***Filmtipp***

k44 tipp
  
Autor: Concorde Film
 
IM KINO: Kind 44!!
 
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"Kind 44" ist ein aufwendig produzierter historischer Thriller über Macht, Liebe, Verrat und Mord, dessen dramatische Geschichte lose mit den Verbrechen des in der Ukraine geborenen Serienmörders Andrei Romanowitsch Tschikatilo verknüpft ist.
 
Tschikatilo, der als „Ripper von Rostow“ in die Kriminalgeschichte einging, ermordete und verstümmelte in der Umgebung der südrussischen Metropole Rostow zwischen 1978 und 1990 52 Frauen und Kinder, wurde zum Tode verurteilt und 1994 hingerichtet. Inspiriert von diesem authentischen, entsetzlichen Kriminalfall, entwickelte der britische Schriftsteller Tom Rob Smith seinen gleichnamigen Romanbestseller, der 2008 erschienen ist und bei Lesern und Kritikern durchschlagenden Erfolgen hatte.
 
„Kind 44“ („Child 44“) wurde in 26 Sprachen übersetzt, mit dem prestigeträchtigen Ian Fleming Steel Dagger Award ausgezeichnet, den die britische Crime Writers Association (CWA) vergibt, und eröffnete eine Roman-Trilogie, die Tom Rob Smith 2009 mit „Kolyma“ („The Secret Speech“) und 2011 mit „Agent 6“ („Agent 6“) fortsetzte.
 
„Das Großartige an Kriminalromanen und Geschichten über polizeiliche Ermittlungen ist, dass man durch sie eine Menge über die Gesellschaft des Landes erfährt, in dem diese Geschichten spielen“, erläutert Tom Rob Smith. „Wenn man eine fremde Welt verstehen will, muss man sich nur ansehen, wie die Polizei in diesem Land arbeitet und operiert.
 
 
 
 
Vom Buch zum Film
 
Zu den Bewunderern des Romans gehörte auch der dreimal für den Regie-Oscar® nominierte Filmemacher Ridley Scott, dessen Hit GLADIATOR („Gladiator“, 2000) unter anderem mit dem Oscar® als „Bester Film“ ausgezeichnet worden war. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Romans, dessen facettenreiche Charakterzeichnung und episches Erzählformat Scott elektrisierten, traf sich der Regieveteran im Londoner Büro seiner Produktionsfirma mit dem Schriftsteller.
 
„Das Ganze war schon etwas surreal“, erinnert sich Smith. „Nachdem ich ursprünglich befürchtet hatte, dass mein Roman nicht einmal veröffentlicht werden würde, saß ich nun im Büro von Ridley Scott, in unmittelbarer Nähe zu einem Schwert aus „Gladiator“ und einer anderen Requisite aus ALIEN - DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT („Alien“, 1997), und unterhielt mich mit ihm über eine mögliche Verfilmung. Und Ridley steckte voller unglaublicher Ideen für das Projekt.“
 
Zunächst hatte Scott geplant, KIND 44 selbst zu inszenieren. Dann sah er EASY MONEY - SPÜR DIE ANGST („Snabba Cash“, 2010), einen Thriller von Daniel Espinosa, der in der schwedischen Heimat des Regisseurs Kassenrekorde gebrochen hatte, sich 2010 nur James Camerons AVATAR - AUFBRUCH NACH PANDORA („Avatar“, 2009) geschlagen geben musste und bis heute einer der erfolgreichsten schwedischen Filme aller Zeiten ist. Mit seinen einfallsreich inszenierten Actionsequenzen und seinem stilvoll elegantem Schnitt beeindruckte Espinosas Durchbruch auch Ridley Scott sehr. „Ridley mochte den Film und lud mich zum Abendessen ein“, blickt Espinosa zurück.
 
„Es war unglaublich aufregend, überhaupt die Gelegenheit zu haben, sich mit einem Meisterregisseur wie Ridley Scott über Filme und Kino unterhalten zu können. Dann sprachen wir auch über den Roman „Kind 44“, den ich zu diesem Zeitpunkt bereits gelesen hatte. Ich sagte ihm, was ich von dem Buch hielt, und dann bot mir Ridley an, den Film zu inszenieren, den er selbst produzieren wollte. Das war für mich schon ein sehr cooler Moment.“
 
 
 
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Ein ungewöhnlicher Held

Um eine Geschichte von so eindrucksvoller historischer Bandbreite dramaturgisch zu verankern, brauchten die Filmemacher einen Schauspieler, der die emotionalen und physischen Anforderungen des Drehbuchs erfüllen konnte – von ruhigen, bedeutsamen Momenten bis hin zu brutalen Actionsequenzen. Dieser Idealkandidat musste auf subtile Weise den inneren Konflikt des Protagonisten zum Ausdruck bringen können, der sich verzweifelt bemüht und mit sich selbst ringt, um in einer unmenschlichen Situation seine Menschlichkeit zu finden.

