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Autorin: Angelika Wessbecher
 
Von der Kraft des Wünschens und wie Menschen dadurch ganz schön in den Wald kommen können, handelt die für den Golden Globe nominierte Musical-Verfilmung von „Into the Woods“ unter der Regie von Rob Marshall. Als Vorlage diente ein beliebtes Broadway-Stück von Stephen Sondheim (Musik) und James Lapine (Libretto).
 
Es erzählt von vielfältigen existenzielle Verstrickungen, vom Fluch der Generationen, hält aber auch überraschende Lösungen bereit, all dies verdeutlicht an einem bunten Völkchen aus verschiedenen Märchen der Gebrüder Grimm und Charles Perrault. Kein Wunder, dass Disney für diese opulente Produktion gewonnen werden konnte.
 
Ein etwas breit angelegtes, aber kunstvoll verwobenes Intro unter dem Motto „I wish“ stellt das Ensemble mit seinen großen und kleinen Sehnsüchten vor: Die Hexe (Meryl Streep) möchte ihre Schönheit zurück, die ihr nach dem Raub von drei Zauberbohnen durch die Vorfahren des Bäckers (James Corden) abhanden kam. Der und seine Frau (Emily Blunt) sehnen sich, durch den Bann der Hexe belegt, vergeblich nach einem Kind. Das gefräßige Rotkäppchen (Lilla Crawford) wäre schon mit Backwaren zufrieden zu stellen und Hans Bohnenrankes Mutter (Tracy Ullman) mit einem weniger schlampigen Haushalt. Während des Chorus’ schauen die Akteure fragend nach oben, als könnte alleine von dort und ohne eigenes Zutun eine Lösung erscheinen.

 
Und sie würden heute noch singen, wenn es mit der Ansage der Hexe an das Bäckerpaar nicht plötzlich sehr konkret würde. Sollte es den beiden gelingen, ihr bis zum Aufgang des blauen Vollmondes vier magische Gegenstände zu besorgen, würde der Fluch aufgehoben werden, der auf ihnen lastet. Damit beginnt das Paar seine Dinge in die Hand zu nehmen und betritt, unbeholfen stolpernd, den Wald, der nach Aussagen der Tiefenpsychologie für das Unbewusste und seine Herausforderungen, aber auch seine Belohnungen steht. Im dunklen Forst treffen die beiden unter anderem auf Cinderella (Anna Kendrick) Rapunzel (Mauzie McKenzie), und den kleinen Hans Bohnenranke (Daniel Huttlestone), die trotz gegenseitiger Behinderungen, vorhersehbar, aber sehr unterhaltsam, ihre festgeschriebenen Märchenrollen absolvieren.
 
Die Musical-Verfasser und Regisseur Marshall hatten mit ihrem ambitionierten Werk jedoch mehr im Sinn, als die altbekannten Geschichten mit ihren unvermeidbaren Happy Ends vorzuführen, obwohl auch die ihren Reiz haben und mit viel Effekten zelebriert werden. Das kann stellenweise sehr komisch sein wie das schmalzige Duett „Agony“ zweier Prinzen (Billy Magnussen und Chris Pine) in einem Wasserfall und die spektakuläre Befreiung von Rotkäppchen und Großmutter aus dem Bauch des Wolfs.
 
Eine Straffung hätte „Into the Woods“ jedoch gut getan. Dem Kinobesucher wird in der letzten halben Stunde ein Resümee präsentiert, das zwar sehenswert ist, ihm aber das Letzte an Empathie abverlangt: Auf einmal verfinstert sich die bis dahin magisch schützende Atmosphäre des Waldes. Aus skizzierten Rollen schlüpfen Menschen hervor, die unsicher und verletzlich wirken. Sie stellen sich ihrer Verantwortung und lernen Verluste zu akzeptieren, die aus ihren Wünschen und deren Kettenreaktionen resultieren. Auch die Frage der Verantwortung für die Generation der Nachgeborenen wird aufgeworfen. Am Ende versichert sich ein gebeuteltes Grüppchen, das, verglichen mit der Ausgangssituation, nun zu einer wirklichen Gemeinschaft zusammen gewachsen ist, trotzig mit dem Song „No one is alone“.
 
Rob Marshall wollte mit seinem Film ausdrücklich ein Märchen des 21. Jahrhunderts für die Generation nach dem 9. September schaffen. Ein sehr amerikanisches, möchte ich hinzufügen, mit seinem zaghaften Selbstzweifel an der Größe und Unverwundbarkeit der eigenen Nation.
 
