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Autor: Manuel Boecker
 
Der Spott-Tölpel wird nun erwachsen: Ausstaffiert wie Johanna von Orléans, instrumentalisiert durch eine umstrittene Rebellenführerin und innerlich zwischen zwei Männer zerrissen schüttelt Katniss in „Mockingjay Teil 2“ alle Ketten ab, verlässt die dunklen Schächte des Untergrunds und reizt Diktator Snow bis aufs Blut.
 
Ob die Teilung des dritten Romans aus reiner Geldgier des Studios oder dramaturgischer Notwendigkeit erfolgte, steht auf einem anderen Blatt. Aber das Finale der „Tribute“ besitzt Nervenkitzel und Horror-Effekte genauso wie dialogische Durststrecken und Langatmigkeit.
 
In der Umsetzung von „MockingJay 2“ als heißes Finale eines Gänsehaut-Epos scheut Regisseur Francis Lawrence nicht davor zurück, sich in der Motivation seiner Hauptfigur bei den großen Tragödien der Menschheit zu bedienen. Und Jennifer Lawrence hält dem Pathos an der Grenze zum Kitsch, genauso wie ihre Figur Katniss, bravourös stand und macht den Film zur großen Revolutions-Schmonzette. Daran ändern auch ein paar alberne Mutanten und der Waschmittel-Werbungs-Charme der letzten Szene nichts.
 
 
Revolutions-Klassiker mit Bezug zur Realität
 
Man verrühre „Die Jungfrau von Orléans“ mit „Der Soldat James Ryan“, dazu eine Prise der kampftechnischen Fertigkeiten einer Penthesilea und ein Schippe mutiger Entschlossenheit einer Sophie Scholl, das Ganze eingebettet in den Sturm auf die Bastille: „MockingJay 2“ hat das Zeug zum dystopischen Revolutions-Klassiker und bringt die Saga der Hungerspiele zu einem tränenreichen Happy-End. Trotz zwischenzeitlicher dramaturgischer Dürrephasen bleibt die Spannung meist konstant hoch, geschont werden die jugendlichen Zuschauer dabei nie.
 
Die Brutalität, Unbarmherzigkeit und Regellosigkeit des Bürgerkriegs in Panem erinnern teilweise schmerzlich an reale Konflikte im Nahen Osten. Doch das Genre „Jugendfilm“ hatte die Trilogie (oder besser Quadrologie) schon lange verlassen. Vom jugendlichen Massaker des ersten Teils griff der Wundbrand der Rebellion auf alle Distrikte des Landes über und mit der Potenzierung der Opferzahlen wurden aus den „Tributen von Panem“ handfeste Kriegsfilme. Was der Qualität sicher nicht geschadet hat. Wer die Vorgängerteile nicht gesehen hat, oder nicht zumindest in der Romanlektüre bewandert ist, hat keine Chance einen Zipfel zum Verständnis der Handlung zu erhaschen. Wie im Seriensequel geht es gleich in medias res, ohne erklärende Erzähltexte oder Rückblenden.
 
Zu Beginn von „Mockingjay Teil 2“ erholt sich Katniss von der fast tödlichen Würgeattacke, mit der Peeta, durch Drogen und Psychofolter irregeleitet, einen Auftrag des Capitols erfüllen sollte. Der Spottvogel ist für Diktator Snow zur größten Bedrohung geworden, mit immer perfideren Tricks versucht der Herrscher sich seiner Widersacherin zu entledigen. In den Katakomben von District 13 beraten unterdessen Rebellen-Präsidentin Coin (eine brillante Julianne Moore mit genialisch schleichender Entwicklung zur nächsten Diktatorin) und ihr Berater Heavensbee, wie das Potential ihrer Spott-Tölpel Trumpfkarte am besten zu nutzen ist. Die moralische Frage, inwieweit ein Guerillakrieg den Tod von unschuldigen Zivilisten rechtfertigt, treibt einen ersten Keil in die Beziehung von Gale und Katniss. Der gefundene Kompromiss sieht die mögliche Kapitulation der Bewohner vor, als die Rebellen schließlich die Eingänge der Bergfestung des Capitols durch Explosionen verschütten.
 
