Was lange währt, wird endlich gut? Im Fall von Francis Ford Coppolas Herzensprojekt „Megalopolis“ leider nicht! Vielmehr sieht es so aus, als hätte sich die Hollywood-Legende in den weit über 40 Jahren Entwicklungszeit komplett verfranzt.
Ohne Netz und doppelten Boden
Rund um die Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai 2024 schrieb „Megalopolis“ unschöne Schlagzeilen. Anonyme Quellen berichteten in Zeitungstexten von chaotischen Dreharbeiten, einem komplett überforderten Regisseur und seinem übergriffigen Verhalten gegenüber Statistinnen bei den Aufnahmen zu einer großen Partyszene. Francis Ford Coppola hat inzwischen eine Verleumdungsklage gegen das US-Branchenblatt Variety eingereicht und tritt den Darstellungen entschieden entgegen.
Was genau vorgefallen ist, lässt sich zum Zeitpunkt des Kinostarts schwer sagen. Die Geschichten passen aber irgendwie zu einem Werk, das über 40 Jahre in der Entwicklung steckte und nur deshalb entstehen konnte, weil sich sein Schöpfer von allen Hollywood-Fesseln gelöst hatte. Die kolportierten 120 Millionen Dollar Produktionskosten brachte Coppola eigenhändig auf und veräußerte dafür sogar Teile seiner profitablen Weingüter.
Ähnlich wie bei Kevin Costner, der für sein Westerntraumprojekt „Horizon“ massiv ins persönliche Risiko ging, kann man vor Coppolas Beharrlichkeit, die eigene Vision gegen alle Widerstände zu verwirklichen, nur den Hut ziehen. Mit Mitte 80 ein derart aufwendiges und anstrengendes Unterfangen auf die Beine zu stellen und anzuleiten, ist alles andere als selbstverständlich.
Umso bedauerlicher, dass der Regisseur von Kinoklassikern wie „Der Pate“ (1972) und „Apocalypse Now“ (1979) nach diversen Rückschlägen, nach langem Kampf nun ein Werk präsentiert, das man trotz wichtiger Anliegen nicht wirklich ernst nehmen kann. Um Menschlichkeit und die Bedeutung einer friedlichen Zukunft für die nächsten Generationen geht es dem Vater, Großvater und Urgroßvater Coppola, wie er in Interviews betont. Diese Intentionen packt er jedoch in ein Epos, das vor plakativen Momenten und Albernheiten nur so strotzt.
Wovon handelt „Megalopolis“? Im Kern vom Ringen zwischen dem genialischen Architekten Cesar Catilina (gewohnt engagiert: Adam Driver) und dem korrupten Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito). Beide leben in der retrofuturistischen US-Metropole New Rome, die – der Titel schreit es laut heraus – viele Bezüge zum römischen Imperium aufweist. Ersterer, ein Nobelpreisträger, der einen unzerstörbaren Baustoff namens Megalon erfunden hat und die mysteriöse Fähigkeit besitzt, die Zeit kurz anzuhalten, möchte eine nachhaltige Stadt der Zukunft errichten und darf mit staatlicher Erlaubnis dafür ganze Häuserblöcke einreißen. Letzterer hingegen will den rückwärtsgewandten, dekadenten Status quo erhalten. Ausgerechnet dessen Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) findet plötzlich eine Anstellung bei Cesar und beginnt mit ihm eine Beziehung.
Drumherum hat Coppola, der sich hier rigoros vom klassischen Erzählkino und seinen Regeln abwendet, einige andere Stränge gesponnen: Catilinas Onkel Hamilton Crassus III. (Jon Voight), einer der Großbanker New Romes, heiratet Cesars Gelegenheitsgeliebte Wow Platinum (Aubrey Plaza), und Clodio Pulcher (Shia LaBeouf), der aufgekratzte Cousin des Architekten, strebt eine politische Karriere an.
Fragen über Fragen
„Megalopolis“ erzählt, wie gesagt, keine stringent aufgebaute Geschichte, sondern besteht aus vielen einzelnen Ideen, die manchmal mit der Brechstange verbunden werden. Die Namen der Personen, das Szenenbild und einige Spektakelshows rekurrieren deutlich auf das alte Rom, dessen Untergang der Regisseur mit dem Zustand der gegenwärtigen Vereinigten Staaten vergleicht. Allzu positiv ist Coppolas Blick auf sein Heimatland nicht. Die gesellschaftliche Spaltung macht ihm Angst, der Einfluss der Großkonzerne und des Kapitals ist ihm ein Dorn im Auge.
Entwicklungen, die er mit seinem Film kritisieren will und denen er den Glauben an eine Utopie gegenüberstellt. Seine Absichten sind lobenswert. Gerade heute, da im Kino immer seltener Experimente stattfinden, freut man sich über Künstler, die sich von allen Zwängen lösen. Und doch reicht das größte Wohlwollen nicht aus, um „Megalopolis“ besonders viel abzugewinnen. Das von Coppola selbst als Fabel bezeichnete Projekt ist mit Einfällen vollgestopft und erreicht zwangsläufig nie den beabsichtigten Tiefgang. Egal, wie hochgestochen die Charaktere auch reden mögen und wie oft philosophische Zitate eingestreut werden.
Durchaus gibt es staunenswerte Bilder zu sehen, Panoramaansichten der in einen goldenen Schimmer getauchten Stadt. Sehr wohl überrascht der Film mit Kuriositäten und verrückten Darbietungen. Völlig frei drehen allen voran Shia LaBeouf und Jon Voight. Viel zu viele Dinge rufen aber lediglich Kopfschütteln hervor, wollen nicht zusammenpassen, sind willkürlich zusammengestoppelt.
Warum sieht der von Clodio angezettelte Volksaufstand wie ein popeliger Schlägerputsch aus? Welchen Mehrwert haben die prätentiösen, ständig eingeschobenen Texttafeln? Was bezweckt Coppola mit den zahlreichen platten Humoreinlagen? Wieso sind seine Figuren Abziehbilder, wo es ihm doch um Menschlichkeit geht? Hat er nicht mehr zu bieten als das Klischee des obsessiven Künstlers, zu dem Frauen bewundernd aufschauen?
Und weshalb verlaufen so viele Aspekte des Films im Sande? Dustin Hoffman etwa scheint sich ans Set verirrt zu haben. Welche Funktion kommt dem von ihm gespielten Fixer des Bürgermeisters zu, der ein paar belanglose Sätze aufsagen darf, nur um dann abrupt aus dem Geschehen herauszufallen? Beispiele wie dieses gibt es zuhauf. Kunst und Experimente in allen Ehren – bei „Megalopolis“ entsteht leider der Eindruck, als hätte der kreative Kopf irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen, die Kontrolle über seine Vision verloren. Chaotische Dreharbeiten und Entstehungsprozesse hat es in Coppolas Karriere – man denke vor allem an „Apocalypse Now“ – schon öfters gegeben. Dieses Mal ist das Ergebnis allerdings auf frustrierende Weise verunglückt.
Fazit
Gut möglich, dass aus Francis Ford Coppola Francis Ford Floppola wird. Sein aufgeblasenes, pathetisches, mitunter lächerliches Science-Fiction-Drama dürfte es beim Publikum, zu Recht, verdammt schwer haben.