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Kritik: Flight Risk

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Es gibt Filme, die sind nicht einfach nur gut. Sie sorgen auch noch dafür, dass man sich gut fühlt. Und dann gibt es Filme, die sind nicht einfach nur schlecht …
 
I have to get him to New York
 
Madolyn Harris hat ihren ersten Außeneinsatz als US Marshall nach einer längeren Zwangspause. Nachdem sie einen flüchtigen und abtrünnigen Mafia-Buchhalter im tiefsten Alaska ausfindig machen konnte, muss sie diesen nun nach New York City bringen, damit er gegen einen mächtigen Unterweltboss aussagen kann. Für den ersten Teil dieser langen besteigt sie zusammen mit ihrem Gefangenen ein kleines einmotoriges Flugzeug. Leider ist der Pilot nicht das, was er zu sein vorgibt …
 
„Flight Risk“ ist nicht einfach nur ein schlechter Film. Er kann auf mehreren Ebenen dafür sorgen, dass man sich nach dem Film schlechter fühlt als vorher. Daran ist zunächst einmal das Drehbuch schuld. Verfasst wurde es von einem unbekannten Autor namens Jared Rosenberg. Herr Rosenberg hat bisher nur das für eine TV-Serie geschrieben, deren Starttermin noch nicht feststeht. „Flight Risk“ ist also sein erstes verfilmtes Drehbuch. Warum dieses Drehbuch verfilmt wurde ist mir unklar. Ebenso unklar ist, warum es nicht von einem erfahrenem Script-Doctor überarbeitet wurde.
 
Dieses Drehbuch ist so lächerlich dumm, dass es die Intelligenz jedes Ticketkäufers beleidigt. Die Bezeichnung „idiot plot“ (eine Handlung, die nur funktioniert, weil sämtliche Protagonisten Idioten sind) stößt hier an ihre Grenzen. Eher müsste man von einem „extended idiot plot“ sprechen, weil diese Handlung nur funktioniert, wenn zusätzlich zu sämtlichen Protagonisten auch noch sämtliche Bewohner der Welt des Films, die nicht im Bild zu sehen sind, ebenfalls Idioten sind.
 
 
Würde sich dieses Drehbuch nicht in jeder einzelnen Sekunde des Films so verdammt ernst nehmen, könnte man es für eine schlechte Parodie halten. Es bedient sich einer solchen Fülle von uralten und dummen Filmklischees, ich habe nicht einmal Lust „Filmklischee-Bingo“ zu spielen, weil dieser Film bereits nach 5 Minuten Laufzeit jede Bingo-Karte voll bekommt.
 
Mit gleich zwei strohdummen „fake jumpscares“ während der ersten drei Minuten des Films belastet der Film jeden echten Filmfan enorm. Und die Tonspur des Filmes besteht zum allergrößten Teil aus erklärendem Dialog. Immer und immer wieder erklären einander die strohdummen Protagonisten dieses Films die strohdumme Handlung (Die einzigen Ausnahmen bilden die Szenen, in denen ein Wahnsinniger die weibliche Ermittlerin bedroht und seine Gewaltfantasien erläutert, aber davon gleich noch mehr).
 
Das Drehbuch von „Flight Risk“ beleidigt also unsere Intelligenz und überschüttet uns gleichzeitig mit den übelsten Klischees der Filmgeschichte und sorgt somit für massives Unwohlsein bei jedem echtem Filmfan. Wie steht es dann um die Regie? Inszeniert wurde dieser Film von keinem geringeren als Mel Gibson. Für die jüngeren Leser*innen: Mel Gibson war in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern einer der erfolgreichsten und bekanntesten Filmstars der Welt.
 
Weil er den Studios so viel Geld eingebracht hatte, hat man ihn 1993 zunächst das etwas plumpe und klischeehafte Drama „Der Mann ohne Gesicht“ inszenieren lassen. Zwei Jahre später durfte er das plumpe, klischeehafte und weitgehend unhistorische Historiendrama „Braveheart“ drehen, das dann leider mit einigen komplett unverdienten Oscars ausgezeichnet wurde. Einige Jahre später hat Gibson dann „Die Passion Christi“ noch um zusätzliche Gewaltszenen ergänzt, weil ihm die vielen Gewaltszenen der Vorlage (immerhin „Die Bibel“) einfach nicht genug waren. Danach folgten ein weiteres plumpes, klischeehaftes und weitgehend unhistorisches Historiendrama („Apocalypto“) und eine weitere ziemlich plumpe und klischeehafte Passionsgeschichte („Hacksaw Ridge“).
 