Die Wahl fiel schließlich auf den Briten Tom Hardy, der die Rolle von Leo Demidow übernahm. Hardy gilt als einer der charismatischsten und besten Schauspieler seiner Generation. Er beeindruckte das internationale Publikum erstmals mit seiner Darstellung eines gewalttätigen Häftlings in BRONSON („Bronson“, 2008), bevor er mit seinem Porträt von Bane, dem zentralen, bösartigen Gegenspieler Batmans in THE DARK KNIGHT RISES („The Dark Knight Rises“, 2012) seinen Durchbruch feierte. Zuletzt wurde Hardy von Zuschauern wie auch Kritikern für seine darstellerische Leistung in THE DROP - BARGELD („The Drop“, 2014) gelobt.

„Ich bewundere Tom Hardys Arbeit schon seit vielen Jahren“, gibt Daniel Espinosa zu. „Er gehört zu diesen enorm talentierten und engagierten Schauspielern, die in jeder Rolle völlig aufgehen, sodass man auf der Leinwand nur noch die Figur sieht und den Schauspieler dahinter völlig vergisst. Ich war begeistert, als er die Rolle übernahm – nicht nur, weil er im Moment gefragt wie kaum ein anderer Schauspieler ist, sondern auch, weil ich genau wusste, dass er in die Rolle Intensität und Aufrichtigkeit einbringen konnte und damit den ganzen Film vorantreiben würde.“

Was Hardy an dem Projekt vor allem reizte, war die moralische Komplexität seiner Figur, aber auch des Drehbuchs insgesamt. „Mich sprach diese Geschichte einfach an, gleichzeitig aber auch das Team, das sie auf die Leinwand bringen wollte“, erklärt Hardy. „Ich hatte mit der Produktionsfirma Lionsgate bereits bei WARRIOR („Warrior“, 2011) zusammengearbeitet, und das war für mich eine großartige Erfahrung. In der Geschichte von KIND 44 gibt es viel Action, aber erzählt wird eben auch ein historisches Drama. Das ist vertrautes, trotzdem aber spannendes Territorium für mich, geprägt von einem Naturalismus, den die Charaktere bestimmen.“

Vor und während der Dreharbeiten von KIND 44 bestätigte Hardy seinen Ruf, sich akribisch auf eine Rolle vorzubereiten und sie dann mit großer Intensität zu spielen. „Tom hatte bereits am ersten Drehtag ein genaue Vorstellung davon, wer Leo war und was ihn ausmachte“, erinnert sich Espinosa. „Er konnte mit subtilstem mimischen Ausdruck die verborgenen Gefühle und Unsicherheiten eines Mannes wiedergeben, der sein ganzes Leben darauf gedrillt worden war, keine Gefühle oder Verunsicherung zu zeigen und der in einer Gesellschaft lebte, in der Aufrichtigkeit den Tod bedeuten kann.“

Hardy war auch begeistert davon, wieder mit Noomi Rapace zu arbeiten, mit der er bereits für THE DROP - BARGELD vor der Kamera gestanden hatte. „Noomi ist die Art von Schauspielerin, die für sich ein Projekt entdeckt und dann alles gibt, um es auch verwirklichen zu können“, schwärmt Hardy von seiner schwedischen Kollegin, die in KIND 44 seine Ehefrau Raisa verkörpert. „Wenn sie auf dem Set steht, gibt sie 110 Prozent, um ihre Rolle mit Leben zu erfüllen. Sie ist eine der besten Schauspielerinnen, die ich kenne. Wenn mir ein Projekt angeboten wird, dem sich Noomi bereits angeschlossen hat, kann ich dieses unmöglich ignorieren, muss ich es absolut ernst nehmen. Schließlich weiß ich genau, dass sie diese Arbeit genauso liebt wie ich. Sie hat mit Daniel Espinosa für KIND 44 eine Beziehung aufgebaut und dann fortwährend Druck gemacht, sich selbst immer wieder angetrieben, damit diese ihre Wirkung auch voll entfalten kann.“

