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Kritik: Ezra - Eine Familiengeschichte

sub kritik
 
Autor: Christopher Diekhaus
 
Der Titel täuscht ein wenig. Nicht der autistische Ezra steht im Mittelpunkt von Tony Goldwyns neuer Regiearbeit, sondern sein Vater Max, der Ordnung in sein Leben bringen und die Haltung zu seinem Sohn überdenken muss.
 
Wutausbruch mit Folgen
 
Im Alltagstrott ist es schwer, sich und sein Handeln ausgiebig zu reflektieren. Erst ein Ausbruch aus den gewohnten Verhältnissen ermöglicht eine klare Sicht und bringt echte Selbsterkenntnisse hervor. So jedenfalls schildert es das Genre des Roadmovies, das im US-Kino eine lange Tradition hat. Dieser Idee folgt auch die Tragikomödie „Ezra – Eine Familiengeschichte“, die einen überforderten, cholerischen Vater und dessen autistisches Kind auf Reisen schickt. Das Besondere dabei: Nicht nur Drehbuchautor Tony Spiridakis schöpft aus eigenen Erfahrungen mit einem Sohn im Autismus-Spektrum.
 
Auch Jungschauspieler William A. Fitzgerald ist ein Betroffener. Ebenso wie Nebendarsteller Robert De Niro, der zusagte, weil eines seiner Kinder autistisch ist. Im Zentrum der Handlung steht der um Anerkennung kämpfende Stand-up-Comedian Max (Bobby Cannavale), der seine persönlichen Erlebnisse immer wieder in seine Bühnenauftritte einbaut – und damit nicht gerade große Begeisterung entfacht. Die Trennung von seiner Ex-Frau Jenna (Rose Byrne) hat er noch nicht ganz verwunden. Und ständig kriegen sich die beiden über den Umgang mit Ezra (Fitzgerald) in die Haare. Als dem Jungen nach einem Unfall selbstgefährdende Tendenzen attestiert werden und er fortan starke Medikamente zu sich nehmen soll, platzt dem leicht reizbaren Max der Kragen.
 
 
Sein Ausbruch gegenüber einem Arzt hat zur Folge, dass er seinen Sohn drei Monate lang nicht kontaktieren darf. Alles andere als einfach, wo der Elfjährige doch gerade auf eine Förderschule wechselt. Weil Max ihn dort verloren glaubt, schnappt er sich kurzerhand das Auto seines Vaters Stan (De Niro) und braust mit seinem Kind davon. Besorgt schaltet Jenna die Polizei ein. „Ezra – Eine Familiengeschichte“ ist einer dieser Filme, bei denen die Wahl des Hauptdarstellers wie die Faust aufs Auge passt. Bobby Cannavale, der in seine Rollen des Öfteren eine gewisse Rotzigkeit einbringt, nimmt man den chaotischen Hallodri, der sich seinen Problemen nicht wirklich stellen will, sofort ab.
 
Auch das Zusammenspiel mit dem autistischen Newcomer William A. Fitzgerald funktioniert und sorgt für einige leise berührende Szenen. Den Part des grumpy old man, den Hollywood-Legende Robert De Niro in den letzten Jahren schon mehrfach gegeben hat, füllt der Oscar-Preisträger abermals routiniert aus. Allerdings bleibt die Zeichnung seiner Figur etwas klischeehaft.
 
Krampfhafte Humorausflüge
 
Die guten Absichten der Macher rund um Regisseur Tony Goldwyn (taucht auch als Jennas neuer Partner Bruce auf) und Drehbuchautor Tony Spiridakis sind zu spüren. Möglichst authentisch möchten sie von einer Familie mit Autismus-Erfahrung erzählen. In seinen besten Augenblicken gelingt das dem Film ganz gut, illustriert er, vor welchen Schwierigkeiten Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) stehen und welche Herausforderungen auf Angehörige warten. Leider wird aber auch immer wieder der dicke Pinsel geschwungen, kommt es zu drastischen Vereinfachungen, die das Thema verwässern.
 
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Was am meisten irritiert: Wie unbekümmert „Ezra – Eine Familiengeschichte“ Max‘ egoistisches und verantwortungsloses Handeln positiv umdeutet. Bei Licht betrachtet haben wir es hier mit einem Entführer zu tun, der seinen Sohn potenziellen Gefahren aussetzt. Bezeichnenderweise wird Jennas Vorgehen mehrfach kritisiert, vor allem von Stan, der offenbar allein ihr die Schuld am Scheitern der Beziehung gibt. Dass sie angesichts Ezras Entwicklungsstörung die Behörden informiert, ist eigentlich nur zu verständlich. Und doch wird sie diesen Schritt am Ende selbst als Fehler bezeichnen, womit ihr Ex noch einmal „entlastet“ wird.
 
Ein gutes Stück an emotionaler Wirkung geht überdies verloren, weil die Reise so manchen seltsamen Abstecher macht und einige Ideen allenfalls formelhaft abhandelt. Hier und da – ein Beispiel: Jennas und Stans Besuch bei Max‘ altem Kumpel Nick (Rainn Wilson) – wirken komische Einschübe arg bemüht. Und ein Moment wie die erwartbare Aussprache zwischen Max und seinem ähnlich jähzornigen Vater ergibt sich nicht auf natürliche Weise aus dem Geschehen, sondern ist Ausdruck dramaturgischer Konventionen. Es muss halt sein, es gehört dazu. Genauso fühlt sich die Szene dann auch an. Mit Blick auf das schauspielerische Engagement wäre der Tragikomödie ein besseres Drehbuch zu wünschen gewesen.
 
Fazit
 
Größtenteils gut gespielt, zuweilen angemessen feinfühlig, mitunter jedoch zu sehr den Holzhammer schwingend, ist „Ezra – Eine Familiengeschichte“ weder eine handfeste Enttäuschung noch eine große Offenbarung. Kann man schauen, muss man aber nicht.
 
 
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