Mit 93 Jahren die erste Hauptrolle im Leben zu spielen, ist schon was. Noch dazu, wenn die eigenen Stunts auch noch übernommen werden. June Squibb ist die rüstige Mimin, die in THELMA – RACHE WAR NIE SÜSSER eine alte Dame spielt, die einem Scam zum Opfer fällt, sich das aber nicht gefallen lässt. Ein vergnüglicher Film, der auch durchaus tiefsinnige Momente hat.
Der Enkel-Trick
Thelma Post ist 93 Jahre alt, lebt alleine zuhause, bekommt immer wieder Besuch von ihrem Enkel Danny und vermisst ihren vor zwei Jahren gestorbenen Mann. Als das Telefon klingelt, sagt der Anrufer, er sei ihr Enkel. Er sei im Gefängnis und sie müsse unbedingt 10.000 Dollar an eine Adresse schicken, damit er aus dem Knast rausgeholt wird. Die alte Dame macht das auch, und merkt dann, dass sie auf den Enkel-Trick hereingefallen ist. Ihre Tochter denkt, dass es Zeit für Thelma wird, in ein Heim zu gehen.
Thelma wiederum hat die Postfachadresse, an die sie das Geld geschickt hat, und sie ist fest entschlossen, es sich zurückzuholen. Also macht sie sich auf den Weg, während ihre Familie panisch nach ihr sucht.
Die Inspiration
Josh Margolin schrieb das Drehbuch, nachdem seine Großmutter Thelma Post im Alter von 93 Jahren mit dem Enkel-Trick reingelegt werden sollte, die Betrüger aber auflaufen ließ. Das imponierte Margolin, der seine Figur nach seiner Großmutter nannte, sogar ihr Appartement für die Dreharbeiten nutzte (die rüstige Dame ist mittlerweile 103 und ist im Nachspann kurz zu sehen) und eine Geschichte entwickelte, die höchst amüsant ist, aber auch Momente hat, die zum Nachdenken anregen. Denn es geht eben auch ums Älterwerden, und um die Probleme und Schwächen, die damit einhergehen. Das zeigt sich auch in Thelmas altem Kumpel, der ihr hilft und von Richard Roundtree in seiner letzten Darstellung zum Besten gegeben wird.
Thelmas verstorbener Ehemann heißt Ted, so wie der Großvater von Josh Margolin. Man kann ein Foto von Ted Post im Film sehen. Der Mann war ein Regisseur, der u.a. mit Clint Eastwood HÄNGT IHN HÖHER und CALLAHAN und zudem den Sci-Fi-Film RÜCKKEHR ZUM PLANET DER AFFEN inszeniert hat.
Die Oscar-Preisträgerin Hauptdarstellerin June Squibb, die für Alexander Paynes NEBRASKA den Oscar erhielt, ist seit den Fünfzigerjahren aktiv, spielte aber erstmals im Jahr 1990 in einem Film mit. Sie war immer auf die Nebenrollen abonniert, der Part der THELMA ist ihre erste Hauptrolle – und was für eine. Die alte Dame spielt mit vollem Einsatz, ist witzig, berührend, energisch. Es ist die reine Freude, ihr zuzusehen, wie sie den Film trägt. Als eine Frau, der ihre Familie kaum noch etwas zutraut, die es sich aber in den Kopf gesetzt hat, ihr Geld zurückzuholen.
Der Scam ist etwas einfach gestrickt, so wie er hier dargestellt wird, wären die Täter wohl schnell der Polizei in die Hände gefallen, aber das ist nur ein kleiner Makel. Weil das Treffen von Thelma mit dem von Malcolm McDowell gespielten Gauner Harvey einfach herrlich ist. Es verläuft auch nicht ganz so, wie man das vielleicht erwarten würde.
Die Interaktion mit Richard Roundtree ist auch wunderbar. Eine herrliche letzte Rolle für den Schauspieler, der in den Siebzigerjahren als SHAFT berühmt wurde. Den alten Herrschaften können Parker Posey und Clark Gregg nicht unbedingt das Wasser reichen, wirklich gut ist jedoch Fred Hechinger, der Junes Enkel Danny spielt und das mit einer Wärme und Liebe macht, die zu Herzen geht.
Fazit
THELMA – RACHE WAR NIE SÜSSER hat mal wieder einen dümmlichen deutschen Untertitel. Um Rache geht es nicht. Action gibt es im weitesten Sinne auch nicht, vielmehr zieht der Film sein komödiantisches Potenzial daraus, dass hier eine Frau in ihren Neunzigern tut, was üblicherweise jüngere Figuren machen. Es ist aber der Umstand, dass sie alt ist, der diesem Film mehr als nur oberflächlich unterhaltsam werden lässt.
Denn es geht auch darum, was es heißt, liebe Menschen und Freunde zu überleben, und wie das Leben schwieriger wird, wenn der Körper nicht mehr so mitspielt, wie es einmal war. Josh Margolin hat eine vielschichtige Komödie abgeliefert, die auf vielen Ebenen unterhält, und zudem nachdenkenswert ist. Vor allem aber ist der Film eine Liebeserklärung an seine und damit an alle Oma(s) dieser Welt.