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spectre kritik
 
Autor: Manuel Boecker
 
Er ist wieder da. Zum vierundzwanzigsten Mal jagt der berühmteste Smoking der Filmgeschichte den ultimativen Bösewicht und die weiße Katze bleibt dabei nicht die einzige Reminiszenz an frühere Filme: „Spectre“ ist ein wuchtiger Retro-Bond, bei aller Gewalt leichtfüßig wie ein Werbespot und ein Suchspiel für Bondfanatiker. Im internen Ranking der Reihe wird sich „Spectre“ trotz lautstarken Auftretens jedoch bescheiden hinter „Skyfall“ und „Casino Royal“ einreihen müssen.
 
Mit der Besetzung von Daniel Craig vor neun Jahren begann eine neue Ära in der Bond-Historie. Nicht nur weil Craig Jahrzehnte nach Connery der Figur den Charakter einer verletzlichen Tötungsmaschine zurück gab, sondern auch, weil die Produzenten und Autoren zum ersten Mal versuchten, eine lineare Geschichte über mehrere Filme weiter zu erzählen. Nach dem grandiosen Neu-Einstieg mit „Casino Royal“ verendete dieses Ansinnen mit „Ein Quantum Trost“ erstmal in einem nebulösen Debakel. Figuren und Handlungsstränge wurden zwar reaktiviert, doch der zweite Craig-Bond blieb als wirrer Szenenhaufen mit undurchschaubarer Story in Erinnerung. Umso strahlender die Wiedergeburt 2012. „Skyfall“ verließ die bekannten Pfade und ging als oscarprämiertes Highlight vor allem als Einspielrekord in die Geschichte ein.
 
Und 2015? Der Regisseur hatte vor dem Erscheinen von „Spectre“ vollmundig angekündigt: „Wir hatten keine Wahl. Wir mussten größer und besser werden.“ Wobei Sam Mendes mit ersterem Recht behielt, mit zweitem nicht. Der Weg, die Figur biografisch genauer auszuleuchten und durch die Konfrontation mit verstorbenen Liebschaften mehr schmerzliche Tiefe hinein zu bringen, hat im Grunde funktioniert. Doch die reine Erwähnung der abgelebten Widersacher macht den aktuellen, von Christoph Waltz zwar treffend, aber undiabolisch gespielten Bösewicht, nicht gefährlicher, auch wenn ständig behauptet wird, wir hätten es hier mit dem bisher unsichtbaren, finsteren Oberhirn der letzten drei Filme zu tun.
 
Und die mehrmalige Erinnerung an Vesper Lynd (Eva Green), Bonds Geliebte aus „Casino Royal“ beamt den Zuschauer zurück in das Kribbeln dieser unvergesslichen Liaison und macht es Madeleine Swann (Léa Seydoux) als Nachfolgerin schwer, ähnliche Knister-Momente zu erzeugen.
 
 
Klassische Bond-Dramaturgie und viel Action
 
Egal, „Spectre“ ist ein würdiger Bond-Film. Schon allein die Eröffnungsszene verdient die Überschrift epochale Filmkunst: Schlachtmotiv ist das tosende „Fest des Todes“ in Mexico City, ein brodelnder Kessel aus Knochenmasken. Wie ein nervendes Insekt verfolgt die Kamera in einer ungeschnittenen Fahrt Bond auf dem Weg zu einer Killeraktion, bevor Fassaden zusammenstürzen und unser Held nach engem Kampf einen Hubschrauber Zentimeter über die Köpfe der Masse lenkt. Danach vertraut Mendes auf die klassische Bond-Dramaturgie des bekannten Stationendramas. In Rom, in Szene gesetzt wie für eine faschistische Parfumwerbung, hat Bond zum ersten Mal Kontakt mit dem üblen Widersacher und seiner eigenen Geschichte.
 