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Katniss bezahlt ihre Sanftmütigkeit daraufhin fast mit dem Leben, denn ein Anhänger Snow´s schießt sie nieder. Gerettet durch ihr feuerfestes Vogel-Kostüm wird sie endgültig zur unbesiegbaren Ikone und stachelt in neuen Propaganda-Videos die Wut der Rebellen an. Doch der Einsatz an der Heimatfront reicht der Heldin irgendwann nicht mehr, die zwischen dem Wunsch nach Frieden und der Verantwortung für soviel Tod und Leid zu zerbrechen droht.
 
Also begibt sie sich, ohne Wissen von Coin und Plutarch, auf ein Himmelfahrtskommando in den Palast, um Snow persönlich zu töten. Brisant, nicht nur wegen der Übermacht an Fallen und Friedenswächtern, sondern auch weil ihr geliebter Mitstreiter Peeta mit von der Partie ist, dessen Mutationen jederzeit eine neue Attacke erlauben. Die kampflustige Reisegruppe wird daneben noch von Gale, Sicherheitschef Boggs, Finnick, Castor und Pollux und einigen neuen Gesichter ergänzt, wobei die fiesen Tricks und Spiele des Diktators selbstredend Opfer im 5-Minutentakt fordern.
 
Diese Operation tief im Feindesland überstrahlt spannungstechnisch den gesamten Film und schickt immer wieder Schreckenschreie durch die Kinoreihen. Unrühmliche Ausnahme sind die oben erwähnten Zombie-Mutanten, deren Lächerlichkeit viel Suspense raubt. Das Ende des Regimes von Snow ist dann genauso absehbar wie überraschend...
 
Hollywoodgrößen, Legenden und der Abschied von Jennifer Lawrence
 
Die beiden Teile von Mockingjay wurden in einem Rutsch bis zum Februar 2014 abgedreht, einerseits gnadenlos effizient und andererseits der vorschnellen Alterung der Hauptdarsteller vorbeugend, die hier, im Gegensatz beispielsweise zu Harry Potter, nicht gewünscht war. Unbeabsichtigter Nebeneffekt ist der vollständige, und letzte filmische Auftritt von Philipp Seymour Hoffmann, der im Februar 2014 unerwartet verstarb und nun fast zwei Jahre später noch einmal bewundert werden kann.
 
Seine Figur Heavensbee plätschert zwar mehr oder weniger nur so dahin, dennoch genießt man diesen schauspielerischen Ausnahmekönner in jeder Sekunde auf der Leinwand. Der dritte im Bunde der Hollywoodgrößen ist Donald Sutherland als menschelnde Giftspritze Präsident Snow. Meistens abgrundtief böse und vom Hass zerfressen, eiskalt beim Dinner-Mord im Führerbunker, erregt er am Ende sogar noch Mitleid, weil ihm selbst die Fäden aus der Hand genommen wurden. Nach der Verabschiedung ins Familien-Idyll wird man Katniss an der Front vermissen.
 
Jennifer Lawrence hat ihrer Figur fast 10 Stunden Dauer-Power eingehaucht, von stimmloser Verzweiflung bis zur großen Schlachtenrede war alles dabei, was eine Figur rund und stimmig macht. Jennifer Lawrence rettet „Die Tribute von Panem“ sicher aus dem einheitlichen Sammelbecken anderer dystopischer Genrefilme und spielt nebenbei ihre Kollegen Liam Hemsworth (Gale) und Josh Hutcherson (wer ist verantwortlich für diese Frisur?) an die Wand.
 
Nervenkitzel bis zur letzten Minute
 
„Mockingjay Teil 2“ schließt den Panem-Zyklus auf versöhnliche Art und Weise, mit gnadenloser Nervenanspannung in der Kanalisation, manchmal langatmig, aber trotzdem besser als der 1.Teil. Für amerikanische Verhältnisse stecken im Abschluss der Trilogie erstaunlich interessante Gedanken über das Für und Wider eines Krieges, doch letztendlich wird man das Gefühl nicht los, dass es auch ein einzelner dritter Teil gemacht hätte...
 
Interessant noch für deutsche Zuschauer die Motive rund um das Tempelhofer Flugfeld, dessen Nazi-Ästhetik gut zur restlichen Ausstattung des faschistoiden Regimes um Diktator Snow passt.
 
Und wer Lust hat, die original Drehorte aus dem Film zu besuchen, der kann sein eigenes Panem-Abenteuer hier planen:  http://www.filmtourismus.de/die-tribute-von-panem/.