder Hinsicht auf ganzer Linie gescheitert. „What happens later“ ist nicht nur einer der schlechtesten, sondern tatsächlich einer der unangenehmsten Filme der letzten Zeit.