Die Organisation Spectre und der katzenstreichelnde Blofeld sind natürlich schon seit „Dr. No“ bekannt, im Jahr 2015 wird daraus eine Runde von Wirtschaftslenkern mit Hang zur körperlichen Gewalt. Bond sammelt ein paar Informationen ein, erledigt seine erste Liebesnacht (Monica Bellucci mit unerreichter Grazie im Liebesduett) und macht sich auf in die Berge, um in der Gipfelklinik das ersehnte „Bond-Girl“ zu treffen. Hier wartet die nächste Reminiszenz, auch der glücklose George Lazenby durfte Ende der Sechziger eine ähnliche Verfolgungsjagd herab vom Gipfelpanorama bestreiten. Vor der obligatorischen Jagd im Schnee wird aber die Basis für eine Liebesgeschichte gelegt, die im Laufe des Films zum neuen Antriebsmotor für Bond wird: Madeleine Swann, angstverzerrt und trotzdem hingebungsvoll gespielt von Léa Sedoux, liefert sich einige brizzelnde Dialog-Duelle mit Bond.
 
Zur Zementierung ihrer Liebschaft werden die Verliebten glatt in die Wüste geschickt, in der nordafrikanischen Hitze unterm Ventilator findet Bond den entscheidenden Hinweis auf die Zentrale der Organisation. Endlich mal wieder ein Bösewicht-Hauptquartier, das seinen Namen verdient, obwohl die in der Sonne blinkende Kraterfestung schneller in Rauch aufgeht, als man vermuten würde…
 
Alte Bekannte und Showdown der Bösewichte
 
Die finale Schlacht ist in ihrem Ausgang dann ebenso spannend wie überraschend und lässt viel Spekulationsraum für den nächsten Bond. Wer sterben muss und wer überleben darf, wie nah sich Bond und der Spectre-Chef Oberhauser wirklich sind und auf welche Weise der typische Brutalo-Handlanger, in der Tradition von „Beißer“ aus „Moonraker“, sein Leben aushaucht, wird hier aus spannungstaktischen Gründen natürlich nicht verraten.
 
Erwähnung finden sollten jedoch noch drei Schauspieler, deren Rollen verdienterweise mit mehr Handlungsoptionen aufgewertet wurden: Ralph Fiennes stürzt sich als M diesmal persönlich mit ins Getümmel und gibt den degradierten und gedemütigten Chef wortkarg und mit gebremsten Schaum vor dem Mund. An seiner Seite kämpfen wadenbeißerisch Moneypenny (Naomie Harris) und Q (Ben Whishaw), changierend zwischen Loyalität zu Bond und der eigenen Karriere.
 
Andrew Scott dagegen macht es sich als neuer Chef „C“ im „Korrupter-Chef“-Klischee zu bequem und hechelt mit Schwiegersohn-Lächeln darum, als zwielichtige Figur ernst genommen zu werden. An einem ähnlichen Schicksal schrammt Christoph Waltz haarscharf vorbei, sein Franz Oberhauser lebt eher von den Vorschußlorbeeren auf den Oscar-Preisträger, als seiner genialisch-verrückten Darstellung. Doch in Bezug auf Waltz´Figur gibt es das Buch ehrlich gesagt am wenigsten Futter ab…
 
Fazit:
 
Das Kribbeln ist auf jeden Fall sofort wieder da wenn die bekannte Melodie ertönt und der Mann im Smoking ins Publikum schießt, auch wenn der Titel-Song „Writing´s on the wall“ von Sam Smith, eher schmalbrüstig und ohrwurm-unverdächtig daher kommt.
 
Schaden kann es dem Film nicht, auf der Habenseite stehen kunstvolle, tänzerische Bilder, überraschende Action, viel trockener Humor und endlich ein Frauenbild, das dem dritten Jahrtausend würdig ist. Die blonden Bond-Häschen gehören endgültig der Vergangenheit an, es leben Vesper Lynd und ab sofort Madeleine Swann…
 
Und wer Lust hat, die original Drehorte aus dem Film zu besuchen, der kann sein eigenes Bond-Abenteuer hier planen:  http://www.filmtourismus.de/spectre/.