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Kritik: Konklave

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Die katholische Kirche beeindruckt immer noch mit Prunk, Pracht und Ritualen, beschäftigt sich aber nur wenig und auf die falsche Weise mit wichtigen Themen des modernen Lebens. Edward Bergers neuer Film zeigt ganz hervorragend, wie altmodisch das wirken kann ...
 
Der apostolische Stuhl ist vakant
 
Nach dem Tod des Papstes kommen die Kardinäle zu einem Konklave zusammen, um einen Nachfolger zu wählen. Der kritisch denkende Kardinal Lawrence muss seine Zweifel an der Kirche und seinem Amt hintan stellen, um das Konklave zu leiten. Aber damit, ein jahrhundertealtes Ritual so abzuhalten wie eh und je, ist es für Lawrence nicht getan. In der modernen Welt hat die Kirche externe wie interne Feinde ...
 
„Konklave“ wird von der internationalen Kritik bereits jetzt hochgelobt. 91% auf Rotten Tomatoes sind ein deutliches Votum. Zum Vergleich: „Reservoir Dogs“ hat 90%, „Die Verurteilten“ gerade mal 89% und „Barbie“, sicher einer der besten und originellsten Filme der letzten Jahre, hat bloß 88% positive Rezensionen bekommen.
 
Und vieles an „Konklave“ ist auch wirklich hervorragend gemacht. Da ist zunächst einmal das Production Design von Suzie Davis (Oscarnominierung für „Mr. Turner“). Sie und Art Director Roberta Federico haben einen Vatikan geschaffen, der vermutlich authentischer aussieht als hätte man an Originalschauplätzen gedreht. Diese Authentizität erschließt sich einem erst nach und nach, weil die Sets zunächst gar nicht besonders beeindrucken. Das liegt aber auch gar nicht in der Absicht der Künstler. Tatsächlich wollen sie uns einen belebten Vatikan zeigen, einen Lebensraum für die vielen unterschiedlichen Menschen dort.
 
Die wunderschöne Nachbildung der Sixtinischen Kapelle soll uns ebenso wenig imponieren wie die Speiseräume oder die Schlafräume, die wie luxuriöse Gefängniszellen wirken. Die Macher des Films haben authentische Räume geschaffen, in denen echte Charaktere ihren glaubwürdigen Alltag meistern und mit realistischen Problemen zu tun haben könnten.
 
 
All diese großartigen Räume werden von Kameramann Stéphane Fontaine kongenial im Bild eingefangen. Fontaine hat uns vor einigen Jahren in „Ammonite“ die Schönheit der kargen Landschaft Dorsets und die Wärme der ärmlichen Behausung der Heldin vermittelt. Und so wie er damals die Härte und Kraft im Gesicht der Figur von Kate Winslet und die Schüchternheit und Schwäche im Gesicht Saoirse Ronans Figur und das spätere Aufblühen beider Frauen gezeigt hat, zeigt er uns in „Konklave“ die Zweifel und Sorgen auf dem Gesicht des einen und die knallharte Entschlossenheit auf den Gesichtern anderer Kardinäle ebenso wie die Güte oder die Kraft weiterer Figuren.
 
Diese Gesichter gehören einer handverlesenen Schar kompetenter und in einigen Fällen großartiger Schauspieler*innen. John Lithgow ist ein Darsteller mit enormer Bandbreite (135 Einträge bei imdb in mehr als 50 Jahren). Seit seiner Oscarnominierung für die Darstellung einer transsexuellen, ehemaligen Footballspielerin in „Garp und wie er die Welt sah“ spielt er wahnsinnige Mörder („Ricochet“, „Cliffhanger“) und Drecksäcke („Bombshell“) ebenso überzeugend wie nette alte Opas („Daddy’s Home 2“, „Friedhof der Kuscheltiere“). Seine Rolle in „Konklave“ lässt ihn nur den allergeringsten Teil seiner Klaviatur benutzen, so eintönig ist sie geschrieben.
 
Eine größere Bandbreite als John Lithgow bietet vielleicht nur noch Stanley Tucci. Unter seinen 139 Einträgen bei imdb in weniger als 40 Jahren finden sich Schwachsinn wie „The Core“, Mist wie „The Silence“, Bullshit wie zwei verschiedene Rollen in zwei verschiedenen „Transformers“-Fortsetzungen, aber auch hervorragende Filme von so unterschiedlicher Machart wie „Der Teufel trägt Prada“, „Einfach zu haben“ oder „Captain America: The First Avenger“. Wie so oft in seiner Karriere zeigt Tucci auch in „Konklave“ wieder eine komplexere und sympathischere Darstellung als es das Drehbuch eigentlich zulassen würde.
 
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Apropos „komplexere und sympathischere Darstellung als es das Drehbuch eigentlich zulassen würde“: Ralph Fiennes hat es vor dreißig Jahren geschafft, uns seine Figur in „Schindlers Liste“ ebenso verachten wie verstehen zu lassen. Danach war er ein Betrüger („Quiz Show“), Adeliger, Wissenschaftler und Liebhaber („Der englische Patient“), Serienmörder („Roter Drache“) und Gangsterboss („In Bruges“). Er war Zeus, er war „Der Vorleser“, er hat es in mehreren Filmen nicht geschafft, sich gegen ein paar Internatsschüler durchzusetzen und war zuletzt sogar James Bonds Vorgesetzter.
 