„Dieser Film erzählt eine komplexe Geschichte“, fährt Tom Hardy in seinen Ausführungen fort. „Im Mittelpunkt steht ein Mann, der für den MGB arbeitet und ein Kriegsheld war. Ein Mann, der sich als Waisenkind durchschlagen musste, dann zu einem Aushängeschild des stalinistischen Russlands und schließlich auch des kommunistischen Systems im Allgemeinen wurde. Ein Mann, der dann erfahren muss, wie dieses ihn im Stich lässt und bitter enttäuscht. Er wird gezwungen, den Mord am Sohn seines besten Freundes zu verleugnen und zu vertuschen – und muss dann der Tatsache ins Auge sehen, dass Raisa, die Frau, die er von ganzem Herzen liebt, diese Liebe nicht erwidert. Er muss der Tatsache ins Auge sehen, dass er von den Menschen, die ihm wirklich etwas bedeuten, als Monster angesehen wird. Doch ändern kann er daran nichts in einem politischen System, in dem er nicht nur lebt, sondern als Mitglied des Geheimdienstes eine Führungsrolle einnimmt.“
 
 
 
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Eine Frau an der Schwelle

Produzent Ridley Scott machte Noomi Rapace mit dem Projekt KIND 44 bekannt, als er ihr in Los Angeles die Hauptrolle in seinem Science-Fiction-Epos PROMETHEUS - DUNKLE ZEICHEN („Prometheus“, 2012) anvertraute. „Ich liebte das Drehbuch und kriegte es nicht mehr aus dem Kopf“, erinnert sich die Schwedin. „Die Liebesgeschichte war so komplex, sie traf einen Nerv bei mir. Ich konnte sie nicht vergessen, weil diese Figur bereits begonnen hatte, in mir zu leben.“

Als Rapace erfuhr, dass Daniel Espinosa als Regisseur verpflichtet worden war, war sie begeistert. „Ich wollte schon so lange mit Daniel arbeiten“, schwärmt die Schauspielerin. „Er ist so wild und unbändig. Daniel ist wie ein Straßenkind, das Gangster- und Actionfilme inszeniert, gleichzeitig ist er ein fantastischer Regisseur, für den es keine Grenzen gibt, der alles kann. Er hat eine alte Seele, und ich fand ihn einfach perfekt als Regisseur für diesen Film.“

Auch die Aussicht, wieder mit Tom Hardy drehen zu können, gefiel Rapace sehr. „Tom und ich verstehen uns sehr gut. An seiner Seite fühle ich mich total sicher. Deshalb konnte ich mich darauf konzentrieren, das Wahrhaftige in einer Szene zu finden und dann zu sehen, wohin es uns führen kann, wenn wir die Wahrheit entdecken. Ich liebe die Zusammenarbeit mit Tom, denn an seiner Seite habe ich das Gefühl, dass ich alles tun kann, dass es keine Grenzen für mich gibt. Er hielt mir immer den Rücken frei.“

Rapaces Darstellung der demütigen Lehrerin Raisa Demidowa ist ein dramatischer Kontrast zu der Rolle, die ihr internationale Aufmerksamkeit bescherte – der knallharten Hauptfigur in 10 VERBLENDUNG („Män som hatar kvinnor“, 2009). Um Raisas Scheu und Ängstlichkeit besser verstehen zu können, stellte sich Rapace die Paranoia vor, die den normalen Bürger in der Zeit des stalinistischen Regimes täglich im Griff hielt. „Raisas Überlebensinstinkt treibt sie dazu, jedes Zimmer, jeden Raum, in dem sie sich befindet, permanent zu scannen, um Möglichkeiten zu finden, um zu verschwinden, sich unsichtbar zu machen, keinesfalls aufzufallen“, beschreibt Rapace ihre Figur. „Man will nicht zu große Aufmerksamkeit erregen, denn das kann gefährlich werden. Raisa hat überlebt, weil sie ihre Gefühle vor anderen stets verborgen und sich nicht gewehrt oder für bestimmte Dinge eingesetzt hat. In ihrem Kopf tobt ein Krieg, aber erzählen kann sie niemandem davon, das wäre zu riskant.“
 
 

