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Kritik: Blink Twice

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht zum Regiedebut von Zoë Kravitz ...
 
We’re going to my island for a few days
 
Die junge Kellnerin Frida schleicht sich zusammen mit ihrer Freundin Jess auf einer Galaveranstaltung zugunsten des Tech-Milliardärs Slater King ein. Frida stolpert, Slater wird auf sie aufmerksam und am Ende des Abends lädt er sie und Jess ein, zusammen mit einigen Freunden und drei weiteren attraktiven, jungen Frauen auf seiner Privatinsel weiter zu feiern. Die Tage vergehen im Rausch. Teures Essen, teurer Wein, teure Drogen lassen die Party nie zu Ende gehen. Doch es gibt Schlangen im Paradies ...
 
Sprechen wir kurz den Elefanten im Raum an: Können wir bitte mit der unsinnigen Diskussion über „Nepo-Babies“ aufhören? Wäre der Sohn von Alan Ladd, einem der größten Stars der Vierziger- und Fünfzigerjahre, nicht einer der besten Studiobosse der Filmgeschichte geworden, hätte George Lucas „Star Wars“ niemals so drehen können, wie er es getan hat und das Gleiche gilt für Ridley Scott und „Blade Runner“ und viele weitere Filme. Wäre der Sohn von Kirk Douglas nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten, hätten wir weder „Einer flog übers Kuckucksnest“ noch „Wall Street“ so gesehen, wie wir sie gesehen haben.
 
Als Lynn Redgrave und ihre Schwester Vanessa Redgrave in den frühen Sechzigerjahren ihre ersten Filme gedreht haben, waren sie „Nepo-Babies“ der dritten Generation. Beide wurden mehrmals für den Oscar nominiert, Vanessa hat ihren für „Julia“ gewonnen. Es ist doch so: Uns allen bleibt nichts anderes übrig, als mit den Karten zu spielen, die das Leben austeilt. Wenn uns das Leben also bereits in der ersten Runde drei Asse austeilt, würde jeder einzelne von uns auch mit diesen Karten spielen und erst mal seinen Einsatz erhöhen. Zoë Kravitz ist die Tochter der Schauspielerin Lisa Bonet und des Musikers Lenny Kravitz.
 
 
Als Darstellerin hat sie mich bisher weder in „Girls‘ Night Out“, noch in „Kin“ oder „The Batman“ so richtig überzeugt. Umso überraschter war ich von ihrer Kompetenz als Regisseurin. Bereits sehr früh im Film vermittelt ihre Bildgestaltung ganz unaufdringlich die hohle Künstlichkeit der Galaveranstaltung. In zwei, drei kurzen Szenen erfahren wir rein visuell die ganze Dekadenz der Reise zur Privatinsel. Später vermittelt sie uns sowohl den desorientierenden Rausch der immerwährenden Party als auch das darunter verborgene Verderben.
 
Do you guys wanna come? (SPOILER, wenn man den Trailer nicht gesehen hat)
 
Die gute Nachricht dieses Films ist also die wirklich sehr gute Regiearbeit von Zoë Kravitz. Kommen wir zur schlechten Nachricht, die das Drehbuch betrifft, das Kravitz zusammen mit E.T. Feigenbaum verfasst hat. Beide haben bisher nur Drehbücher für die Fernsehserie „High Fidelity“ mit Kravitz in der Hauptrolle geschrieben. „Blink Twice“ ist beider Autor*innen erstes Drehbuch für einen Spielfilm. Und dieses Drehbuch ist leider schlecht. Es ist sehr schlecht. Es ist furchtbar schlecht und noch mehr.
 
Dieses Drehbuch funktioniert buchstäblich vorne und hinten nicht. Und dazwischen auch nicht. Es funktioniert vorne nicht, wenn die beiden jungen Frauen sich in eine Gala einschleichen, bei der sie beide als Kellnerinnen beschäftigt sind. Ähm, ... meine Damen, der Rest des Personals kennt Euch und ihr werdet schneller rausgeschmissen als ihr „Champagner“ sagen könnt. Das Drehbuch funktioniert hinten nicht, wenn eine junge Frau ihr Überleben und das einer Freundin davon abhängig macht, dass ein Wahnsinniger mitten im Chaos an seinem Vape-Stick zieht, statt sich mit dem einzigen Messer der Insel zu wehren.
 
Und der Film funktioniert dazwischen nicht, weil der Plot so voller Löcher ist, das man das Drehbuch besser als Badeschwamm verwendet hätte. Das Drehbuch ist aber auch deshalb sehr schlecht, weil wir keine der handelnden Figuren jemals kennenlernen. Selbst über die Heldin erfahren wir im Laufe des Filmes nur, dass sie als Kellnerin arbeitet und ihre Nägel selbst macht. Beides ist für die Handlung nötig. Diese Frida ist also kein Charakter sondern ein reines Handlungselement. Der Schurke des Films darf während des Finales drei Nebensätze fallen lassen, die wohl so etwas wie eine Erklärung oder Motivation für seinen Wahnsinn bilden sollen? Tut mir leid, aber so funktioniert das nicht.
 
