*** Heilstätten ***

 
hst kritik
 
Autor: Christopher Diekhaus
In Michael David Pates Horrorthriller „Heilstätten“ trifft „The Blair Witch Project“, die Mutter aller Found-Footage-Schocker, auf die YouTube-Generation. Konstant starken Nervenkitzel produziert diese Kombination leider nicht.
 
Wer hat keine Angst?
 
Gruselstoffe aus deutschen Landen haben einen schweren Stand, können sich an den Kinokassen oftmals nicht behaupten und versinken meistens schnell in der Bedeutungslosigkeit. Umso erfreulicher ist das entschlossene Bestreben des Produzenten Till Schmerbeck, dem Publikum Horror aus heimischen Gefilden endlich wieder schmackhafter zu machen. Zusammengetan hat er sich dafür mit dem Regisseur Michael David Pate, der zuletzt die qualitativ fragwürdige Zombiekomödie „Kartoffelsalat“ auf die große Leinwand brachte. Dass ausgerechnet das inzwischen recht ausgelutschte Found-Footage-Format für die Auffrischung gewählt wurde, ließ allerdings schon im Vorfeld einige Zweifel aufkommen. Kann es 20 Jahre nach „The Blair Witch Project“ wirklich gelingen, den Zuschauer mit pseudodokumentarischen Wackelbildern zu überraschen? Einen modernen Dreh verpassen Schmerbeck und Pate ihrem Horrorthriller „Heilstätten“ immerhin, indem sie die Protagonisten als aufmerksamkeitsgeile YouTube-Stars auf der Suche nach neuen Kicks und möglichst vielen Followern zeichnen.
 

 
Charly (Emilio Sakraya) und Finn (Timmi Trinks) betreiben einen unter Teenagern äußerst beliebten Prank-Blog und duellieren sich gerne mit der Beauty-Expertin Betty (Nilam Farooq), die ihrerseits viele Anhänger hinter sich schart. Gemeinsam mit der ebenfalls onlinebegeisterten Emma (Lisa-Marie Koroll) wollen sich die drei YouTube-Größen einer besonders spannenden Herausforderung stellen und 24 Stunden in einer verlassenen Heilanstalt vor der Toren Berlins verbringen, in der es paranormale Erscheinungen geben soll. Wer zuerst die Segel streicht, verliert die Challenge. Begleitet wird das Quartett von Finns altem Kumpel Theo (Tim Oliver Schultz), der den Klinikkomplex wie seine Westentasche kennt. Kurz nach ihrer Ankunft steht plötzlich auch Theos Ex-Freundin Marnie (Sonja Gerhardt) – eine weitere YouTuberin – auf der Matte, die bei einem früheren Besuch in den Heilstätten angeblich einen Geist gesehen hat und sich nun ihrer Angst stellen will. Dass es keine gute Idee war, das verfallene Sanatorium aufzusuchen, erkennen die anfangs ausgelassenen Jugendlichen viel zu spät.
 
Wenig innovativ
 
Recht überzeugend fängt Pate das teilweise hyperaktive, betont lässige Gebaren der jungen Videoblogger ein und nimmt dabei auch in Kauf, dass ihre vermeintlich coole Sprache auf Dauer die Nerven mancher Zuschauer strapazieren könnte. Besonders aufgekratzt präsentieren sich die beiden Prankster Charly und Finn, denen offenkundig keine Mutprobe zu respektlos ist. Unverhohlen stellt „Heilstätten“ die Sucht nach Anerkennung und den reißerischen Kampf um neue Fans und Likes heraus, den man auf YouTube erschreckenderweise immer wieder beobachten kann. Ohne Hemmungen und den Willen, das eigene Auftreten zu reflektieren, suhlen sich nicht wenige Internet-Influencer in ihrer Selbstdarstellung und leben ihren Fans eine äußerst fragwürdige Haltung vor. Dass der Spukhausstreifen den Finger in die Wunde legt und die Online-Auswüchse offen anspricht, ist absolut begrüßenswert. Manchmal hätte Pates Drehbuch, das auf einer Vorlage von Ecki Ziedrich basiert, allerdings den Holzhammer weglassen sollen.
 
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Spannungs- und gruseltechnisch dümpelt das Geschehen trotz eines angemessen schaurigen Settings (spielen soll der Film in den Beelitz-Heilstätten, gedreht wurde jedoch in der einstigen Lungenklinik Grabowsee) lange Zeit eher unspektakulär vor sich hin. Junge Menschen, die durch dunkle Gänge stolpern. Bedeutungsschwangere Hinweise auf die düstere Vergangenheit des Schauplatzes. Streitereien und Gekeife. Schatten, die im Bildhintergrund zu sehen sind. Und gelegentliche, aber nur selten aufregende Schockeffekte. Pate spult das Standardprogramm des Genres ab, ohne dabei besonders einprägsame Ideen aus dem Hut zu zaubern, und treibt die Lust, vollauf mitzufiebern, auf diese Weise nicht gerade in schwindelerregende Höhen.
 
Richtig packend und ungemütlich wird es erst im letzten Akt, der einen kleinen bösen Twist und einige blutige Gemeinheiten in petto hat. Verglichen mit der ersten Stunde erreicht „Heilstätten“ hier eine beachtliche Intensität und bringt es endlich fertig, den Betrachter etwas zu verstören. Auch wenn der unerwartete Dreh ins Abgründig-Perfide Wirkung zeigt und den Gesamteindruck durchaus aufwertet, bietet Pates Found-Footag-YouTube-Kreuzung unter dem Strich zu wenig, um als starker Genrebeitrag in Erinnerung zu bleiben.
 
Fazit
 
Der Versuch, einen nervenaufreibenden Horrorthriller mit brandaktuellen Bezügen zu kreieren, führt bedauerlicherweise zu einem höchst durchschnittlichen Angsttrip.
 
 
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