01 ©2025 Tobis Film02 ©2025 Tobis Film03 ©2025 Tobis Film04 ©2025 Tobis Film
 
Als Regisseur hat Mel Gibson immer kompetente aber nie besonders sensible oder subtile Arbeit geleistet. Und auch seine Regie von „Flight Risk“ kann man wieder als durchaus kompetent und effizient bezeichnen. Wie sorgt also auch Gibsons Regie für Unwohlsein beim Betrachter? Es sind sicher nicht die technischen Fehler des Films. Einzelne Einstellungen mit computergenerierten Elementen wirken nicht sehr überzeugend, aber das kann man bei einem Film mit vergleichsweise geringem Budget vielleicht noch verzeihen.
 
Seit einigen Jahren schon muss sich jeder Filmfan selbst die Frage beantworten, wie weit er das Kunstwerk von der Person des Künstlers trennen möchte und kann. Mag und kann ich „Chinatown“ oder „Die Neun Pforten“ genießen, obwohl das was Roman Polanski angestellt hat, sogar in seiner eigenen Darstellung ganz klar den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt? Mag und kann ich mich von so unterschiedliche Filmen wie „Annie Hall“ oder „Blue Jasmine“ unterhalten lassen und dabei die vielfältigen Vorwürfe gegen Woody Allen ignorieren?
 
Von Mel Gibson wissen wir mittlerweile, dass „Juden für alle Kriege auf der Welt verantwortlich sind“, der bloße Kontakt zu Homosexuellen bereits AIDS verursachen kann und dass er der Mutter eines seiner Kinder eine Gruppenvergewaltigung durch „eine Bande N*gger“ gewünscht hat. Wenn also der irre Killer in „Flight Risk“ nach seiner Enttarnung jede wache Minute damit verbringt, einer jungen Frau und dem Buchhalter schlimmste sexuelle Folter in Aussicht zu stellen, hat das vor diesem Hintergrund ein ganz anderes Gewicht. Das ist ein bisschen so, als würde Polanski einen Film über Vergewaltigung drehen („Ekel“, „Rosemaries Baby“, „Chinatown“, „Tess“, „Der Tod und das Mädchen“) oder als würden in einem Film von Woody Allen „zwölfjährige Mädchen“ als „das Beste im Leben“ empfohlen (=wörtliches Zitat aus „Love and Death“: „Two of them, whenever possible“).
 
Thank you for putting me in the field again Wenn man also die Kunst nicht komplett von der Person des Künstlers trennen möchte oder kann, wird man sich nicht besonders gut fühlen, während man in einem Film von Regisseur Mel Gibson minutenlang sadistischen Fantasien lauschen darf. Da hilft es auch nicht, zu wissen, dass Darsteller Mark Wahlberg als junger Mann wegen mehrerer rassistisch motivierter Gewalttaten vor Gericht gestanden hat. Seine Darstellung des sadistischen Killers wirkt hier so falsch und unnötig, wie das Toupet und die Halbglatze die ihm dafür rasiert wurde und die beide rein gar nichts zur Handlung beitragen.
 
Dem Schauspieler Topher Grace kann man (soweit wir wissen) bisher nur vorwerfen, in jedem Film, in dem er mitwirkt, immer und immer wieder eine Variation seiner Rolle aus der TV-Serie „Die wilden Siebziger“ zu spielen. Egal ob als der erste „Venom“ in „Spider-Man 3“, als Killer in „Predators“, ja selbst als Priester in „Breakthrough – Zurück ins Leben“ und nun als Mafia-Buchhalter in „Flight Risk“, … am Ende sehen wir doch immer wieder irgendwie Eric Foreman aus „Die wilden Siebziger“. Bloß eben nicht ganz so lustig wie damals.
 
Michelle Dockery kennen wir aus „Downton Abbey“. Sie hat sich bisher (soweit wir wissen) auch noch keines Verbrechens schuldig gemacht. Allerdings kann man ihre Darstellung der mit Abstand dümmsten Strafvollzugsbeamtin der Filmgeschichte schon fast als sexistischen Witz betrachten. Wenn diese Madolyn in einer der gefährlichsten Situationen ihrer Karriere komplett vergisst, dass sich irgendwo an Bord des Flugzeugs ein tödliches Messer befindet und dann noch nicht einmal bemerkt, wie ihr ein mit Handschellen gefesselter, gefährlicher Gefangener die Sonnenbrille abnimmt, sind das nur zwei von vielen strohdummen Fehlern der Beamtin. An der Darstellung einer solchen Figur wären sehr viel bessere Schauspielerinnen als Frau Dockery gescheitert.
 
Fazit
 
Nichts an diesem Film ist auch nur halbwegs gut genug, um zu rechtfertigen, wie schlecht man sich fühlen kann, nachdem man ihn gesehen hat.
 
 
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