***Filmtipp***

 otb tipp
 
Autor: Sascha Fersch
 
IM KINO: Outside the Box!!
 
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Outside the Box zeigt erschreckend authentische Momentaufnahmen der absurden Mechanismen und Anforderungen an den heutigen Arbeitnehmer. Das Ganze wird mit einer gehörigen Portion Klamauk garniert und fertig ist die unterhaltsame Kapitalismuskritik für Anfänger.
 
Eine turbulente Satire auf die neokapitalistische Arbeitswelt
 
Wer Freunde im Consulting Business hat, hat vielleicht eine Ahnung, wie Gewinnmaximierung und Ausgabenkürzungen in möglichst schicke Worte verpackt werden um möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Das bei diesem Vorgehen der einzelne Mensch eher am Rand der Überlegungen steht, gilt im modernen Kapitalismus sogar als schick. Es ist eindeutig ein Teil des Wettbewerbs und damit ein Zeichen von Stärke, seine Mitmenschen möglichst zum eigenen Vorteil zu missbrauchen.
 
Ausgehend von dieser Prämisse hat sich unlängst eine Kultur von Assessment-Centern und ständiger Evaluation in der Wirtschaft etabliert, die stets darauf Bedacht ist den Wettbewerbern ein kompetitives Umfeld zu bieten. Dieser geschwollene Ton herrscht auch in der Consulting-Firma Bickstein, deren vier Berater glauben, an einer Teambuilding-Maßnahme teilzunehmen. Sie werden jedoch zunächst im Wald ausgesetzt und landen unvermittelt in einem Survival-Camp. Als sie dann auch noch gekidnappt werden, bricht vollends der Wahnsinn aus.
 
Auch hinter den Kulissen läuft einiges schief, und die Abgründe der modernen Arbeitswelt werden facettenreich dargestellt. Ein überforderter Firmenpsychologe, eine entschlossene Personalerin, ein unsympathischer Chef, ein junger Praktikant und eine Meute gelangweilter oder skeptischer Pressevertreter sind alle Zeuge dieses etwas zweifelhaften Experiments. Zwei Schauspieler mit Geldsorgen und vier Consultants geben sich vor ihren Augen beste Mühe, die Tribute von Panem nachzuspielen, inklusive aller Intrigen, verbaler und körperlicher Gewalt.
 
 
 
 
Reality-TV trifft auf Survival-Show und eine Prise deutsche Comedy
 
Obwohl der Film sehr erfolgreich auf dem Filmfest München gezeigt wurde und durchaus einen kritischen Unterton hat, bleibt gerade in der Bildsprache (Kamera: Markus Eckert) ein seltsam fader Beigeschmack, wenn die dokumentarischen „Live“-Bilder der installierten Kameras neben der Hochglanzoptik der „Realität“ stehen. Die Ästhetik verweist zu stark auf hierzulande erfolgreiche Fernsehformate im Nachmittagsprogramm und raubt dem Film von Anfang an die Authentizität.

Auch wenn sich danach durchaus schöne Momente ergeben, kann sich der Film oft nicht entscheiden welche Tonalität er nun für sich beansprucht. Mal wähnt man sich bei einer klassischen romantischen Komödie und wartet insgeheim nur noch auf Elias M.Barek, dann wiederum wundert man sich ob das Dschungelcamp nun seit neuestem im Kino übertragen wird. Auch die zwei parallelen Blickwinkel tragen zu der fragmentierten Seherfahrung bei. Es fühlt sich einfach nicht homogen an.
 
Beide Handlungsstränge funktionieren für sich genommen, aber zusammen nehmen sie sich gegenseitig den Wind aus den Segeln. Die Abenteuer-Survival-Geschichte ist auf die Dauer zu spannungsarm und die Komödie im Kontrollraum bzw. dem herrschaftlichen Anwesen hat zu wenig Raum um ernsthaft das Potential der Figuren zu erkunden. Hier hätte man sich schlicht mutigere Entscheidungen gewünscht (Regie: Philip Koch), was Bildästhetik und Dramaturgie des Filmes betrifft.
 
 
 
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Am Ende wird alles gut und trotzdem bleibt alles wie es immer war
 
Das größte Problem des Films zeigt sich gegen Ende, denn wenn es gilt die Lehren aus den bewältigten Abenteuern zu ziehen, zeigen die Helden und damit auch die Filmemacher wenig Aussicht auf Besserung. Es wird tunlichst vermieden, eindeutig Stellung zu beziehen gegen die Auswüchse des modernen Kapitalismus. So sehr der Film sich in konstruierten Szenarien und eher unrealistischen Situationen versucht, so wenig will er eine Utopie konstruieren die mit dem Big Business mal ordentlich abrechnet.
 
Somit bleibt beim Zuschauer eine existentielle Leere zurück und die traurige Tatsache, dass die schöne neue Welt nicht aufzuhalten ist. Vielmehr scheint das Streben nach Erfolg und Geld die einzige erfolgreiche Strategie zu sein, ein möglicher Plan B wird schnell verworfen. Nächstenliebe und moralische Integrität sind nur Social Skills im Rahmen von Team-Building Maßnahmen auf dem Weg die Karriereleiter empor. Der Kreis schließt sich, am Ende hat keiner was gelernt und alle trinken sich glücklich in den Feierabend.
 
 
 
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Wer sich nicht an diesem fatalistischen Ansatz stört und vielleicht sogar selbst die harte Realität der Consulting-Branche kennt, sieht sich in diesem Film gespiegelt und wird bestenfalls mit vielen Insider-Gags unterhalten. Alle anderen müssen sich fragen ob es für die Menschheit eine Rettung gibt, oder ob man einfach im leeren Kinosaal darauf wartet, dass die Welt endlich untergeht.
 
Die dritte Alternative wäre ein Besuch im Theater, denn das Stück die Grönholm-Methode behandelt das gleiche Thema mit etwas mehr Tiefgang und außerdem kann man so auch mal wieder arme Schauspieler richtig „Live“ bei der Arbeit beobachten.