Die getrennten Eltern von Ranjis Freundin kommen rechtzeitig zum Ende des Films wieder zusammen weil es sonst kein Happy-End gäbe, nicht etwa weil es Sinn ergeben würde. Ranjis Vater sieht plötzlich alles ein. Ranjis Traum erfüllt sich genauso wie er es haben wollte, aber was das für die weitere Zukunft bedeutet, wird nicht bedacht. Der Opa in Indien war zwar schon die ganze Zeit alt und krank, das ist aber plötzlich kein Thema mehr. Und ganz allgemein lassen wir alles Unangenehme einfach unter den Tisch fallen, obwohl der kleinkriminelle Mitschüler sicher weiter die gleiche Schule besucht und der rassistische Hausmeister ja wohl auch weder umziehen noch plötzlich Verständnis für fremde Kulturen entwickeln wird.
Auch die Regie von Lars Montag erinnert leider an „Tatort“. In einem Film, der die Fantasie feiert, fallen gerade die wichtigen Musiksequenzen ein bisschen zu bieder, zu langweilig aus. Bollywood-Musiknummern sind bunt, wild, ausgelassen, schräg und immer übertrieben. Montag bringt nur wenig davon auf die Leinwand. Die „realen“ Szenen weisen leider ein paar Klischees zu viel auf für einen Film, der Verständnis und offenen Umgang zwischen den Kulturen vermitteln will.
Einige Regieentscheidungen Montags sind schwer nachvollziehbar. Warum kommt die indische Familie zum Beispiel auf einem „Flughafen“ an, der offensichtlich die Außenseite des Berliner Olympiastadions ist. Sicher, das Olympiastadion ist wunderschön. Aber zum einen ist es historisch nicht ganz unbelastet und zum anderen nun mal eben ein Stadion und kein Flugplatz. Wenn Berlin etwas hat, dann doch wohl Flugplätze. Und spätestens wenn die Kinder im Film eine entsprechende Bemerkung machen, muss auffallen, wie wenig Menschen im Mumbai dieses Films zu sehen sind. Und warum darf ausgerechnet Roberto Blanco zur Integration ermahnen?
Die indischen Männer, die können tanzen
Aber das sind alles Punkte, die vor allem erwachsene Filmfans verwirren werden. Kinder werden gut unterhalten und können sich mit den beiden Hauptdarstellern vermutlich gut identifizieren. Der junge Shan Robitzky tanzt und singt sich sympathisch durch seine erste Filmrolle. Und Annlis Krischke zeigt Ecken und Kanten als seine Freundin Toni.
Murali Perumal hat am Reinhardt-Seminar Schauspiel studiert und in unzähligen Theater-, Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Mit einem besseren Drehbuch und unter besserer Regie hätte er wohl noch mehr aus der Rolle von Ranjis Vater gemacht. So vermittelt er uns vor allem den Willen zu wirtschaftlichem Aufstieg und Integration. Das lässt seine plötzliche Einsicht gegen Ende des Films leider etwas aufgesetzt wirken.
Sushila Sara Mais („Safari“) und Anne Ratte-Polles („Es gilt das gesprochene Wort“) Rollen als Mütter sind bloße Klischees. Die beiden begabten Darstellerinnen machen das Beste daraus. Den vielseitigen, erfahrenen Schauspieler Simon Schwarz kennen die meisten leider nur aus den viel zu vielen Rita-Falk-Verfilmungen wie „Butterbreznwalzer“ oder „Leberknödeltragödie“. Auch er schlägt sich wacker, aber weit unter seinen Möglichkeiten.
Der großartige Irshad Panjatan war jahrzehntelang der berühmteste Pantomime Indiens, bevor er vor mehr als zwanzig Jahren in „Der Schuh des Manitu“ den Häuptling „Listiger Lurch“ spielte. Seine Darstellung von Ranjis Großvater bildet das emotionale Zentrum dieses Films. In seinen wenigen Szenen spielt der mittlerweile über Neunzigjährige mit einer gelassen Weisheit den Rest der Besetzung an die Wand.