30 Jahre später zeigen sich davon Spuren im Umgang des erwachsenen Blake (Christopher Abbott) mit seiner Tochter Ginger (Matilda Firth). Aus der Haut fährt er zwar nur selten. Und wenn es passiert, entschuldigt er sich sofort. Irgendwie hat seine Fürsorge aber manchmal etwas leicht Überzogenes. Immer wieder betont er, dass es sein Job sei, Ginger zu beschützen. Und ein bisschen hat es den Anschein, als wolle er mit dieser Aussage seine Auftragsflaute als Autor übertünchen. Hadert hier etwa jemand mit seiner aktuellen Rolle als Hausmann? Ehefrau Charlotte (sträflich unterfordert: Julia Garner) hingegen hat mit ihrer Arbeit als Journalistin alle Hände voll zu tun.
Wenig Grusel, einiges an Leerlauf Für frischen Wind sorgt ein Brief, der unverhofft ins Haus flattert: Blakes schon lange verschollener Vater ist inzwischen für tot erklärt worden, weshalb der Sohnemann einige Dinge in seinem alten Zuhause regeln muss. Kurzerhand überredet er Frau und Tochter, mit ihm in die Pampa Oregons zu reisen. Auf dem Weg zu Gradys einsam gelegenem Hof begegnet das Trio dem im Horrorkino schier unvermeidlichen Klischee-Hinterwälder und noch dazu einem wolfsartigen Geschöpf, das es nach einem Unfall auf die Neuankömmlinge abgesehen hat. Zu allem Überfluss macht Blake ein heftig blutender Biss am Arm zu schaffen.
Räumlich und zeitlich ist „Wolf Man“ stark begrenzt. Ein Großteil der Handlung spielt auf Gradys Anwesen oder in dessen näherer Umgebung. Der Kammerspielcharakter könnte dem Film atmosphärische Dichte verleihen. Erstaunlicherweise lässt die Intensität im Mittelteil jedoch regelmäßig nach. Einige Passagen geraten zäh. Und das familiäre Drama, das sich mit Blakes langsamer Mutation vollzieht, packt emotional nicht so, wie es sollte. Warum? Weil die Figuren rudimentär entwickelt sind und die Konflikte nie ganz ausgeschöpft werden.
Überhaupt hat es den Eindruck, als hätte Whannell zu viele Ideen auf einmal im Kopf gehabt. Geht es ihm in erster Linie um männliche Aggression, wofür das Werwolf-Motiv ja die perfekte Metapher ist? Möchte er zeigen, wie Verhaltensmuster von einer Generation auf die nächste abfärben? Nicht durch Zufall ist an einer Stelle von einer Krankheit die Rede, die übertragen wird. Oder hat er besonders Geschlechterklischees und -rollen im Visier? All diese Punkte tauchen auf. An einem klaren Konzept mangelt es jedoch.
Was die Inszenierung des Schreckens betrifft, sprüht „Wolf Man“ nicht gerade vor Originalität. Wer es blutig-deftig mag, kommt in einigen gelungen getricksten Momenten auf seine Kosten. Überraschende Regieeinfälle zaubert Whannell aber fast nie aus dem Hut. Halbwegs sattelfeste Genrefans dürften stets vorausahnen können, wann die Gefahr ins Bild springt.
Dass der Film die verstärkte sensorische Wahrnehmung des Monsters greifbar zu machen versucht, hat seinen Reiz. Irritierend ist allerdings die Umsetzung dieses Gedankens. Wenn die Welt um den Werwolf herum auf einmal in unterschiedlichen Violetttönen erstrahlt und besonders die menschlichen Augen massiv zu leuchten beginnen, wähnt man sich fast in einem Alien-Streifen. Einen ärgerlichen Schnitzer erlaubt sich „Wolf Man“ auch im erstaunlich unspektakulär abgespulten Finale, bei dem der Wechsel von Nacht zu Tag binnen Sekunden vonstattengeht. So, als habe jemand einen Lichtschalter betätigt. Unsauberkeiten wie diese wären leicht vermeidbar gewesen, bestätigen jedoch das Bild eines unausgegorenen und dadurch selten richtig packenden Horrorfilms.
Fazit
Interessante Ansätze sind vorhanden. Leigh Whannell baut sie aber nicht so aus, dass daraus ein rundum spannender und berührender Familienhorror erwachsen könnte.