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Kritik: The Alto Knights

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Autor: Walter Hummer
 
Für alle Filmfans, die vielleicht meinen, ein Film, in dem Robert De Niro einen Mafiosi spielt, sei ja nun wirklich nichts Neues, hält der neue Film von Barry Levinson eine ganz besondere Überraschung bereit …
 
Times have changed, …
 
New York City in den 1950er Jahren: Frank Costello (dargestellt von Robert De Niro, in einer ungewohnten Rolle als Gangster) kontrolliert die New Yorker Familien. Aber Vito Genovese (aus irgendeinem Grund ebenfalls dargestellt von Robert De Niro), eben zurückgekehrt aus dem italienischen Exil in dem er den zweiten Weltkrieg verbracht hat, meint ein Recht auf Costellos Position zu haben. Es kommt zu Konflikten, Attentaten, Verrat, … und kommt uns das nicht alles irgendwie bekannt vor?
 
Wie muss man sich den Ablauf des „pitch meetings“ vorstellen, in dem die Produktion von „The Alto Knights“ beschlossen wurde?
 
„Hey, ich habe eine Idee! Wir probieren einmal etwas ganz Neues und drehen einen Gangster-Film mit Robert De Niro.“
 
„Hat es das nicht schon mal gegeben? Vor mehr als 50 Jahren? „Mean Streets“ von Martin Scorsese?”
 
„Diesmal machen wir alles anders. Wir lassen De Niro einen einflussreichen Mafia-Boss spielen.“
 
„Das klingt jetzt aber ein kleines bisschen nach „Der Pate – Teil 2“.
 
 
„Ja, aber wir lassen das Ganze über einen längeren Zeitraum spielen. Wir sehen De Niros Figur als jungen Mann und dann auch noch als älteren Mann.“
 
„So wie in „Es war einmal in Amerika“?“
 
„Nein. Denn diesmal ist es „based on true events“. De Niro spielt einen Mafia-Boss, den es tatsächlich gegeben hat.“
 
„So wie damals, als er Al Capone in „The Untouchables“ gespielt hat?“
 
„Überhaupt nicht. Diesmal will der von De Niro gespielte Boss aus der Mafia aussteigen.“
 
„Wie in „Reine Nervensache“?“
 
„Nein, ich sagte doch, wir machen etwas ganz Neues. Also zeigen wir das echte Leben in der Mafia, mit allen Verwicklungen und Problemen.“
 
„Ah, wie in „Good Fellas”?”
 
“Wir gehen noch weiter. Wir zeigen auch die finanziellen Verwicklungen und politischen Verbindungen und all das.“
 
„Also wie in „Casino“?“
 
„Ähm, …diesmal verfremden wir De Niros Gesicht.“
 
„Wie in „The Irishman“?“
 
„In „The Irishman“ wurde das mit Computertechnik gemacht, um ihn jünger aussehen zu lassen. Diesmal arbeiten wir mit Makeup. Und zwar grund- und sinnlos. Außerdem spielt De Niro einen Gangster vor historischen Hintergrund.“
 
„Wie zuletzt in „Killers of the Flower Moon“?“
 
01 ©2025 Warner Bros Pictures02 ©2025 Warner Bros Pictures03 ©2025 Warner Bros Pictures04 ©2025 Warner Bros Pictures
 
“Nein, das war ja unter der Regie von Martin Scorsese. Diesmal spielt De Niro unter ganz anderer Regie. Auch da brauchen wir jemand Neuen. Wie wäre es mit Barry Levinson? Der Mann ist frisch und unverbraucht, gerade mal 83 Jahre jung …“
 
„… und De Niro hat erst viermal mit ihm zusammengearbeitet, zum ersten Mal vor kaum dreißig Jahren.“
 
„Genau! Und De Niro hat unter Levinsons Regie noch nie einen Mafia-Boss gespielt! Ha! Das ist neu! Und damit nicht genug! Das Drehbuch schreibt ein echter Experte, Nicholas Pileggi!“
 
„Etwa der Nicholas Pileggi, der auch schon die Drehbücher für „Good Fellas“ und „Casino“ geschrieben hat? Zwei der bekanntesten Filme, in denen De Niro Mafiosi gespielt hat? Was genau soll daran denn „neu“ sein?“
 
„Diesmal machen wir alles anders, … ähm, … wir machen, … wir lassen, … also De Niro wird, … pfh, … also das Neue ist, … das Neue wird sein, … womit keiner gerechnet hat, … womit keiner rechnen konnte, … ja, … oder nein, … oder doch, … Moment, ich hab’s! Diesmal lassen wir Robert De Niro eine Doppelrolle spielen! Genau! Robert De Niro spielt nicht einen Mafia-Boss. Nein, er spielt zwei Mafia-Bosse! Wenn das nicht neu ist, dann weiß ich auch nicht.“
 
So oder so ähnlich darf man sich das wohl vorstellen. Denn die von Robert De Niro übernommene Doppelrolle ist wirklich das einzig Neue oder sonstwie Besondere an diesem etwas behäbigen, recht altmodischen Film über historische Konflikte in der Mafia. Und um ehrlich zu sein, hat dieser „casting stunt“ etwas von einer Zirkusnummer, die um ihrer selbst willen spektakulär ist, aber mit dem Rest der Show praktisch nichts zu tun hat.
 
