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Kritik: Sleeping Dogs

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Autor: Christopher Diekhaus
 
Russell Crowe als unter Alzheimer leidender Ex-Cop auf den Spuren eines alten Falles könnte spannend sein – ist es aber nicht, trotz einer engagierten Performance des nach wie vor mit Leinwandpräsenz gesegneten Oscar-Preisträgers.
 
Ermitteln gegen das Vergessen
 
Regelmäßig tauchen sie in Krimis oder Thriller-Werken auf, Figuren mit Alzheimerleiden oder anderen Gedächtnisproblemen. Nur wenige Filme nehmen jedoch die Beschwerden ernst, wollen wirklich ein Gefühl für die Orientierungslosigkeit der Betroffenen vermitteln.
 
Christopher Nolans Durchbruchsarbeit „Memento“ (2000) ist eines der seltenen Beispiele, die nicht bloß auf Schocks und Nervenkitzel aus sind, sondern den Zuschauer konkret in die chaotische Wahrnehmung des Erkrankten entführen, der in diesem Fall nach einem brutalen Überfall nur noch für kurze Zeit Erinnerungen speichern kann. Ganz anders verhält es sich in „Sleeping Dogs – Manche Lügen sterben nie“, einer Leinwandadaption des Romans „Das Buch der Spiegel“ von E. O. Chirovici, die die Verfassung ihres Protagonisten in erster Linie benutzt, um einen großen Schlusstwist zu landen.
 
Das Regiedebüt des bislang „bloß“ als Drehbuchautor in Erscheinung getretenen Adam Cooper („Assassin’s Creed“) beginnt mit Szenen, die an „Memento“ denken lassen. Überall in der abgedunkelten Wohnung des Ex-Polizisten Roy Freeman (Russell Crowe), der nach einem Unfall unter Alkoholeinfluss aus dem Dienst ausschied, befinden sich Klebezettel mit Hinweisen, die dem dementen Mann, so gut es eben geht, den Weg durch den Alltag weisen.
 

Sein Name, seine Adresse, seine Krankheit – alles scheint ihm zu entgleiten, weshalb sich schon die Frage stellt, wie er überhaupt allein klarkommen soll. Ohne Unterstützung durch Familie und Freunde müsste er aufgeschmissen sein. Und doch sind Kontakte weit und breit nicht in Sicht. Abgesehen von der Ärztin, die Roy einer experimentellen Behandlung unterzieht. Zwei dicke rote Nähte prangen an seiner Schädeldecke und zeugen von einem massiven Eingriff, der – so die Hoffnung – seine grauen Zellen wieder anregen soll. Mit ganz viel Kopftraining, etwa beim Puzzeln, könnten sich schon bald erste Erfolge zeigen.
 
Praktischerweise wendet sich ausgerechnet jetzt der seiner Hinrichtung entgegenblickende Häftling Isaac Samuel (Pacharo Mzembe) mit einer flehentlichen Bitte an Freeman. Obwohl er vor zehn Jahren in einem brutalen Mordfall vor Roy und dessen Partner Jimmy Remis (Tommy Flanagan) ein Geständnis ablegte, beteuert er nun seine Unschuld und drängt den Ex-Ermittler, die Sache noch einmal zu untersuchen.
 
Ohne lange zu zögern – Warum eigentlich? – kramt der frühere Cop, der die Geschichte nicht mehr präsent hat, alte Akten hervor und ist bald mittendrin in einem Gespinst aus Fragen und Ungereimtheiten. Eine zentrale Rolle spielt die pikante Beziehung zwischen Mordopfer Dr. Joseph Wieder (Marton Csokas), der Psychologiestudentin Laura Baines (eine arg theatralische Femme fatale: Karen Gillan) und ihrem Freund, dem angehenden Schriftsteller Richard Finn (Harry Greenwood). Das legt zumindest ein unveröffentlichtes Manuskript nahe, das Letzterer über die Ménage-à-trois verfasst hat. Aber kann man seinen Ausführungen trauen?
 