Der stalinistische Psychopath

Dem schwedischen Schauspieler Joel Kinnaman, der unter der Regie von Daniel Espinosa bereits im Thriller EASY MONEY - SPÜR DIE ANGST mitgespielt hatte, gefiel die Herausforderung, seine Rolle, den heimtückischen Geheimdienstoffizier Wassili, als dreidimensionale Figur zu entwickeln. „Wassili ist ein gestörter Mensch mit soziopathischen Zügen“, erläutert Kinnaman. „Die Herausforderung bei dieser Rolle bestand darin, einen Kontrast aufzubauen, damit man bei Wassili auch eine Entwicklung zeigen und sehen kann. Daniel und ich erreichten das, indem wir die Beziehung zwischen Leo und Wassili veränderten. Zu Beginn des Films sieht er zu Leo auf und will so sein wie er. Als Leo dann verbannt wird, übernimmt Wassili seine Wohnung, trägt seinen Morgenmantel. Schon immer empfand er viel für Leos Frau Raisa. Er versucht, in jeder Hinsicht Leo zu werden.“

Am Ende des Films ist die ursprüngliche Bewunderung in mörderische Wut umgeschlagen. „Wassili entwickelt sich zu diesem verschlagenen und manipulativen Mann“, ergänzt Joel Kinnaman.

Amerikanische Zuschauer wurden auf den schwedischen Star erstmals aufmerksam, als er mit Slacker-Detective Stephen Holder eine der Hauptrollen in der erfolgreichen Kriminalserie „The Killing“ („The Killing“) übernahm. „Gerade noch stand ich für „The Killing“ vor der Kamera, stieg dann ins Flugzeug und am nächsten Tag war ich schon in Prag“, erinnert sich Kinnaman. „Bis zu meiner Ankunft hatte ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, dass KIND 44 ein historisches Drama war. Als ich dann aber aus dem Flugzeug stieg und zur Einkleidung direkt zum Kostümdepartment fuhr, wurde mir schlagartig bewusst: ‚Das spielt ja in den 1950er Jahren.’ Ich fand es großartig, all diese Kleidungsstücke anzuprobieren, denn dadurch bekommt man ein gutes Gespür für die Zeit. Man kann gewissermaßen zurücktreten und die Klamotten, die Stiefel und die Frisur einen Teil der darstellerischen Arbeit übernehmen lassen.“
 
 
 
Moskau an der Moldau

KIND 44 wurde in 15 Wochen in der Tschechischen Republik gedreht, in den Sommermonaten des Jahres 2013. Alle Szenen, die im Moskau zur Zeit des Kalten Kriegs spielen, entstanden in Prag. Im wunderschönen alten Nationaltheater der tschechischen Hauptstadt sowie im Rudolfinum, einem im Stil der Neorenaissance errichteten Konzerthaus in Prag, kamen die Szenen vor die Kameras, in der die Offizierselite des MGB und deren Ehefrauen eine Aufführung von Tschaikowskis „Schwanensee“, präsentiert vom berühmten Moskauer Bolschoi-Ballett, besuchen. Darüber hinaus ließ Produktionsdesigner Jan Roelfs, der für ORLANDO („Orlando“, 1992) und GATTACA („Gattaca“, 1977) für den Oscar® nominiert wurde, in den berühmten Barrandov Studios in Prag 125 Sets für den Film errichten.

In enger Zusammenarbeit mit Roelfs und dem Filmfonds der Tschechischen Republik versuchte Regisseur Espinosa, Drehgenehmigungen für so viele Originalschauplätze wie möglich zu erhalten, die in die Zeit passten, in der die Geschichte von KIND 44 angesiedelt war. „In Prag und der Tschechischen Republik im Allgemeinen fanden wir die beste Mischung sowjetrussischer Architektur aus den 1950er und 1960er Jahren vor“, erläutert der ausführende Produzent Adam Merims. „Alle Drehorte waren von der Prager Innenstadt nicht weiter als eine Autostunde entfernt, darüber hinaus konnten wir dort auch auf sehr erfahrene Filmcrews zurückgreifen.“
 
 
 
Ein totalitärer Staat und Bewusstseinszustand

Wenn Politik letztendlich immer persönlich ist, dann kann man KIND 44 als abschreckendes, warnendes Beispiel für ein albtraumhaftes historisches Kapitel verstehen. Als Beleg dafür, dass tyrannische politische Strukturen und Systeme grundsätzlich anständige Menschen unterdrücken und ersticken und damit Tragödien auslösen.