01 ©2024 Warner Bros Pictures02 ©2024 Warner Bros Pictures03 ©2024 Warner Bros Pictures04 ©2024 Warner Bros Pictures
 
Too little, too late
 
Aktuell hat „Blink Twice“ auf Rotten Tomatoes ein Rating von 83% „fresh“. Vier von fünf Kritikern weltweit haben sich also von einem Drehbuch blenden lassen, das ständig versucht, sehr viel schlauer daherzukommen als es ist. Der Film beginnt mit einer öffentlichen Entschuldigung eines Protagonisten und enthält dem Publikum während des gesamten Films die Information vor, wofür sich diese Figur entschuldigt hat. Kurzer Hinweis an Frau Kravitz und Herrn Feigenbaum: Wenn sie dem Publikum in ihrem Drehbuch wesentliche Informationen vorenthalten müssen, ist das nicht schlau. Dann sind sie einfach nur sehr schlecht darin, Drehbücher zu schreiben.
 
There’s something wrong with this place
 
Aber das Drehbuch ist nicht einfach nur sehr schlecht. Es ist noch mehr. Es ist so ekelhaft, dass es „Blink Twice“ tatsächlich zu einem Exploitation-Film macht. Ich erkläre diesen Begriff mal eben für die jüngeren Leser*innen: Exploitation-Filme (von „to exploit“ auf deutsch „ausbeuten“) haben vor allem während Siebziger- und Achtzigerjahre ernste Themen, oft auch Tabuthemen „ausgebeutet“ bloß um mit Sex, Horror und/oder Gewalt zu unterhalten. Wer sich so etwas heute noch antun möchte, kann gerne im Netz nach „Die Nonnen von Clichy“ (Sex und Gewalt im Kloster), „Nackt unter Kannibalen“ (Sex, Gewalt und Kannibalismus), „Ilsa, She Wolf of the SS“ (Bisexualität und Gewalt unter Nazis) und ähnlichen Werken suchen.
 
Nun geht es in „Blink Twice“ um die systematische sexuelle Ausbeutung junger Frauen durch reiche, mächtige Männer. Und das, wo uns allen mittlerweile klar sein muss, dass die Berichte über die jahrzehntelangen Aktivitäten von reichen, mächtigen Männern wie Bill Cosby, Harvey Weinstein und Jeffrey Eppstein wohl nur die Spitze des Eisbergs zeigen. Natürlich kann man Filme über dieses schreckliche Thema drehen. Man sollte es sogar tun. Wenn man sich mit damit aber nicht ernsthaft auseinandersetzt und es nur als Hintergrund für einen sehr mittelmäßigen Thriller „ausbeutet“, wird daraus eben ein bloßer „Exploitation-Film“. Und ein recht ekelhafter und dummer „Exploitation-Film“ noch dazu.
 
Bei der Besetzung zeigt sich nochmal das Geschick von Zoë Kravitz als Regisseurin. Sie hat unterschiedlich bekannte Darsteller*innen aus unterschiedlichen Generationen um einen Hollywoodstar gescharrt und damit ein wirklich hochwertiges Ensemble gebildet. Wie bereits erwähnt, bietet das Drehbuch leider keine echten Charaktere, weshalb wir niemals erfahren werden, was es mit den, von so unterschiedlichen Schauspieler*innen wie Geena Davis, Haley Joel Osment, Christian Slater oder Simon Rex dargestellten Figuren auf sich hat. Dabei hätte genau das den Film interessant gemacht und auch aufgewertet.
 
Channing Tatum hat in so unterschiedlichen Filmen wie „Magic Mike“, „The Lost City“ oder zuletzt „To The Moon“ gezeigt, wie unterschiedlich er wirken kann. Hier wirkt er von Anfang an nur schräg und unheimlich, was der Wendung im dritten Akt viel, also praktisch alles von ihrer Wirkung nimmt.
Die Britin Naomi Ackie hat in „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ keinerlei Eindruck hinterlassen, aber dafür, in diesem Gewusel untergegangen zu sein, kann sie sicher nichts. Und es ist wohl auch kaum ihre Schuld, wenn sie nie wirklich zur Heldin von „Blink Twice“ wird. Ihre Figur ist zunächst mal lange Zeit sehr dumm, bevor sie dann vor allem ängstlich zu sein hat. An der haarsträubenden Verwandlung zur genialen Strategin am Schluss des Films wäre sicher auch jede andere Darstellerin gescheitert, weil diese Wendung einfach nur dämlich ist.
 
Fazit
 
Die gute Nachricht lautet, Zoë Kravitz ist eine wirklich talentierte Regisseurin. Die schlechte Nachricht lautet, sie hat zusammen mit ihrem Co-Autor ein wirklich furchtbar schlechtes Drehbuch geschrieben. Zusammen ergibt das einen halbwegs kompetent gemachten, ekelhaften Exploitation-Film.
 
 
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