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Kritik: Nur noch ein einziges Mal

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Die Zeit ist längst reif für einen Film, der einem großen Publikum das schwierige Thema häusliche Gewalt und ihrer Konsequenzen für nachfolgende Generationen vermittelt ...
 
The roots are the most important part of the plant
 
Lily (Blake Lively) ist Mitte Dreißig und kann bei der Beerdigung ihres Vaters keine fünf Dinge nennen, für die sie diesen Mann geliebt hat. Zu stark sind die Erinnerungen daran, wie der mächtige Mann und Familienvater immer wieder ihre Mutter geschlagen hat. Gewalt in Beziehungen und Familien zerstört die Opfer leider weit über die Zeit der tatsächlichen Taten hinaus und wirkt sich immer noch auf weitere Generationen aus. Aber gerade wenn wir gespannt sind, wie dieser Film uns diese furchtbaren Wahrheiten und den Umgang eines Opfers mit den Konsequenzen vermitteln will, beginnen wir uns zu fragen, ob er das überhaupt möchte.
 
Dieser Film spielt nämlich nicht in der Realität. Nun, das trifft auf viele Filme zu. Die Welt in der „Nur noch ein einziges Mal“ spielt, liegt aber nicht einmal in der Nähe der Realität. Die Welt dieses Films dreht sich irgendwo im Tralala-Universum um eine Sonne die immer das richtige Licht auf die überaus attraktiven Bewohner und zauberhaften Drehorte wirft. In der Welt dieses Films kommt es zu den lächerlichsten Zufällen und Entwicklungen die sich die Autorin der Buchvorlage Colleen Hoover und Drehbuchautorin Christy Hall nur aus dem Hintern ziehen konnten.
 
Erst kürzlich haben wir das Zusammentreffen einer attraktiven jungen Frau mit einem Taxifahrer im ebenfalls von Christy Hall geschriebenen „Daddio“ als nicht nur unrealistisch, sondern richtig schräg erfahren. Eine junge Frau, die spätnachts von einem deutlich älteren Taxifahrer auf ihr „little Outfit“ angesprochen wird, reagiert im realen Leben darauf nicht mit „Hihihi, komm alter Mann, lass uns intime Details über unser Leben austauschen“. Nachdem ich nun „Nur noch ein einziges Mal“ ebenfalls nach einem Drehbuch von Christy Hall gesehen habe, mache ich mir ein bisschen Sorgen um die junge Autorin.
 
 
Das „meet cute“ hier läuft folgendermaßen ab: Die lächerlich attraktive Lily sitzt auf dem Dach eines teuren Wohnhauses in dem sie gar nicht wohnt, um die nächtliche Aussicht zu bewundern. Plötzlich öffnet sich die Tür zum Dach und ein lächerlich attraktiver Mann tritt wütend einen Stuhl durch die Gegend. Es entwickelt sich ein Dialog, der so unrealistisch ist, man muss ihn gehört haben, um ihn glauben zu können. Die beiden lächerlich attraktiven Menschen teilen sofort intimste Details, wie man das in dieser Welt eben so tut. Der Mann namens Ryle erzählt schnell eine furchtbare, traumatische Geschichte aus seinem Berufsleben (er ist Neurochirurg): Und schon das zweite, das Lily dem Fremden anvertraut, ist die Tatsache dass sie ihren ersten Geschlechtsverkehr mit einem Obdachlosen hatte.
 
Die Dialogzeilen, die die beiden Hauptfiguren hier austauschen sind schon schlimm. Und natürlich klingen sie lächerlich. Aber sollten die beiden Hauptfiguren sich dieser Lächerlichkeit des Dialogs auf einer Metaebene bewusst sein? Doch wohl eher nicht, oder? Warum zum Geier lachen die beiden dann während der gesamten Szene? Und worüber? Lily lacht wenigstens unsicher und wirkt dadurch extrem unreif, wenn sie Ryle nur wegen seines Berufs laut auslacht. Aber Ryle wirkt wie ein Psychopath, wenn er über alles, aber auch wirklich alles lacht, was ihm Lily erzählt. Hannibal Lecter hat sich Clarice Starling gegenüber während ihres ersten Gesprächs nicht so herablassend gezeigt, wie dieser Ryle gegenüber Lily.
 
Nun was soll ich sagen, einige lächerliche Zufälle später hat Lily ein paarhundert laut piepende und rot blinkende Warnhinweise ignoriert und sich in diesen Ryle verliebt. Und bald hat sie auch schon das erste blaue Auge. Parallel zu dieser Geschichte, die es schafft gleichzeitig an den Haaren herbeigezogen und extrem vorhersehbar zu sein, wird eine Geschichte aus Lilys Jugend erzählt. Und hier begehen die Filmemacher den schlimmsten von einigen Dutzend schweren Fehlern. Diese Geschichte um junge Liebe, zwischen High-School und häuslicher Gewalt wäre nämlich sehr viel interessanter gewesen, als die Banalitäten rund um lächerlich attraktive Menschen in wunderschönen Umgebungen, mit denen uns der Film fast zwei Stunden langweilt. Aber diese viel interessantere Geschichte wird leider nur in wenigen unergiebigen Rückblenden und nicht einmal zu Ende erzählt.
 
