Als Regisseur hat Mel Gibson immer kompetente aber nie besonders sensible oder subtile Arbeit geleistet. Und auch seine Regie von „Flight Risk“ kann man wieder als durchaus kompetent und effizient bezeichnen. Wie sorgt also auch Gibsons Regie für Unwohlsein beim Betrachter? Es sind sicher nicht die technischen Fehler des Films. Einzelne Einstellungen mit computergenerierten Elementen wirken nicht sehr überzeugend, aber das kann man bei einem Film mit vergleichsweise geringem Budget vielleicht noch verzeihen.
Seit einigen Jahren schon muss sich jeder Filmfan selbst die Frage beantworten, wie weit er das Kunstwerk von der Person des Künstlers trennen möchte und kann. Mag und kann ich „Chinatown“ oder „Die Neun Pforten“ genießen, obwohl das was Roman Polanski angestellt hat, sogar in seiner eigenen Darstellung ganz klar den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt? Mag und kann ich mich von so unterschiedliche Filmen wie „Annie Hall“ oder „Blue Jasmine“ unterhalten lassen und dabei die vielfältigen Vorwürfe gegen Woody Allen ignorieren?
Von Mel Gibson wissen wir mittlerweile, dass „Juden für alle Kriege auf der Welt verantwortlich sind“, der bloße Kontakt zu Homosexuellen bereits AIDS verursachen kann und dass er der Mutter eines seiner Kinder eine Gruppenvergewaltigung durch „eine Bande N*gger“ gewünscht hat. Wenn also der irre Killer in „Flight Risk“ nach seiner Enttarnung jede wache Minute damit verbringt, einer jungen Frau und dem Buchhalter schlimmste sexuelle Folter in Aussicht zu stellen, hat das vor diesem Hintergrund ein ganz anderes Gewicht. Das ist ein bisschen so, als würde Polanski einen Film über Vergewaltigung drehen („Ekel“, „Rosemaries Baby“, „Chinatown“, „Tess“, „Der Tod und das Mädchen“) oder als würden in einem Film von Woody Allen „zwölfjährige Mädchen“ als „das Beste im Leben“ empfohlen (=wörtliches Zitat aus „Love and Death“: „Two of them, whenever possible“).
Thank you for putting me in the field again Wenn man also die Kunst nicht komplett von der Person des Künstlers trennen möchte oder kann, wird man sich nicht besonders gut fühlen, während man in einem Film von Regisseur Mel Gibson minutenlang sadistischen Fantasien lauschen darf. Da hilft es auch nicht, zu wissen, dass Darsteller Mark Wahlberg als junger Mann wegen mehrerer rassistisch motivierter Gewalttaten vor Gericht gestanden hat. Seine Darstellung des sadistischen Killers wirkt hier so falsch und unnötig, wie das Toupet und die Halbglatze die ihm dafür rasiert wurde und die beide rein gar nichts zur Handlung beitragen.
Dem Schauspieler Topher Grace kann man (soweit wir wissen) bisher nur vorwerfen, in jedem Film, in dem er mitwirkt, immer und immer wieder eine Variation seiner Rolle aus der TV-Serie „Die wilden Siebziger“ zu spielen. Egal ob als der erste „Venom“ in „Spider-Man 3“, als Killer in „Predators“, ja selbst als Priester in „Breakthrough – Zurück ins Leben“ und nun als Mafia-Buchhalter in „Flight Risk“, … am Ende sehen wir doch immer wieder irgendwie Eric Foreman aus „Die wilden Siebziger“. Bloß eben nicht ganz so lustig wie damals.
Michelle Dockery kennen wir aus „Downton Abbey“. Sie hat sich bisher (soweit wir wissen) auch noch keines Verbrechens schuldig gemacht. Allerdings kann man ihre Darstellung der mit Abstand dümmsten Strafvollzugsbeamtin der Filmgeschichte schon fast als sexistischen Witz betrachten. Wenn diese Madolyn in einer der gefährlichsten Situationen ihrer Karriere komplett vergisst, dass sich irgendwo an Bord des Flugzeugs ein tödliches Messer befindet und dann noch nicht einmal bemerkt, wie ihr ein mit Handschellen gefesselter, gefährlicher Gefangener die Sonnenbrille abnimmt, sind das nur zwei von vielen strohdummen Fehlern der Beamtin. An der Darstellung einer solchen Figur wären sehr viel bessere Schauspielerinnen als Frau Dockery gescheitert.