Es gibt in der Filmgeschichte großartige Beispiele für Doppel- oder Mehrfachrollen. Christopher Nolans „The Prestige“ enthält gleich zwei der besten dieser Beispiele, die für die Handlung und das Funktionieren des Films unerlässlich sind. Ein weiteres wäre Nicolas Cage in „Adaption“. Das bekannteste wäre vielleicht Charlie Chaplin in „Der große Diktator“. Aber auch die doppelte Lindsay Lohan in „Ein Zwilling kommt selten allein“ wäre ein weiteres Beispiel für eine gelungene Doppelrolle, die den Film bereichert hat. Aber der doppelte Robert De Niro in „The Alto Knights“ ist eine Skurrilität, vergleichbar mit dem dreifachen Cheech Marin in „From Dusk Till Dawn“ oder dem vielfachen Eddie Murphy in … viel zu vielen seiner Filme. Ernsthaft, Eddie Murphy wird nicht witziger wenn er mehrere Rollen spielt. Er sollte dringend damit aufhören.
 
And we’ve often rewound the clock, …
 
Zurück zum Thema: Die Doppelrolle in „The Alto Knights“ ergibt keinen rechten Sinn. Frank Costello und Vito Genovese waren keine Brüder, sie sahen einander nicht besonders ähnlich. Sie sind auch, anders als im Film gezeigt, nicht gemeinsam aufgewachsen (Genovese kam erst mit 15 Jahren in die USA, als Costello bereits 21 war). Sie waren also keineswegs als zwei Seiten der gleichen Münze zu betrachten oder was es sonst noch für Gründe für eine solche Doppelrolle geben könnte.
 
Die Doppelrolle funktioniert auch nicht richtig, weil der über achtzigjährige De Niro, den um die Sechzig Jahre alten Frank Costello mit gefärbten Haar spielt, was ihn noch älter aussehen lässt, während er Vito Genovese, der zur Zeit der Haupthandlung in seinen Fünfzigern war, mit schrägem Makeup spielt, das ihn ein bisschen wie einen schlecht getarnten Außerirdischen aussehen lässt. John Hurt war in “Der Elefantenmensch” besser zu erkennen als Robert De Niro unter der Maske des Vito Genovese in „The Alto Knights“.
 
Das macht aber gar nichts, weil De Niro als Vito Genovese ohnehin keine vollwertige Figur und ganz sicher keinen echten Menschen darstellt, sondern einfach nur die Chargenrolle eines jähzornigen, brutalen Mafioso. Als Frank Costello spielt er dafür einen intelligenten, kalkuliert vorgehenden Mafioso. Obwohl Robert De Niro praktisch jede einzelne Szene aus dem Off kommentiert, als könnten wir nicht sehen was auf der Leinwand passiert, lernen wir keinen der beiden Charaktere wirklich kennen.
 
Das mag die erfahrenen Filmfans überraschen. Wie bereits erwähnt, hat Nicholas Pileggi die Drehbücher sowohl zu „Good Fellas“ als auch zu „Casino“ verfasst. In diesen zwei Meisterwerken lernten wir alle wichtigen Figuren als echte Menschen kennen und konnten nachvollziehen, was sie um- und antreibt. In „The Alto Knights” lernen wir nicht einmal die Hauptfiguren richtig kennen. Neben dem jähzornigen Mafioso und dem intelligenten Mafioso gibt es hier die dumme Frau des jähzornigen Mafioso, die schlaue Frau des intelligenten Mafioso, den alten Mafioso, den jungen Mafioso, den fetten Mafioso, den weniger fetten Mafioso, … aber keinen einzigen echten Menschen.
 
Inszeniert wurde das Ganze von Barry Levinson, dessen Erstling „Diner“ frisch und witzig war. Sein „Tin Men“ war ebenso lustig wie traurig. Für „Rain Man“ erhielt Levinson einen Oscar. Aber all das liegt Jahrzehnte zurück. Vor bald dreißig Jahren zeigte Levinson mit „Sphere“ das man auch nach einer Vorlage von Michael Crichton einen stinklangweiligen Film drehen kann. „Banditen“ war eine Komödie, die kaum jemals witzig war. „Rock the Kasbah“ mit Stars wie Bill Murray, Bruce Willis und Zooey Deschanel hat von seinen 15 Millionen Dollar Produktionskosten gerade mal 3 Millionen eingespielt und irgendwie muss man sich schon fragen, wie man bei Warner Brothers auf die Idee kommen konnte, 110 Millionen für einen komplett altmodischen Gangsterfilm locker zu machen.
 
Die Ausstattung des Films ist wirklich sehr gut. Kameramann Dante Spinotti („Heat“, „L.A. Confidential“) zeigt stimmungsvolle Bilder. Nach 110 Millionen Dollar sieht der Film aber dann doch nicht aus. Ganz allgemein ist „The Alto Knights” kein wirklich schlechter Film. Hätte Levinson diesen Film vor fünfunddreißig oder vierzig Jahren gedreht, wäre er sicher etwas ganz besonderes gewesen. Leider haben wir in den letzten Jahrzehnten sehr viel bessere Gangsterfilme gesehen. Nicht wenige davon sogar mit Robert De Niro in der Hauptrolle.
 
Fazit
 
Ein doppelter Robert De Niro mag eine filmhistorische Besonderheit sein und durchaus einen gewissen skurrilen Reiz haben. Doppelt so gut wird der Film dadurch nicht. Da hätten ein interessanteres Drehbuch, lebendigere Figuren und eine inspirierte Regie viel mehr geholfen.
 
 
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