Das alles und noch viel mehr ist nicht schön anzusehen. Und einiges ist sogar furchtbar anzusehen. Trotzdem bekommt man vieles davon in Nahaufnahme zu sehen. Ich glaube, ich hatte im Kino nicht mehr so oft die Hand vor Augen, seit ich mit dreizehn Jahren allein „Aliens“ gesehen habe. Aber man muss zugeben, im Gegensatz zu „King Richard“ bietet „Jackass Forever“ definitiv Schauwerte. Dazu gehört auch eine von Spike Jonze gestaltete Sequenz mit einem „kaiju“ der ganz besonderen Art (Spoiler: es ist ein Penis).
We have our winners …
„King Richard“ war ein menschenverachtender Egotrip. „Jackass Forever“ sprüht vor Lebensfreude und Teamgeist. Man hat das Gefühl, die Protagonisten, sowohl die alten Hasen als auch die neuen Teammitglieder, könnten tatsächlich Freunde sein. Immer wenn Blut fließt oder ein Kaskadeur nicht sofort aufsteht (Spoiler: beides passiert mehr als einmal), sieht man andere Darsteller besorgt zur Hilfe eilen. Die Mitglieder dieser merkwürdigen Truppe tun sich selbst und einander einiges an. Aber nie wirkt das brutale Spiel boshaft.
Tatsächlich wirkt das Treiben auf der Leinwand direkt kindlich. Oder sagen wir besser, es wirkt präpubertär. Wie unbeaufsichtigte Zwölfjährige, die aus Übermut vom Dach springen oder die Küche abfackeln, feuern die Teammitglieder einander ständig gegenseitig an und stacheln einander auf. Und wie Präpubertierende, die körperliche Nähe suchen, aber noch keinen Zugang zum anderen Geschlecht haben, umarmen einander diese teilweise gar nicht mehr so jungen Männer immer wieder ebenso unschuldig wie innig. Es ist eine wahre Freude so viel Herzlichkeit im Kino zu sehen.
„King Richard“ war einer der frauenfeindlichsten Filme der letzten Jahre. So unreif die Protagonisten von „Jackass Forever“ auch wirken, so wissen sie doch, was sich gehört. Einer der Neuzugänge im Team ist Rachel Wolfson. Als der jungen Frau ein Skorpion von ihrem Hals zur Brust wandert und sie deshalb schreit, bietet einer ihrer Teamkameraden an, den Skorpion zu entfernen, fragt aber schnell noch ausdrücklich nach ihrer Zustimmung, sie zu berühren. Damit war der Drehort dieses Films wohl ein frauenfreundlicherer Arbeitsplatz als viele andere.
… and we have Steve-O
„King Richard“ war eine One-Man-Show für einen eitlen Star. Johnny Knoxville, unbestreitbar der mit Abstand größte Star des Ensembles, ist nicht öfter im Bild zu sehen als seine Kollegen. Und der mittlerweile über Fünfzigjährige schont sich auch nicht. Die Wiederholung eines Stunts aus der alten Fernsehserie geht gar nicht gut aus. Knochen werden mit dem Alter leider nicht elastischer. Das hätte ich Herrn Knoxville vorher sagen können (bei Interesse reiche ich gerne Auszüge meiner Krankengeschichte nach).
Auch die anderen Altstars wie Steve-O, Chris Pontius, Dave England, Ehren McGhehey oder „Wee Man“ schenken sich nichts. Die Männer sind alle in ihren sehr späten Vierzigern und vermitteln trotzdem eine spitzbübische Freude an der Zerstörung, selbst wenn es die Zerstörung des eigenen Körpers ist.
Und ein letztes Mal ziehen wir den unzulässigen Vergleich zu „King Richards“ (je mehr ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir, dass wir wohl das mieseste Kinojahr aller Zeiten hinter uns haben, wenn dieser Film für sechs Oscars nominiert wurde). Wo in „King Richards“ die junge Generation herablassend behandelt und vom Star an den Rand gedrängt wurde, wird in „Jackass Forever“ die nächste Generation vorgestellt und darf sich schon mal austoben.
Zach Holmes hat vielleicht nicht die Figur eines Athleten. Aber der junge Mann mit der sympathischen Ausstrahlung ist sich bereits in seinem ersten Kinofilm offensichtlich für nichts zu schade. Sean „Poopies“ McInerney zeigt echte Leidensfähigkeit. Und Rachel Wolfson ist mit ihrem natürlichen Sinn für Humor eine Bereicherung der Truppe. Einige Gaststars wie Tony Hawk, Eric Andre und Machine Gun Kelly sind auch für ein paar witzige Auftritte gut.