Das Drehbuch wirkt im Laufe des Films mehr und mehr überladen. Vor allem das Übermaß an „witzigen“ Elementen wirkt bald eher ermüdend. Ich kann mich an keinen vergleichbaren Film erinnern, der so viele ganz offensichtlich bloß als „comic relief“ gedachten Nebenfiguren enthält, die rein gar nichts zur Handlung beitragen. Am Ende sollen wir uns dann über das Überleben einer großen Anzahl von solchen Nebenfiguren freuen, die wir im Verlauf des Films alle nie kennengelernt haben und die man bis auf eine einzige samt und sonders besser ersatzlos aus dem Drehbuch gestrichen hätte.
“more powerful than a locomotive, …”
Das ganze Drehbuch funktioniert einfach an zu vielen Stellen nicht richtig. Und das ist ein Jammer, denn James Gunn liefert als Regisseur und Produzent eine sehr viel bessere Leistung ab, als der Drehbuchautor James Gunn. „Superman“ ist extrem hochwertig produziert und kann in fast jeder Szene visuell überzeugen. Gerade die Regie zeigt auch einige interessante, eigene Ideen.
Nicht jede dieser Ideen mag gefallen. Man kann zum Beispiel über den Look von Supermans Dress/Kostüm/Anzug geteilter Meinung sein. Ich persönlich bin kein Fan der roten Boxershorts. Und die Festung der Einsamkeit besteht irgendwie nur aus einem Raum, der wenig beeindruckt. Aber im Großen und Ganzen hat der Film einen wirklich ansprechenden Look. Viel wichtiger ist das allgemeine Tempo des Films. Der Film ist mit gerade mal 130 Minuten nicht zu lang geraten und zieht sich nicht annähernd so sehr wie andere Blockbuster der jüngsten Zeit (vgl.: Mission: Impossible – The Final Reckoning).
“able to leap tall buildings at a single bound!..."
Man hätte sich gewünscht, James Gunn hätte seiner Arbeit mit den Schauspieler*innen ebenso viel Zeit und Mühe gewidmet wie dem Look und dem Tempo des Films. Nicholas Hoult kann in der richtigen Rolle, unter der richtigen Regie durchaus überzeugen („Mad Max: Fury Road“, „Juror #2“). In der falschen Rolle, unter falscher Regie kann er grandios scheitern, wie zuletzt in „Nosferatu“. Hier sehen wir ihn in einer Chargenrolle, deren reales Vorbild viel zu offensichtlich ist. Am Ende fragt man sich, ob man Jesse Eisenberg vielleicht Unrecht getan hat.
Eine recht lange Liste von mehr oder weniger bekannten Vollprofis ist in Parts zu sehen, die man nicht einmal als Chargenrollen bezeichnen kann. María Gabriela de Faría, Isabela Merced, Edi Cathegi, Skyler Gisondo, Bradley Cooper (!) und viele andere Darsteller*innen sind als reine Sprechkompars*innen zu sehen. James Gunns langjähriger Weggefährte Nathan Fillion hilft mit seiner Darstellung, die bereits erwähnte Ironiefalle kräftig zuschnappen zu lassen.
Die noch recht unbekannte Rachel Brosnahan erinnert mit ihrem coolen Charme auf ermutigende Weise an die verstorbene Margot Kidder. Hoffentlich gibt sich der Drehbuchautor der unvermeidlichen Fortsetzung dann ein bisschen mehr Mühe mit dem Part der Lois Lane.
David Corenswet ist für mich der erste Superman-Darsteller, der als Clark Kent nicht nur überzeugender, sondern auch cooler wirkt als in seiner Rolle als Superman. Mit Überraschung habe ich Corenswets Körpergröße recherchiert. Er ist tatsächlich 193 cm groß und damit gleich groß wie der verstorbene Christopher Reeve und sogar noch etwas größer als Henry Cavill. In seinem Superman-Dress wirkt er nie wirklich eindrucksvoll. Das mag an dieser Version des Kostüms liegen oder am Drehbuch. Auch hier kann man nur auf Verbesserungen in der unvermeidlichen Fortsetzung hoffen.