In „Konklave“ spielt er eine der beiden einzigen halbwegs interessanten Figuren. Leider erfahren wir nicht, wie jemand mit so starken Zweifeln eine derart steile Karriere innerhalb der katholischen Kirche machen konnte. Aber Fiennes schafft es, uns eine von zwei Figuren zu liefern, mit der wir uns identifizieren können. Ganz nebenbei vermittelt er uns den wichtigen Unterschied zwischen Menschen, die ein Amt anstreben und Menschen, die eine Aufgabe und Verantwortung übernehmen.
 
Isabella Rosselini zeigt in einigen wenigen Szenen das Rückgrat, das Frauen brauchen, wenn sie in der ewigen Männerdomäne der katholischen Kirche trotzdem wichtige und gute Arbeit leisten wollen. An einer Stelle liefert sie eine Dialogzeile ab, die nicht nur ihre Figur definiert sondern den ganzen Film aufwertet.
 
Ich bin wie Gott mich erschaffen hat (SPOILER!)
 
Diese Aufwertung hat „Konklave“ auch dringend nötig. Denn lässt man die großartigen Sets, die Kameraarbeit und schauspielerischen Leistungen mal beiseite, hat der Film nicht mehr besonders viel zu bieten. Er kommt hochtrabend daher und bleibt immer vorhersehbar. Er streift wichtige Themen, wie die vielen Missstände innerhalb der katholischen Kirche und lässt sie dann links liegen. Die Inszenierung ist manchmal ungeschickt, etwa wenn die Kardinäle in aufeinander folgenden Wahlgängen jeweils anders abstimmen und wir nicht erfahren, warum. Und die Handlung ist nicht halb so schlau, wie ihre Autoren (Romanvorlage: Robert Harris, Drehbuch: Peter Straughan) glauben.
 
Ich habe vorher die breite Zustimmung der internationalen Kritik für „Konklave“ erwähnt. So schreibt z.B. Peter Debruge in Hollywoods führendem Branchenblatt Variety, „this thinking man’s thriller unfolds like a murder mystery“. Keine Ahnung, was für Krimis der Kollege liest. Aber hier “entfaltet” sich gar nix. Der korrupte, machtbesessene Kardinal ist bereits in seiner ersten Szene als korrupt und machtbesessen zu erkennen. Der rassistische Fundamentalist tritt von Anfang an ebenso rassistisch wie fundamentalistisch auf. Und das Schicksal des gütigen, fast heilig wirkenden Neuankömmlings kann niemanden überraschen, der mehr als ein paar Dutzend Filme gesehen hat. Dieser Film bietet weder Nuancen noch Entwicklung und passt hier ganz wunderbar zur katholischen Kirche.
 
Peter Debruge sieht auch, “… one of the most satisfying twists in years, a Hail Mary that both surprises and restores one’s faith” Verzeihung, Herr Kollege, ham wa’s auch ein bißchen kleiner? Wenn das Ende dieses Films ihm „eine der befriedigendsten, überraschenden Wendungen seit Jahren“ beschert, dann muss Debruge am Ende eines jeden noch so schwachen Films von M. Night Shyamalan einen Orgasmus gehabt haben. Während „Orphan: First Kill“ musste der gute Mann sicher mehrmals die Unterwäsche wechseln. Kein Wunder, dass der Kollege mit seinen Metaphern so durcheinander gerät. Ein Ave Marie das überrascht(!) und gleichzeitig den Glauben wieder herstellt? Wie bitte?
 
Tut mir leid, aber so großartig der Film auch anzusehen ist und so sehenswert auch die darstellerischen Leistungen sind, die Handlung hat das Niveau einer beliebigen Fernsehserie. Wir lernen kaum eine der Figuren halbwegs kennen. Wir erfahren nichts über ihre Motive. Marginalisiert jemand einen früheren Fehltritt, weil der seiner Berufung im Weg gestanden hätte oder ist der Mann einfach ein Widerling? Keine Ahnung. Begeht jemand das Verbrechen der Simonie, weil er meint, der Zweck würde die Mittel heiligen? Pfh, ... vermutlich ist der Kerl bloß ein Arschloch. Drecksäcke haben Dreck am Stecken, die Guten sind gut. Das war‘s
 
Ebenso wenig Zeit wie für seine Figuren nimmt sich der Film auch für seine Themen: so gut wie gar keine. Korruption, Zölibat, Fundamentalismus, Islamfeindlichkeit, ja sogar Transsexualität von Geistlichen werden jeweils in einzelnen Szenen erwähnt und als Handlungselemente verwendet. Aber weder die handelnden Figuren noch der Film selbst setzt sich mit einem dieser Themen, mit den Implikationen und Konsequenzen auseinander. Die erwähnte überraschende Wendung am Ende ist zwar dämlich und grenzt an „Exploitation“, würde aber tatsächlich die Grundlage für eine interessantere Geschichte bieten. So vergibt der Film leider praktisch alle seine inhaltlichen Möglichkeiten. Er wirkt am Ende hohl und trotz modernster Filmtechnik seltsam altmodisch.
 
Fazit
 
Ein Film wie die katholische Kirche: beindruckender Prunk, Pracht und Rituale. Aber kaum echte Auseinandersetzung mit Inhalten. Und so sehr er sich auch bemüht, passt dieser Film nicht richtig in die moderne Zeit.
 
 
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