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Kritik: Ticket ins Paradies

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Julia Roberts und George Clooney haben wieder einen Film miteinander gemacht. Die Werbung tut so, als wäre das allein schon ein Grund zum Feiern. Aber ein bisschen mehr braucht es schon für einen guten Film...
 
This old heart of mine …
 
David und Georgia sind die beiden unsympathischsten und unreifsten Protagonisten, die man außerhalb eines Films mit Adam Sandler je auf der Leinwand gesehen hat. Weil diese beiden unangenehmen Figuren aber von Julia Roberts und George Clooney dargestellt werden, sind sie die Helden dieses Films, der eigenartigerweise gar nicht von Happy Madison Productions hergestellt wurde. Vor langer Zeit waren David und Georgia mal einige Jahre verheiratet, haben sich aber längst scheiden lassen und meiden einander seither so gut es geht, worüber jeder in der Welt dieses Films nur dankbar sein kann. Leider haben diese beiden furchtbaren Menschen während ihrer Ehe Nachwuchs gezeugt.
 
Nach Abschluss ihres Jurastudiums macht Töchterchen Lily Ferien auf Bali und lernt dort auf ebenso doofe wie kitschige Weise einen gutaussehenden Algenfarmer kennen. Der Film nimmt sich minutenlang Zeit, uns zu zeigen, dass die beiden während ihrer ersten gemeinsamen Nacht keinen Sex hatten, weil das in der doofen und kitschigen Welt dieses Films wohl irgendwie „pfui“ wäre. Vermutlich hauptsächlich wegen dieser doof-kitschigen Enthaltsamkeit verliebt sich das verwirrte Kind in den Algenfarmer. Entweder deswegen oder wegen der Algen, wer kann das wissen? Und weil alles ebenso doof wie kitschig sein muss, reicht es Lily nicht, ihren Job bei einer Anwaltskanzlei sausen zu lassen und auf Bali zu bleiben. Nein, es muss gleich geheiratet werden.
 
 
Wen kann es jetzt noch überraschen, dass sich die beiden zerstrittenen Eltern zusammenraufen, um diese Hochzeit zu verhindern? Mich nicht und auch keine(n) unserer Leser*innen. Wen würde es wundern, wenn dieses Vorhaben nicht klappt? Mich nicht und auch keine(n) unserer Leser*innen. Und wen wird es verblüffen, wenn am Ende alle glücklich und zufrieden sind? Mich nicht und auch keine(n) unserer Leser*innen. Und zwar weil sowohl ich als auch jede(r) unserer Leser*innen mehr als zwei Filme gesehen haben.
 
Das Drehbuch hat Regisseur Ol Parker zusammen mit einem Mann namens Daniel Pipski geschrieben. Parker hat die Drehbücher zu Filmen wie „Mamma Mia! Here we go again!“ und „Ein Junge namens Weihnacht“ geschrieben. Ausführliche Rezensionen zu beiden Machwerken sind hier auf cinepreview.de zu finden. Daniel Pipski hat vor „Ticket ins Paradies“ noch nie ein Drehbuch geschrieben und das glaube ich sofort. Es würde mich auch nicht wundern, wenn Herr Pipski vor „Ticket ins Paradies“ noch nie ein Drehbuch gelesen hätte. Oder einen Film gesehen. Was uns hier in gut anderthalb Stunden angetan wird, ist ebenso anstrengend wie langweilig.
 
Eine komplett vorhersehbare Handlung wird uns in viel zu vielen und viel zu langen Dialogstellen erzählt. Dass ein Boot weggefahren ist, wird erzählt. Das Boot bekommen wir nicht gezeigt. Einen Schlangenbiss sehen wir nicht, wir hören nur davon. Eine Freundin der Braut soll wohl kein Kind von Traurigkeit sein. Wir sehen sie zwar nie mit einem Mann, aber wir hören oft davon.
 
Keiner dieser Dialoge ist witzig, keiner klingt originell. An einer Stelle warnt die Tochter den Vater, „Keine passive Aggression!“. Darauf antwortet dieser, „Was ist mit aggressiver Aggression?“. In der Pressevorführung fanden das drei der Gäste im Saal witzig. Als Filmjournalist muss man ja nicht wissen, dass das Gegenteil von „passiv“ gar nicht „aggressiv“ heißt, sondern „aktiv“.
 
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Aber halt, Moment! Plötzlich hören wir George Clooney über Ehe und Familie sprechen. Und er meint, das wäre ungefähr so, als würde man eine Kindertagesstätte mit jemandem betreiben, mit dem man früher mal was hatte. Was für eine ebenso originelle wie wohlformulierte Einsicht! Mir gefiel sie bereits, als ich sie vor achtzehn Jahren in „Before Sunset“ zum ersten Mal gehört habe. Damals meinte Ethan Hawke als Jesse „I feel like I'm running a small nursery with somebody I used to date.“. Richard Linklater, falls ein Zeuge für den Plagiatsprozess benötigt wird, ich stehe jederzeit gern zur Verfügung.
 
Ol Parkers behäbige Regie macht das alles kaum erträglicher. Parker hat u.a. „Mamma Mia! Here we go again!“ inszeniert, einen der banalsten Filme seit, .. naja „Mamma Mia!“. Sein neuer Film mäandert anderthalb Stunden ebenso träge wie uninspiriert seinem vorhersehbaren Schluss entgegen. Dieser Schluss dauert dann gefühlt nochmal ewig und drei Tage. Seit „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ hat kein Film länger gebraucht um endlich zum Abspann zu kommen.
 
