***Kritik: Gespensterjäger***

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Autorin: Angelika Wessbecher
 
Der kleine Tom Tomsky (Milo Parker) hat es wirklich nicht leicht. Dünn besaitet und von großen Ängsten geplagt, wird er deswegen unentwegt von seiner großen Schwester gehänselt und als „Psycho“ verspottet. Als er dann im Keller auch noch auf ein grünes schleimiges Gespenst trifft, ist sein Schrecken unermesslich.
 
Dass Hugo (gesprochen von Bastian Pastewka) nur ein MUG ist, also ein mittelunheimliches Gespenst, konnte Tom bei der ersten Begegnung ja noch nicht ahnen. Denn die wahre Bedrohung geht von einem Dämon ganz anderer Größenordnung aus, einem UEG, einem Urzeitlichen Eisgespenst, wie es in der Eingangsszene des Films aus einer alten Chronik prophezeit wird.
 
„Gespensterjäger“ ist die amüsante und actionreiche Verfilmung eines gleichnamigen Bestsellers der bekannten Kinderbuchautorin Cornelia Funke. Die deutsch-österreichisch-irische für den internationalen Markt konzipierte Produktion (Lucky Bird Pictures u.a.) verknüpft zwei ungleiche Protagonisten und ein etwas vertrotteltes Gespenst auf der Suche nach Freundschaft, Erfüllung und Glück. Regie führte Tobi Baumann, der mit der „Harald Schmidt Show“ und „Ladykracher“ sein Debüt hatte.
 
 
An der Seite von Tom agiert Anke Engelke als verbitterte Gespensterjägerin Hedwig Kümmelsaft, die gerade auf Grund einer Intrige ihres Kollegen Gregor Schmidt (Christian Tramitz) vom CGI, dem Zentralen Gespensterjägerinstitut, gefeuert wurde. Die Rolle ist der deutschen Star-Komödiantin wie auf den Leib geschneidert. Fast noch mehr als Gespenster hasst Hedwig Kinder, was den kleinen Tom jedoch nicht davon abhält, ihren Schutz zu suchen. So finden sich nach dem „Best Buddy-Prinzip“ zwei Einzelgänger zusammen, die nach anfänglichen Berührungsängsten das kleine Schleimgespenst unter ihre Fittiche nehmen.
 
„Gespensterjäger“ ist so konzipiert, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen. Der Film zeigt neben viel Situationskomik realistische Einblicke in das Leben einer Durchschnittsfamilie mit ihren Interessenskonflikten und Missverständnissen. Auf der anderen Seite wird ein gnadenloses Berufsleben mit der gestressten Leiterin des Zentralen Gespensterjägerinstituts (Karoline Herfurth) veranschaulicht.
 
Hedwig Kümmelsaft lebt in einer abgewrackten Gegend, wo buntbemalte Damen ihre Dienste feilbieten, in die man kleine Kinder lieber nicht schicken würde. Obwohl Tom und die Erwachsenen scheinbar in verschiedenen Welten leben, zählt am Ende nur die Kraft der Liebe und der Mut über sich selbst hinaus zu wachsen, eine Botschaft, die sicher gleichermaßen die Wellenlänge von jüngeren wie älteren Kinobesuchern treffen wird.
 
Das Drehbuch zu „Gespensterjäger“ entstammt einem Autorenteam mit Tobi Baumann, Murmel Clausen, Martin Ritzenhoff, Christian Tramitz, Roland Slawik und Mike O’Leary. Cornelia Funke hatte den Drehbuchautoren weitgehend freie Hand zur Umsetzung ihrer Vorlage gelassen. So wurde aus dem kleinen mit Bettlaken umhüllten Gespenst ihres Buchs ein zeitgemäßes animiertes grünes pralles Schleimgespenst und die Zentrale Gespensterjägerzentrale mit ihrem teils katakombenhaften, teils futuristischem Ambiente, die in den Bavaria Filmstudios gefilmt wurde, spielt auf Geheimorganisationen wie den CIA und NSA an.
 
