Vier Jahre nach ihrem letzten Realfilmauftritt im Ehedrama „By the Sea“ das sie selbst verfasste und inszenierte, kehrt Angelina Jolie leibhaftig auf die großen Leinwand zurück – und spielt zum zweiten Mal die mächtige, aus dem Disney-Klassiker „Dornröschen“ bekannte Fee Maleficent (oder Malefiz, wie sie in der deutschen Fassung des Trickstreifens heißt).
Alte Wut kocht hoch
Welche Geschichte könnte hinter einem Bösewicht stehen? Hat nicht auch ein zerstörerischer Geist einen guten Kern? Und wenn ja, warum ist er verschwunden? Fragen wie diese spielen im Fantasy-Blockbuster „Maleficent: Die dunkle Fee“ eine zentrale Rolle. Disneys 1959 uraufgeführte Dornröschen-Erzählung, die auf dem Märchen von Charles Perrault basiert, wird hier aus der Perspektive der vermeintlich abgrundtief niederträchtigen Gegenspielerin neu aufgerollt und an manchen Stellen interessant abgewandelt.
Regisseur Robert Stromberg und Drehbuchautorin Linda Woolverton zeigen die Titelfigur als ein ursprünglich sanftmütiges Wesen, das erst durch den schrecklichen Verrat und eine üble Tat eines geliebten Menschen den Glauben an das Gute in der Welt verliert. Ihr Zorn treibt Maleficent dazu, die unschuldige Königstochter Aurora (Elle Fanning) mit einem grausamen Fluch zu belegen, den die Fee am Ende allerdings selbst bricht, da ihr das Mädchen ans Herz gewachsen ist.
Der Frieden, der seitdem besteht, bekommt erste Risse, als Prinz Phillip (Harris Dickinson ersetzt den im ersten Teil auftauchenden Brenton Thwaites) um Auroras Hand anhält und ein überzeugtes „Ja“ als Antwort bekommt. Auch deshalb, weil die junge Frau durch die Heirat die Chance sieht, das verwunschene Land der Moore und das angrenzende Königreich Ulstead in Eintracht zu vereinen. Ihre Patentante Maleficent hingegen versetzt die Nachricht von der baldigen Hochzeit in große Unruhe und lässt alte Wut und Zweifel wieder hochkochen. Nur widerwillig folgt sie einer Einladung zu einem Abendessen im Schloss von Phillips Eltern Ingrith (Michelle Pfeiffer) und John (Robert Lindsay), das – beinahe erwartbar – verheerend endet. Treibende Kraft des Fiaskos ist die skrupellose Mutter des Prinzen, die für immer einen Keil zwischen Menschen und Feen treiben will.
Prächtige Bilder und dürftige Handlung
Nach Robert Strombergs visuell berauschender Märchenauffrischung gelingt es auch seinem Regienachfolger Joachim Rønning („Pirates of the Caribbean: Salazars Rache“), das Publikum mit imposanten Landschaftsbildern, skurrilen Kostümen, einer aufregenden Ausstattung und wuchtigen Effekten zu überwältigen. Wer opulentes Fantasy-Kino liebt, kann sich hier gewiss nicht beklagen. Wahrlich atemberaubend ist bereits ein schwindelerregender Kamerasturzflug gleich in den ersten Minuten, der den Zuschauer mitreißt und Lust auf weitere luftige Kabinettstückchen macht. „Maleficent: Mächte der Finsternis“ bietet einiges fürs Auge, hat mit einer schummrigen Höhle einen geheimnisvollen neuen Schauplatz in petto und legt, verglichen mit dem Vorgänger, in puncto Düsternis sogar noch eine Schippe drauf. Ab und an wirkt die Finsternis, die sich über das Geschehen legt, aber auch ein bisschen zu forciert.
Viel ärgerlicher als dieser Eindruck ist allerdings, dass die Macher diverse Handlungselemente des ersten Films recyceln und mit einigen anderen Ideen zu einem emotional nie wirklich packenden Sammelsurium vermischen. Maleficents überwunden geglaubter Groll bricht fast schon unglaubwürdig heftig hervor, als sie erfährt, dass Aurora heiraten will. Die Liebe zwischen der Prinzessin und ihrem Phillip fühlt sich keineswegs so innig an wie behauptet, da die beiden Figuren zu wenig Entfaltungsraum bekommen. Vor allem in der zweiten Hälfte hört man die Drehbuchseiten laut rascheln, etwa wenn wichtige Erkenntnisse auf billige Weise gewonnen werden oder sich Zufälle summieren, damit Ingriths teuflischer Plan funktionieren kann.
Die Antagonistin, die von Beginn an deutlich als solche inszeniert wird, gewinnt dank Michelle Pfeiffers diabolischer Darbietung durchaus an Format, ist in ihrem Machtstreben unter dem Strich aber nicht viel mehr als eine Kopie von König Stefan aus Teil eins. Wie wenig sich „Maleficent: Mächte der Finsternis“ um eine stimmige, das Innenleben der Protagonisten ernsthaft ergründende Geschichte bemüht, beweist der Showdown, der das Spektakel über alles andere stellt. Spätestens hier zweifelt man daran, ob es wirklich so klug war, den inhaltlich abgeschlossen wirkenden Ursprungsfilm um ein zweites Kapitel zu ergänzen.
Fazit
Optisch hui, drehbuchtechnisch höchst bescheiden: Rønnings Sequel kann dem ersten Maleficent-Film insgesamt nicht das Wasser reichen.