***Mama gegen Papa***

mgp kritik
 
Autorin: Angelika Wessbecher
 
Eigentlich ist bei Florence (Marina Foїs) und Vincent Leroy (Laurent Lafitte) alles zum Besten bestellt. Sie führen augenscheinlich eine gute Ehe, haben tolle Jobs und drei wohlgeratene wie Orgelpfeifen aufgereihte Kinder. Ihr Zuhause ist ein lichtdurchfluteter Bau in idyllischer Landschaft. Warum ausgerechnet dieses Vorzeigepaar die Scheidung will, ist für niemand so recht nachvollziehbar.
 
Zu Beginn des Verfahrens überbieten sich die Beiden dann auch noch an Nettigkeit. Allerdings wissen sie nicht, wie sie es den Sprösslingen Mathias, Emma und Julien (Alexandre Desrousseaux, Anna Lemarchand und Achille Potier) beibringen sollen und verfallen auf eine seltsame Idee: Die Kinder sollen die Wahl treffen, wer das Sorgerecht bekommen solle. Diese fallen aus allen Wolken und obwohl sie ihre Eltern bis dahin eher als uninteressant und peinlich empfunden haben, sprechen sie sich vehement gegen eine Scheidung aus.
 
„Mama gegen Papa“ ist das Regiedebüt des 35-jährigen Martin Bourboulon nach einem Drehbuch von Alexandre De La Patelliere und Matthieu Delaporte (Produktion: Dimitri Rassam und Alexandre De La Patelliere). Anregungen zu einzelnen Szenen bekamen die beiden Autoren zum Teil aus der eigenen Familie. Die Idee zu dem Plot, der nach anfänglichen Harmlosigkeiten ziemlich ausarten soll, stammt von Guillaume Cliquot. Das langjährig erprobte Autorenteam und der Regisseur ließen den Schauspielern, die von Anfang an in das Projekt einbezogen waren, viel Raum zum Improvisieren und diese Spielfreunde ist dem Film auch anzumerken. Daher verwundert es nicht, dass der Streifen in Frankreich bereits über drei Millionen Zuschauer in die Kinos zog.

 
Die Darstellung der gutbürgerlichen Oberfläche nimmt anfangs einen breiten Raum ein und die Handlung lässt sich zunächst ein wenig zäh an. Vincent ist (schön überzeichnet) ein warmherziger Frauenarzt und liebevoller Vater. Florence, von Beruf Geologin, begegnet auch noch den frauenfeindlichsten Sprüchen ihres Chefs mit artiger Höflichkeit. Florence und Vincent sind offensichtlich gut erzogene Menschen, die sich auch von ihren muffigen Kindern und einem aufreibenden Berufsleben nicht so leicht aus der Fassung bringen lassen.
 
Dennoch wird klar herausgearbeitet, wie enorm das Spannungsfeld zwischen einem fordernden Berufsleben und drei anspruchsvollen Gören ist. Dass die eheliche Leidenschaft dabei auf der Strecke bleibt, ist schon irgendwie nachvollziehbar.
 
Auch als die beiden Scheidungsaspiranten jeweils zwei verlockende berufliche Angebote bekommen, ändert sich immer noch nichts an dem höflichen Umgangston zwischen ihnen. Bis Florence Vincent beim Knutschen mit einer erheblich jüngeren Krankenschwester erwischt. Nun fallen die Masken der Zivilisation und ein erbitterter Kampf der beiden entbrennt, nicht um die Kinder, nein. Es geht vielmehr darum, die Kinder an den jeweiligen anderen loszuwerden, um das das attraktive Berufsangebot wahrzunehmen. Wie schon im „Rosenkrieg“ von 1989 wird der Hass zweier ehemals Liebender regelrecht zelebriert.
 
Florence und Vincent ist jedes Mittel recht, um die Kinder zu vergraulen und dem Kontrahenten zuzuspielen. Das ist bitterböse und an der Grenze des guten Geschmacks, etwa eine Szene, in der Vincent seine 13-jährige Tochter in eine Tabledancebar mitnimmt oder als Florence versucht, den minderjährigen Freund ihres Sohnes zu verführen.
 