01 ©2015 Warner Bros Pictures02 ©2015 Warner Bros Pictures03 ©2015 Warner Bros Pictures06 ©2015 Warner Bros Pictures
 
Zwar knüpft der Plot vom kleinen harmlosen Gespenst, das Freundschaft mit einem kleinen Jungen schließt, an den Erfolg des amerikanischen Films „Casper“ von 1995 an. Anklänge an „Meninblack“ von 1997 sind in der verborgenen Organisation des CGI zu finden. Dennoch ist „Gespensterjäger“ ein eigenständiger und gegenwartsbezogener Film. Mit der Figur des Eisgespensts wird auf Weltuntergangsszenarien durch den Klimawandel angespielt. Auch ein Verweis auf die Irrationalität und soziale Kälte einer aus dem Ruder gelaufenen zeitgenössischen Gesellschaftsordnung mag darin enthalten sein.
 
Für die Rolle des Tom fand der Regisseur in dem 11-jährigen Briten Milo Parker die ideale Besetzung. Tobi Baumann hatte bereits Hunderte von Jungen gecastet, als er sich nach einer Szene auf der Eisscholle, die der junge Schauspieler im Hotelzimmer überzeugend improvisierte, für ihn entschied. Milo zeigt sehr glaubwürdig den unverstellten Blick eines Kindes auf eine stellenweise bedrohliche und absurde Umwelt. „Gespensterjäger“ ist nach „Robot Overlords“ von 2013 der zweite Kinofilm von Milo Parker. Außerdem war er unlängst auf der Berlinale in „Mr. Holmes“ von John Condon zu sehen.
 
Anke Engelke (bekannt durch ihre Comedy-Serie „Ladykracher“ und ihre Hauptrolle in „Frau Müller muss weg“, 2015), spielt mit Hedwig Kümmelsaft eine Charakterrolle, die mehr als nur komödiantische Facetten zeigt. Im Grunde genommen ist sie eine tragische Figur, die es sich mit ihrem Sarkasmus und ihrer Kompromisslosigkeit mit allen verscherzt hat. Umso berührender ist die Szene, als sie dem Urzeitlichen Eisgespenst entgegen tritt, um ihren kleinen Freund zu retten.
 
Bastian Pastewka stand vor der Herausforderung, die Rolle des Gespenstes Hugo unabhängig von der Spielhandlung einzusprechen und ihm Konturen zu verleihen. Trotz seiner Frechheit ist Hugo auch eine einsame Gestalt, vom Urzeitlichen Eisgespenst bedroht, das sich in seiner Villa eingenistet hat. Obwohl er ein virtuelles Gespenst ist, verlieh ihm der Designer Miguel Fuertes eine sehr physische Gestalt. Der kleine Kobold prallt gegen Wände, bebt, schleimt und hüpft sich in die Herzen der Zuschauer.
 
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Karoline Herfurth (u.a. „Das Parfüm“, 2006 und „Fack Ju Göthe“, 2013) ist in ihrer Rolle der Frau Hoffmann als Leiterin der Zentralen Gespensterjägerzentrale hoffnungslos überfordert. Hinter der rigiden Fassade der Hardlinerin blitzt ein verängstigtes kleines Mädchen hervor, das, köstlich zu beobachten, sich mit Mami beratschlagt, wenn es brenzlig wird.
 
Christian Ulmen (u.a. zu sehen in „Männerherzen“, 2008) als Til Tomsky steuert sein Familienschiff mit stoischer Gelassenheit. Die Eskapaden seiner Kinder entgehen ihm weitgehend. Der sympathische Zottelbär zeigt grenzenloses Verständnis für seine pubertierende Tochter und seinen seltsamen Sohn, in dem er sich scheinbar wieder zu erkennen glaubt und der längst seine eigenen Wege geht.
 
An seiner Seite agiert Julia Koschitz (u.a. „Wir sind die Neuen“, 2014) als ebenso fürsorgliche wie geistesabwesende Familienmutter Patrizia Tomsky. Ruby O’Fee verkörpert als Lola Tomsky einen unausstehlichen Teenager mit der notwendigen Überzeichnung. Christian Tramitz, der auch als Co-Autor für die Regie zeichnet, spielt Gregor Schmidt, den ebenso ehrgeizigen wie unfähigen Widersacher von Hedwig Kümmelsaft.
 
„Gespensterjäger“ mit seinen romantischen Spielplätzen und kurzweiligen Actionszenen ist ein spannender Film für die ganze Familie mit nicht mehr ganz so kleinen Kindern, die sich nach Herzenslust gruseln und amüsieren möchten. Es bleibt zu wünschen, das ihm, wie von den Filmemachern angestrebt, auch über den deutschsprachigen Raum hinaus Anerkennung zu Teil wird.