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Kritik: Wolf Man

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Autor: Christopher Diekhaus
 
Nach „Der Unsichtbare“ (2020) nimmt sich Horrorspezialist Leigh Whannell in „Wolf Man“ erneut einen unheimlichen Universal-Klassiker für eine Frischzellenkur vor.
 
Vielversprechender Einstieg
 
Ein zusammenhängendes Monsteruniversum, basierend auf Figuren aus eigenen Schauerklassikern – davon träumte Universal eine ganze Weile. Doch mit dem völlig verkorksten Grusel-Actioner „Die Mumie“ (2017) scheiterte das Projekt bereits in seiner Frühphase krachend. Die Pläne für einen gemeinsamem Erzählkosmos im Stile der Marvel-Saga wurden danach schleunigst begraben. Stattdessen durfte „Saw“-Mitschöpfer Leigh Whannell eine für sich allein stehende Neuinterpretation des Horrorstreifens „Der Unsichtbare“ (1933) inszenieren, die sich als erstaunlich gewitzte und zeitgemäße Modernisierung entpuppte. Vier Jahre nach Veröffentlichung dieses Schockers über toxische Männlichkeit frischt der Australier mit „Wolf Man“ einen weiteren Klassiker aus dem Horrorportfolio von Universal auf. Das Ergebnis: konfuser, plumper und damit deutlich weniger beeindruckend.
 
Zu Beginn demonstriert Whannell allerdings erst einmal, dass er weiß, wie man Unbehagen aufbaut: Blake Lovell (Zac Chandler) lebt mit seinem strengen Vater Grady (Sam Jaeger) irgendwo in der Abgeschiedenheit der Wälder Oregons. Die Welt sei ein brandgefährlicher Ort und der Mensch stets nur ein paar Zentimeter vom Tod entfernt, bläut der Senior seinem ehrfürchtigen Jungen ein und schleppt ihn mit auf die Jagd. Als sie im Dickicht auf eine unheimliche Kreatur treffen, bringen sie sich auf einem Hochsitz in Sicherheit.
 
Der Regisseur spielt hier mit der Angstlust der Zuschauer, die das Ungeheuer fürchten, zugleich aber auch sehen wollen. Nur schemenhaft taucht es kurz zwischen den Bäumen auf. Ansonsten lässt Whannell uns die Präsenz des Unruhestifters durch Atemluft und Geräusche spüren. Der Einstieg macht Lust auf mehr. Auch, weil sich thematische Bezüge zu „Der Unsichtbare“ auftun. Eine ähnliche Kontrollsucht und Aggression, wie sie der dortige Antagonist gegenüber seiner Lebensgefährtin an den Tag legt, scheint in der Beziehung zwischen Blake und seinem Vater durch. Der Junge soll lernen, jeden seiner Schritte genau zu bedenken, wird lautstark zurechtgestutzt und bekommt ein pessimistisches Weltbild mit auf den Weg.
 
 
30 Jahre später zeigen sich davon Spuren im Umgang des erwachsenen Blake (Christopher Abbott) mit seiner Tochter Ginger (Matilda Firth). Aus der Haut fährt er zwar nur selten. Und wenn es passiert, entschuldigt er sich sofort. Irgendwie hat seine Fürsorge aber manchmal etwas leicht Überzogenes. Immer wieder betont er, dass es sein Job sei, Ginger zu beschützen. Und ein bisschen hat es den Anschein, als wolle er mit dieser Aussage seine Auftragsflaute als Autor übertünchen. Hadert hier etwa jemand mit seiner aktuellen Rolle als Hausmann? Ehefrau Charlotte (sträflich unterfordert: Julia Garner) hingegen hat mit ihrer Arbeit als Journalistin alle Hände voll zu tun.
 
Wenig Grusel, einiges an Leerlauf Für frischen Wind sorgt ein Brief, der unverhofft ins Haus flattert: Blakes schon lange verschollener Vater ist inzwischen für tot erklärt worden, weshalb der Sohnemann einige Dinge in seinem alten Zuhause regeln muss. Kurzerhand überredet er Frau und Tochter, mit ihm in die Pampa Oregons zu reisen. Auf dem Weg zu Gradys einsam gelegenem Hof begegnet das Trio dem im Horrorkino schier unvermeidlichen Klischee-Hinterwälder und noch dazu einem wolfsartigen Geschöpf, das es nach einem Unfall auf die Neuankömmlinge abgesehen hat. Zu allem Überfluss macht Blake ein heftig blutender Biss am Arm zu schaffen.
 
Räumlich und zeitlich ist „Wolf Man“ stark begrenzt. Ein Großteil der Handlung spielt auf Gradys Anwesen oder in dessen näherer Umgebung. Der Kammerspielcharakter könnte dem Film atmosphärische Dichte verleihen. Erstaunlicherweise lässt die Intensität im Mittelteil jedoch regelmäßig nach. Einige Passagen geraten zäh. Und das familiäre Drama, das sich mit Blakes langsamer Mutation vollzieht, packt emotional nicht so, wie es sollte. Warum? Weil die Figuren rudimentär entwickelt sind und die Konflikte nie ganz ausgeschöpft werden.
 
01 ©2025 Universal Pictures02 ©2025 Universal Pictures03 ©2025 Universal Pictures04 ©2025 Universal Pictures
 
Überhaupt hat es den Eindruck, als hätte Whannell zu viele Ideen auf einmal im Kopf gehabt. Geht es ihm in erster Linie um männliche Aggression, wofür das Werwolf-Motiv ja die perfekte Metapher ist? Möchte er zeigen, wie Verhaltensmuster von einer Generation auf die nächste abfärben? Nicht durch Zufall ist an einer Stelle von einer Krankheit die Rede, die übertragen wird. Oder hat er besonders Geschlechterklischees und -rollen im Visier? All diese Punkte tauchen auf. An einem klaren Konzept mangelt es jedoch.
 
Was die Inszenierung des Schreckens betrifft, sprüht „Wolf Man“ nicht gerade vor Originalität. Wer es blutig-deftig mag, kommt in einigen gelungen getricksten Momenten auf seine Kosten. Überraschende Regieeinfälle zaubert Whannell aber fast nie aus dem Hut. Halbwegs sattelfeste Genrefans dürften stets vorausahnen können, wann die Gefahr ins Bild springt.
 
Dass der Film die verstärkte sensorische Wahrnehmung des Monsters greifbar zu machen versucht, hat seinen Reiz. Irritierend ist allerdings die Umsetzung dieses Gedankens. Wenn die Welt um den Werwolf herum auf einmal in unterschiedlichen Violetttönen erstrahlt und besonders die menschlichen Augen massiv zu leuchten beginnen, wähnt man sich fast in einem Alien-Streifen. Einen ärgerlichen Schnitzer erlaubt sich „Wolf Man“ auch im erstaunlich unspektakulär abgespulten Finale, bei dem der Wechsel von Nacht zu Tag binnen Sekunden vonstattengeht. So, als habe jemand einen Lichtschalter betätigt. Unsauberkeiten wie diese wären leicht vermeidbar gewesen, bestätigen jedoch das Bild eines unausgegorenen und dadurch selten richtig packenden Horrorfilms.
 
Fazit
 
Interessante Ansätze sind vorhanden. Leigh Whannell baut sie aber nicht so aus, dass daraus ein rundum spannender und berührender Familienhorror erwachsen könnte.
 
 
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