Too little, too late
Aktuell hat „Blink Twice“ auf Rotten Tomatoes ein Rating von 83% „fresh“. Vier von fünf Kritikern weltweit haben sich also von einem Drehbuch blenden lassen, das ständig versucht, sehr viel schlauer daherzukommen als es ist. Der Film beginnt mit einer öffentlichen Entschuldigung eines Protagonisten und enthält dem Publikum während des gesamten Films die Information vor, wofür sich diese Figur entschuldigt hat. Kurzer Hinweis an Frau Kravitz und Herrn Feigenbaum: Wenn sie dem Publikum in ihrem Drehbuch wesentliche Informationen vorenthalten müssen, ist das nicht schlau. Dann sind sie einfach nur sehr schlecht darin, Drehbücher zu schreiben.
There’s something wrong with this place
Aber das Drehbuch ist nicht einfach nur sehr schlecht. Es ist noch mehr. Es ist so ekelhaft, dass es „Blink Twice“ tatsächlich zu einem Exploitation-Film macht. Ich erkläre diesen Begriff mal eben für die jüngeren Leser*innen: Exploitation-Filme (von „to exploit“ auf deutsch „ausbeuten“) haben vor allem während Siebziger- und Achtzigerjahre ernste Themen, oft auch Tabuthemen „ausgebeutet“ bloß um mit Sex, Horror und/oder Gewalt zu unterhalten. Wer sich so etwas heute noch antun möchte, kann gerne im Netz nach „Die Nonnen von Clichy“ (Sex und Gewalt im Kloster), „Nackt unter Kannibalen“ (Sex, Gewalt und Kannibalismus), „Ilsa, She Wolf of the SS“ (Bisexualität und Gewalt unter Nazis) und ähnlichen Werken suchen.
Nun geht es in „Blink Twice“ um die systematische sexuelle Ausbeutung junger Frauen durch reiche, mächtige Männer. Und das, wo uns allen mittlerweile klar sein muss, dass die Berichte über die jahrzehntelangen Aktivitäten von reichen, mächtigen Männern wie Bill Cosby, Harvey Weinstein und Jeffrey Eppstein wohl nur die Spitze des Eisbergs zeigen. Natürlich kann man Filme über dieses schreckliche Thema drehen. Man sollte es sogar tun. Wenn man sich mit damit aber nicht ernsthaft auseinandersetzt und es nur als Hintergrund für einen sehr mittelmäßigen Thriller „ausbeutet“, wird daraus eben ein bloßer „Exploitation-Film“. Und ein recht ekelhafter und dummer „Exploitation-Film“ noch dazu.
Bei der Besetzung zeigt sich nochmal das Geschick von Zoë Kravitz als Regisseurin. Sie hat unterschiedlich bekannte Darsteller*innen aus unterschiedlichen Generationen um einen Hollywoodstar gescharrt und damit ein wirklich hochwertiges Ensemble gebildet. Wie bereits erwähnt, bietet das Drehbuch leider keine echten Charaktere, weshalb wir niemals erfahren werden, was es mit den, von so unterschiedlichen Schauspieler*innen wie Geena Davis, Haley Joel Osment, Christian Slater oder Simon Rex dargestellten Figuren auf sich hat. Dabei hätte genau das den Film interessant gemacht und auch aufgewertet.
Channing Tatum hat in so unterschiedlichen Filmen wie „Magic Mike“, „The Lost City“ oder zuletzt „To The Moon“ gezeigt, wie unterschiedlich er wirken kann. Hier wirkt er von Anfang an nur schräg und unheimlich, was der Wendung im dritten Akt viel, also praktisch alles von ihrer Wirkung nimmt.
Die Britin Naomi Ackie hat in „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ keinerlei Eindruck hinterlassen, aber dafür, in diesem Gewusel untergegangen zu sein, kann sie sicher nichts. Und es ist wohl auch kaum ihre Schuld, wenn sie nie wirklich zur Heldin von „Blink Twice“ wird. Ihre Figur ist zunächst mal lange Zeit sehr dumm, bevor sie dann vor allem ängstlich zu sein hat. An der haarsträubenden Verwandlung zur genialen Strategin am Schluss des Films wäre sicher auch jede andere Darstellerin gescheitert, weil diese Wendung einfach nur dämlich ist.