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Da wird dem Kinobesucher schon Einiges an politischer Unkorrektheit zugemutet. Der Plot von „Mama gegen Papa“ rührt an ein Tabu, nämlich das der bedingungslosen Liebe der Eltern zu ihren Kindern. Ja nicht nur das. Es wird in Frage gestellt, ob Eltern immer und für alle Zeiten das Wohl ihrer Kinder im Auge haben. Die Komödie scheint einen Trend zu treffen, der im Frühjahr dieses Jahres in der Studie „Regretted Parenthood“ festgestellt wurde, in der Mütter offen berichten, ihre Mutterschaft zu bereuen. Auf der anderen Seite ist das Motiv vom Kampf der Generationen auch zeitlos. Schon die zum Teil sehr grausamen griechischen Sagen berichten von Paaren, die sich bis aufs Messer bekriegen und Eltern, die sich an ihren Sprösslingen rächen.
 
Plätscherte die Handlung von „Mama gegen Papa“ zu Beginn etwas unverfänglich dahin, so nimmt sie unversehens einen ziemlich turbulenten Verlauf. Mobiliar geht zu Bruch, der Ausnahmezustand bricht aus. Es herrscht Krieg. Vater gegen Mutter und umgekehrt, Eltern gegen Kinder. Sogar der Familienhamster läuft aus dem Ruder. Die vorher miteinander rivalisierenden Kinder werden zusammengeschweißt. Der Zuschauer wird in die Lust am Chaos hinein gesogen. Der Aberwitz regiert und schafft viele Gelegenheiten für absurde Komik. Am Ende liegt alles in Scherben und es entsteht Raum für eine ganz unerwartete Wendung.
 
Die Handlung wurde in der französischen Provinz an idyllischen Schauplätzen der Normandie gedreht (Kamera: Laurent Dailland). Eine sanfte Küstenlandschaft bietet den beschaulichen Rahmen für die brodelnde Familiendynamik der Leroys. Die beiden Darsteller der Eltern verfügen bereits über eine langjährige gemeinsame Spielerfahrung, die ihnen als Ehepaar eine besondere Glaubwürdigkeit verleiht.
 
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Als Familienmutter brilliert Marina Foїs (geb. 1970), die für ihre schauspielerischen Leistungen bereits zwei César-Nominierungen erhielt (2007 für „Darling“ und 2011 für „Poliezei“). Marina Foїs kann eine langjährige Bühnenerfahrung aufweisen und hat in Frankreich eine eigene „Comedy-Show“. Sie verkörpert glaubwürdig den Zwiespalt zwischen aufopfernd mütterlicher Fürsorge und furioser Selbstbehauptung.
 
Laurent Lafitte (geb. 1973) als Vaters wirft sich mit Charme und Sarkasmus in die Rolle des charismatischen Frauenarztes, der auf der einen Seite neuem Leben ans Licht verhilft, um auf dem Höhepunkt der Handlung dem eigenen Nachwuchs an den Kragen zu gehen. Wie Marina Foїs ist er in Frankreich als erfolgreicher Bühnenschauspieler bekannt. Laurent Lafitte war u.a. neben Catherine Deneuve 1999 in „Meine schöne Schwiegermutter“ und 2013 in „Der Schaum der Tage“ mit Audrey Tatou zu sehen.
 
Das Casting der Kinderdarsteller erwies sich als langwierig, bis die geeigneten Schauspieler der drei Geschwister gefunden waren. Alexandre Desrousseaux spielt den abgeklärten 16-jährigen Mathias, Anna Lemarchand die zickige 13-jährige Emma und Achille Poitier das Küken und Schachgenie Julien. Die drei agieren aufeinander eingeschworen wie reale Geschwister Besonders amüsant sind ihre stoischen Minen auch noch angesichts der größten Turbulenzen.
 
Nach dem großen Erfolg in Frankreich ist eine Fortsetzung der Geschichte „Mama gegen Papa“ schon beschlossene Sache. Mal sehen, ob sich das Chaos noch toppen lässt , wenn dann mit den Enkeln den Generationenkonflikt der Altvorderen auflebt.