Melodrama statt Spannung
 
Wie wichtig für uns und unser Selbstverständnis Erinnerungen sind, merkt man oft erst dann, wenn sie plötzlich ausbleiben. Wenn da, wo Vergangenes abrufbar sein sollte, nur noch ein schwarzes Loch klafft. „Sleeping Dogs – Manche Lügen sterben nie“ umkreist ein reizvolles Thema, das mit weiteren interessanten Aspekten verknüpft wird. Wie trügerisch ist die menschliche Wahrnehmung? Wo beginnt literarische Fiktion? Welche Wirkmacht haben Traumata? Aus diesen Fragen ließe sich ein komplexes Thriller-Drama stricken. Zumal Russell Crowe sein Bestes gibt, um Roy als gebrochenen, verzweifelt um Halt kämpfenden Mann zu zeichnen. Adam Cooper und Ko-Drehbuchautor Bill Collage („Emancipation“) nutzen das Sprungbrett allerdings nicht, sondern machen aus den Nachforschungen der Hauptfigur einen eher schleppenden Noir-Krimi, der mit seinen zuweilen überexpliziten Dialogen fast schon für Belustigung sorgt.
 
01 ©2024 Paramount Pictures04 ©2024 Paramount Pictures06 ©2024 Paramount Pictures02 ©2024 Paramount Pictures
 
Während Freemans von der Alzheimererkrankung geprägte Gegenwart in kalten, ausgebleichten Bilder daherkommt, erstrahlen manche Rückblenden in geradezu wärmstem Licht und rücken das Geschehen in die Nähe einer seifigen Schmonzette. Die melodramatische Künstlichkeit mag mit Blick auf Finns Manuskript ihre Berechtigung haben. Immerhin schauen wir mit unserem Protagonisten auf ein subjektiv geprägtes, womöglich stark ausgeschmücktes Dreiecksverhältnis. Spannung will aber nur bedingt entstehen, wenn man immer wieder glaubt, in einem Rosamunde-Pilcher-Film gelandet zu sein.
 
Was ebenfalls massiv stört: Roys Verfassung ändert sich mitunter drastisch. Gerade so, wie es dem Drehbuch beliebt. Erscheint Freeman anfangs regelrecht hilflos, hat er manchmal kein Problem, von einem Ort zum anderen zu gelangen oder aus Hinweisen sofort richtige Schlüsse zu ziehen. Erstaunlich für einen Mann, der sich mit Klebezetteln daran erinnern muss, wie er heißt, welche Krankheit er mit sich herumschleppt und wo er wohnt. Die experimentelle Behandlung soll natürlich einig Fortschritte erklären. Dennoch bleibt der Eindruck einer inkonsistent geschriebenen Figur, deren Leiden mehr ein Gimmick ist als ein echtes Persönlichkeitsmerkmal.
 
Bestätigung findet dieses Gefühl im Finale, das mit Pauken und Trompeten eine große Enthüllung zelebriert. Dumm nur, dass vorher viel zu viele Indizien in eine Richtung deuten und der Überraschungseffekt dadurch bei zahlreichen Zuschauern verpuffen dürfte. Wie man einen Twist in Verbindung mit einer Alzheimererkrankung angemessen aufzieht, zeigt etwa Florian Zellers bewegendes Drama „The Father“ (2020) mit einem grandiosen Anthony Hopkins in der Hauptrolle. In „Sleeping Dogs - Manche Lügen sterben nie“ verkommt der Zustand des Protagonisten hingegen zu einem Drehbuchkniff, einem Werkzeug in Händen der Macher, die uns am Ende auf Teufel komm raus den Boden unter den Füßen wegziehen wollen.
 
Fazit
 
An Russell Crowe liegt es nicht, dass sein neuer Film weder als Kriminalthriller noch als Charakterstudie überzeugt. Schuld sind ein leichtgewichtiges Drehbuch und eine nicht gerade ambitionierte Inszenierung.
 
 
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