Der Pressetext nennt „Ticket ins Paradies“ eine „romantische Komödie“. „Romantisch“ lasse ich von mir aus gelten. Immerhin wird im Film geheiratet. Aber sollte in einer „Komödie“ nicht ab und zu etwas Witziges zu sehen sein? Nichts in diesem Film lässt einen lachen, schmunzeln oder lächeln. Hauptsächlich wohl, weil wir fast alle Gags dieses Films so oder so ähnlich schon mal in sehr viel besseren und sehr viel älteren Filmen gesehen haben. Wie alt die Filme sind, bei denen Parker geklaut, … ich meine, wie alt Parkers Vorbilder für diesen Film sind, sieht man auch an seinen inszenatorischen Tricks. Split-Screen und Parallelmontagen lassen erkennen, hier hat jemand viele Filme aus den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts gesehen.
 
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Maybe it’s my mistake ...
 
Ich möchte etwas Neues ausprobieren. Ich möchte unsere geneigten Leser*innen bitten, die Kommentarfunktion unter diesem Text zu nutzen und reinzuschreiben, wann sie das letzte Mal Geld dafür ausgegeben haben, um jeweils Julia Roberts oder George Clooney im Kino zu sehen. Ich meine jetzt nicht, wann sie beim Rumzappen mal bei „Ocean’s irgendwas“ hängen geblieben sind oder sich auf dem Streaming-Dienst ihrer Wahl aus Langeweile „Wunder“ oder „Hail, Caesar!““ angesehen haben. Ich will auch nicht lesen, dass unsere Leser*innen erst neulich die alte DVD von „Pretty Woman“ oder „From Dusk Till Dawn“ eingelegt haben. Nein, ich möchte wissen, wann Ihr das letzte Mal an der Kinokasse gestanden und gutes Geld für Tickets für einen Film mit einem der beiden Stars von „Ticket ins Paradies“ hingelegt habt. Ich wette, in beiden Fällen ist es schon eine ganze Weile her.
 
Julia Roberts hat vor dreihundert Jahren mit ihrer Darstellung einer Fantasy-Prostituierten in einer Fantasy-Version von Los Angeles einen Nerv getroffen. Während der gesamten Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts hat sie in so vielen Filmen so breit und ausgiebig gegrinst, dass sie zur Jahrtausendwende zwanzig Millionen Dollar pro Film und den unverdientesten Oscar der Filmgeschichte bekommen hat (in dem Jahr waren u.a. Laura Linney, Ellen Burstyn und Joan Allen nominiert).
 
Irgendwann haben Studiobosse und das Publikum eingesehen, dass Grinsen und langes rotes Haar alleine keinen Film aufwerten. Trotzdem belästigt uns die kleine Schwester von Eric Roberts immer noch alle ein bis zwei Jahre mit Darstellungen in Filmen wie „Valentinstag“ oder schlimmer noch „Eat Pray Love“ und nun eben „Ticket ins Paradies“. Wenn wir Frau Roberts alle weiter ignorieren, hört sie vielleicht irgendwann damit auf.
 
George Clooney ist ein ganz anderer Fall. Der Mann hat über zehn Jahre unergiebige Nebenrollen gespielt, bevor er mit „Emergency Room“ bekannt wurde. Schnell konnte er sich mit so unterschiedlichen Filmen wie „From Dusk Till Dawn“, „Out of Sight“ oder „Solaris“ als verlässlicher Darsteller etablieren. Sein spezieller Charme, der an Legenden wie Cary Grant erinnert, ließ ihn schnell zu einem der größten Stars Hollywoods werden. So ganz nebenbei wurde Clooney noch ein kompetenter Regisseur und sollte dabei doch gelernt haben, wie man Drehbücher liest. Seine Mitwirkung bei „Ticket ins Paradies“ ist daher schwer nachvollziehbar. Andererseits verdient der Mann in letzter Zeit sein Geld vor allem mit überteuertem Kaffee in Alukapseln. Man darf also von einer beträchtlichen Gage für Clooney ausgehen.
 
Viel bietet Clooney nicht für sein Geld. Ja, er sieht immer noch gut aus. Ja, er hat immer noch Charme. Aber seine Leistung wirkt, als würde er sich vage an seine alten Filme wie „Ein (un)möglicher Härtefall“ erinnern und das Erinnerte nochmal halbherzig vorführen. Man nimmt ihm die Abneigung gegen seine Exfrau ebenso wenig ab wie die Liebe zu seiner Tochter. Man glaubt ihm nicht, dass er ein Problem mit der Hochzeit hat. Und am Ende wirkt es nicht wirklich so, als wäre er gern mit der Frau zusammen, deren Hand er hält. Clooney markiert bloß. Das reicht vielleicht um Kaffee zu verkaufen, aber nicht für einen ganzen Film.
 
Der Rest der Besetzung ist ebenso uninteressant wie der ganze Film. Eine junge Dame namens Kaitlyn Dever tut wenig überzeugend so, als wäre sie verliebt und die Tochter der Hauptfiguren. Ein attraktiver Franzose namens Lucas Bravo spielt einen attraktiven Franzosen und scheitert daran. Ein junger Mann indonesischer Abstammung namens Maxime Bouttier spielt einen jungen Mann indonesischer Abstammung, was ihm sichtlich schwer fällt. Aber warum sollen wir uns für diese Nebenfiguren interessieren, wenn das die Drehbuchautoren schon nicht getan haben?
 
Fazit
 
Nur die Besetzung von zwei Stars alleine hat noch nie für einen guten Film gereicht. Es braucht ein gutes Drehbuch, eine inspirierte Regie und noch viel mehr. Wenn die beiden Stars ihre beste Zeit hinter sich haben und sich keine Mühe mehr geben, ist alles zu spät.
 
 
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