Der Regisseur (für seine Verfilmung des Musicals Chicago“ 2002 mit sechs Oscars ausgezeichnet) hatte in seiner neuesten Produktion einige logistische Herausforderungen zu lösen, da die Außenaufnahmen vor dem einbrechenden Herbst in einem großen Waldgebiet in England zu Ende gedreht werden mussten. Diese Szenerie beschert dem Film sehr authentische und berückende Naturaufnahmen (Kamera: Dion Beebe). Das Produktionsdesign stammt von Dennis Gassner (1991 für seine Arbeit an „Bugsy“ mit dem Oscar ausgezeichnet), der eine perfekte Synthese aus Natur- und Studioaufnahmen herstellte. Die zauberhaften, stellenweise sehr kreatürlichen Kostüme schuf Colleen Atwood (Oscargewinnerin für „Chicago“, 2002).
 
 
Eine der Stärken des Films ist, dass es dem Regisseur gelang, aus einer Vielzahl von Darstellern, darunter etliche Weltstars, ein aufeinander eingeschworenes Ensemble mit spürbarer Spielfreude zu schaffen:
 
Meryl Streep (Osacr für „Die eiserne Lady“, 2011) zieht als Hexe mit ihren Krallen bewerten Händen alle Register. Sie wispert, spuckt und duckt sich, um gleich drauf wieder triumphierend aufzufahren. Bei aller Theatralik lässt sie eine gehörige Portion Selbstironie aber auch Sympathie für ihre Rolle einfließen, denn diese verkörpert eine schwer verwundete Frau. Darin gleicht sie ihrer Leidensgefährtin „Maleficent“ (2014), wenngleich Stephen Sondberg seiner Gestalt weniger Entwicklungsmöglichkeit zugestanden hat. Ihre Rolle in „Into the Woods“ brachte Meryl Streep eine Nominierung für den Golden Globe ein.
 
Ein weiterer unbestrittener Superstar des Films ist Johnny Depp (Oscar für„Sweeney Todd", 2008 ), wenngleich er darin nur eine Stippvisite von wenige Minuten absolviert. Mit wankender Stimme und dem Habitus eines Rockstars verleiht er der Rolle des Wolfes etwas Laszives und Haltloses, als hätte er gerade zu viele Tollkirschen im Wald genascht.
 
Für die Frau des Bäckers gewann Marshall Emily Blunt, (Der Teufel trägt Prada, 2009). Sie spielt eine widersprüchliche, letztlich gescheiterte Figur und verkörpert sehr glaubhaft die Entwicklung von einer naiven Ehefrau mit schmollendem Minenspiel zu einer Person, die Selbstzweifel, Verletzlichkeit und Verantwortungsgefühl zeigt. Auch sie bekam für ihr Spiel eine „Golden Globe“-Nominierung. Eine kleine Ironie am Rande ist, dass die Schauspielerin, die sich in ihrer Rolle zunächst vergeblich nach einem Kind sehnt, während des Drehs schwanger war und dies kaschiert werden musste.
 
Den Gegenpart spielt James Corden in der Rolle des Ehemannes. Auch er macht eine Reifung vom einfältigen Tölpel zum verantwortungsvollen Vater durch. Obgleich ein starker Schauspieler, ist der gesanglicher Part, verglichen mit den anderen Akteuren, weniger seine Stärke.
 
Die Rolle der Cinderella spielt Anna Kendrick (bekannt aus „Breaking Dawn, Teil 1"). Schön, leidend, mit glockenhellem Sopran, ist sie unbestrittene Sympathieträgerin innerhalb einer fiesen Stieffamilie (Christine Baranski, Tammy Blanchard und Lucy Punch) und einem abtrünnigen Prinzen. (Chris Pine).
Die beiden Kinderstars sind Lilla Crawford (zuletzt 2014 besetzt in „Annie“) in der Rolle des Rotkäppchens und Daniel Huttlestone („Les Misérables, 2012) als Hans Bohnenranke. Mir persönlich hat es die vorlaute Göre mit ihrer kräftigen, aber wenig modulierten Stimme, weniger angetan als ihr kleiner verhaltener agierender Sangeskollege, dem am Ende des Films eine gewichtige Rolle zugedacht ist.
 
Disney-Fans, die mit einigen Längen und dem ungewissen Ausklang einer ansonsten glamourösen Inszenierung leben können, sollten sich „Into The Woods“ unbedingt anschauen. Für kleinere Kinder ist dieser Film nicht geeignet, da ihre Lieblinge doch arg gezaust werden.