01 ©2024 Sony Pictures02 ©2024 Sony Pictures04 ©2024 Sony Pictures06 ©2024 Sony Pictures
 
Die Handlung von „Nur noch ein einziges Mal“ ist wirklich furchtbar. Die Dialoge sind zum größten Teil noch schlimmer. Dabei kann es uns übrigens gleichgültig sein, ob die Schuld bei der Vorlage liegt oder beim Drehbuch. Die Regie von Justin Baldoni ist ein ganz anderes Thema. Baldoni hat zunächst Nebenrollen in Fernsehserien wie „Charmed“, „Hotel Zack & Cody“, „CSI: Las Vegas“ aber auch „CSI: New York“ gespielt. Und ehrlich: genauso sieht er auch aus. Mittlerweile ist er Regisseur („Clouds“). Und sein Regiestil entspricht immer noch weitgehend eben diesen Fernsehproduktionen, an denen er als Schauspieler mitgewirkt hat.
 
Alles sieht auf eine gefällige Art sehr kompetent aus. Baldoni zeigt uns wirklich sehr schöne Bilder von allen möglichen Ecken des malerischen Boston, von Lilys zauberhaftem Laden, von Ryles atemberaubendem Apartment mit Blick über den Hafen, ... alles wunderschön. Bloß ist der Look zu glatt, zu langweilig, sieht zu sehr nach einer sehr teuren, sehr langen Fernsehwerbung aus. Und je länger der Film dauert (und er dauert lang, viel zu lang) umso weniger passt der Look zur Geschichte.
 
Baldoni macht auch keinen schlechten Job, wenn er die Vorfälle häuslicher Gewalt zunächst ambivalent in Szene setzt. Weil er nicht genau zeigt, was passiert, könnte man vielleicht zunächst Ryles Versionen der Geschehnisse glauben. Bloß dass niemand im Publikum auch nur eine Sekunde lang Ryles Version der Geschehnisse glauben kann. Dieser Kunstgriff des Regisseurs ist komplett verschwendet. Das Funktionieren dieses Tricks hat Baldoni durch das Casting von Anfang an komplett ausgeschlossen.
 
It would have been harder to leave (SPOILER!)
 
Justin Baldoni hat sich nämlich selbst als Neurochirurgen Ryle besetzt. Und das Beste was man über Baldonis Darstellung sagen kann, ist, dass sie den größten Teil des Films funktioniert. Sein Ryle wirkt von der ersten Szene, was sage ich, von der ersten Einstellung in der wir ihn sehen, wie ein manischer Egozentriker ohne jede Frustrationstoleranz. Für niemanden im Publikum kann es auch nur den geringsten Zweifel geben, dass dieser Kerl dringend ein paar Dutzend Jahre intensive Therapie braucht, am besten stationär.
 
Leider ist der Schluss dieses viel zu langen Films nochmal viel zu lang geraten. Denn spätestens während dieses überlangen Schlusses funktioniert Baldonis Darstellung leider gar nicht mehr, wenn die Autorinnen sich eine weitere überflüssige Wendung aus dem Allerwertesten ziehen. Plötzlich soll dieser Ryle ein von seinem eigenen Trauma geplagtes Opfer sein und wir sollen Verständnis für ihn haben? Sorry, der Typ war gerade 120 Minuten lang ein gefährlicher Psycho, bei dessen bloßem Anblick wir uns schon unwohl gefühlt haben. So funktioniert das nicht.
 
Der Rest der Besetzung besteht aus durchaus kompetenten Darstellern, angeführt von Jenny Slate („Begabt – Die Gleichung eines Lebens“), die tapfer ihre lächerlichen Dialoge aufsagen und ansonsten kaum gegen ihre Chargenrollen anspielen können.
 
Aber eigentlich besteht der Rest der Besetzung nur aus Stichwortgebern und beweglicher Kulisse. Denn „Nur noch ein einziges Mal“ ist Blake Livelys Film, den sie ganz allein beherrscht. Leider nicht durch ihre ausdrucksstarke und nuancierte Darstellung einer komplexen Frauenfigur. Sowas haben weder der Film noch Lively zu bieten. Lively beherrscht diesen Film optisch. Selten haben wir im Kino eine besser und aufwendiger gekleidete Frauenfigur gesehen als hier. Ich habe schon Bond-Girls in weniger aufreizenden Outfits gesehen, als das was diese Lily trägt, wenn sie ihren Laden renoviert. Und ich glaube Natalie Portman hatte in den ersten drei Episoden von „Star Wars“ weniger Kostümwechsel als Blake Lively in diesem einzelnen Film.
 
Und so wie Justin Baldonis wunderschöne Bilder von wunderschönen Orten den Film nicht bereichern und an manchen Stellen sogar stören, so bereichert die wunderschöne Blake Lively in ihren unzähligen wunderschönen Outfits diesen Film kein bisschen. So wie Baldonis Regie an die Fernsehserien erinnert, in denen er als Schauspieler mitgewirkt hat, so erinnert Blake Lively hier eher an eine atemberaubende Verdächtige in „CSI: Las Vegas“, eine der Hexen aus „Charmed“ oder einen Stargast in „Hotel Zack & Cody“. Was in „Nur ein kleiner Gefallen“ funktioniert hat, kann hier nicht funktionieren. Für die schwierige Darstellung einer Frau, die den Teufelskreis häuslicher Gewalt durchbrechen will, braucht es mehr als eine wunderschöne Darstellerin in vielen wunderschönen Outfits.
 
Fazit
 
Die Zeit ist längst reif für einen Film, der einem großen Publikum das schwierige Thema häusliche Gewalt und ihrer Konsequenzen für nachfolgende Generationen vermittelt. „Nur noch ein einziges Mal“ mit seiner in jeder Hinsicht banalen, glatten Mittelmäßigkeit ist leider nicht dieser Film.
 
 
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